Werdenfels-Gymnasium Garmisch-Partenkirchen - 1950-2003 - Entwicklung und Bewährung

 


1949/50

Das Garmisch-Partenkirchner Tagblatt erinnerte im April 1950 mit einem kurzen Bericht an die Gründung der Oberrealschule im Jahre 1913 und an die verschiedenen Entwick­lungsstadien vom Privatinstitut über die Kommu­nalisierung bis zur Widmung der Schule als „staatliche Anstalt“ im Jahre 1925. Dieses kleine Jubiläum wurde zum Anlass ge­nommen für die Grün­dung einer  „Schülervereinigung der Oberrealschule Gar­misch-Parten­kirchen.“ [1] Die Initiative dazu kam von Dr. Walther Hinrichs, dem Vorsitzen­den des Elternbeirats. Zusammen mit Wil­helm Salisko, Abiturient des Jahr­gangs 1939, in­zwischen wohlbestallter Mitarbeiter des Bayerischen Lan­desamtes für Wasserversor­gung in München, kümmerte er sich um An­schriften der „Ehemaligen“, informierte in Rundschreiben die Vereinsmit­glie­der über die neuesten Entwicklungen an der Gar­misch-Partenkirch­ner Ober­realschule und lud regelmäßig zu Ver­einstreffen ein, die in der Weih­nachtszeit im Hotel Neu-Werdenfels stattfanden.[2]

Eingang Wettersteinstraße - 1950Im April 1950 besichtigte eine Kommission des Innenministeriums, des Kultusministeri­ums und der Obersten Baubehörde das alte Schulge­bäude am Von-Steuben-Platz so­wie den seit 1939 nicht vollendeten Neubau an der Wettersteinstraße. Seit elf Jahren waren die Aula und die beiden Turn­hallen über das Rohbaustadium nicht hinaus ge­kommen. Der lange Mittel­bau, in dem die Klassenzimmer vorgesehen waren, war über­haupt nur bis zum Kellergeschoß gekommen und dann behelfsmä­ßig mit Brettern abge­deckt wor­den. Der naturwissen­schaft­liche Westflü­gel der Schule hatte das Planungssta­dium noch nicht verlas­sen. Ergeb­nis der Besichtigung: Die Kommission beschloss, die Fer­tig­stellung der Oberrealschule Gar­misch-Partenkirchen an die erste Stelle aller Bau­vorhaben für höhere Schulen in Bayern zu setzen. Landrat Dr. Kessler und der Garmisch-Parten­kirchner Bürgermeister Georg Schütte küm­merten sich weiter in vielen Ge­sprächen mit dem Ministerium um die Si­cherstellung der Finanzierung.

Noch im alten Gebäude bestanden in diesem Schuljahr 17 Schülerinnen und 51 Schüler die Abiturprüfungen. In Anwesenheit des US-Kreisresi­dent-Officers Roessler, des Landrates Dr. Kessler und der Geistlichkeit bei­der christlichen Konfessionen wurde ih­nen von Oberstudiendirektor Höllerer das Zeugnis der Reife überreicht.

 

1950/51 - 603 Schüler  -  Josef Wittmann, Max Scharr, Adolf Goetz, Walter Rupprecht 

Die Entnazifizierung, die nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und dem Untergang der Rohbau - Lehrerzimmer und Musiksaal - 1950Hitler-Diktatur eine demokratische Neugestaltung des öffentlichen und politischen Lebens ermöglichen sollte, war 1949 mit der Verabschiedung der Schlussgesetze weit­gehend beendet. Die Spruch­kammer Garmisch-Partenkir­chen schloss jedenfalls 1951 die Ak­ten. Der Leiter der Oberrealschule, Josef Höllerer, berichtete im April 1951 über das Ergebnis der Entnazifizierung an sei­ner Schule mit dem knappen Vermerk an das Kultusministerium: „Von den 32 Lehrkräften der Anstalt waren 22 Pgs.“[3]

Höllerer, dem seine untadelige Haltung im Dritten Reich die Autorität ver­lieh, zwi­schen fanatischen Anhängern, den alltäglichen Mitläufern und über­zeugten Geg­nern des Re­gimes  zu unterscheiden, beschrieb die Situation mit dem Satz: „An der Schule wa­ren unter der Lehrerschaft die beiden La­ger (Nazi-Anhänger und Nazi­gegner) ziemlich klar abgegrenzt.“[4] Schon seit Februar 1933 waren Lehrer im Kollegium aufgetreten, die füh­rende NS-Rollen übernahmen, für Hitler und die „Bewegung“ Propaganda mach­ten, darauf achteten, dass von Schülern und Lehrern ausschließlich der „deut­sche Gruß“ ge­braucht und formgerecht aus­geführt wurde, schon als An­wärter fleißig und mit Stolz das Parteiabzeichen tru­gen und aufmerk­sam überwachten, ob die Pgs unter den Schülern ein Gleiches taten.

Manchem Kollegen konnte Höllerer dagegen bestätigten, dass er die Schüler niemals im Sinne der NS-Ziele beeinflusst habe und sie „auch heute in freiheit­li­chem, liberalem Sinne“ erziehe. Wieder Blick in den Südhof mit den Fundamenten des Hauptgebäudes - 1950eingestellt wurde, wer nach menschli­chem Ermessen durch seine „politisch absolut positive Einstellung sowie seine charakterli­chen und mo­ralischen Eigen­schaf­ten“ Ge­währ dafür bieten würde, „dass er dauernd in jeder Weise um die Ent­wicklung und För­derung wahrer De­mokratie in Deutschland be­müht sein wird.“[5]

Für den äußeren Erfolg der Schule wurde die Frage entscheidend, wann denn nun end­lich der 1939 begonnene Neubau an der Wetterstein­straße fertig ge­stellt werden konnte. Seit 1928 kursierten Pläne und Wünsche. Bauanträge und Grundstücksver­handlungen beschäftigten die Behörden. Die Lehrer mussten 1945 aber immer noch in einem Gebäude unterrichten, das aus allen Nähten platzte und im wahrsten Sinne des Wortes aus den Fugen geriet: Die Schüler mussten sich in einzelnen Klassenräumen der oberen Stockwerke ganz gleich­mäßig im Zimmer verteilen, weil sonst Ge­fahr bestand, dass die Zimmerdecken herunter­brechen würden. „Man kann heute sagen, dass das Bauprob­lem der hiesigen Oberrealschule zu meiner Le­bensaufgabe geworden ist,“ resümierte Höllerer am Ende des Schuljahres 1949/50.[6] Er erinnerte im Gespräch mit einer Kommis­sion der Obersten Bau­behörde daran, dass die „Rivali­tätsstreitigkeiten zwi­schen den seiner­zeit noch getrennten Gemeinden so groß gewesen seien, dass Gar­misch Einspruch erhoben habe, weil der Bau auf Partenkirchner Grund, nämlich an der Frickenstraße hinter dem jetzigen alten Schulgebäude, errichtet wor­den wäre.“[7]

Höllerer klagte beredt darüber, dass das Bauvorhaben 1928/29 an dieser Kirch­turmpo­litik gescheitert sei. Zehn Jahre später war das Projekt dann in  halbvoll­endetem ZAula mit Eingang Südhof - 1950u­stand vom Ausbruch des Zweiten Weltkrieges über­rascht worden und wiederum elf Jahre später stand man bei Schul­beginn vor dem Rohbau der Turnhallen und der Aula, während der Klas­sentrakt über das Kellergeschoß nicht hinausgekommen war. Schul­fremde Einbau­ten aus Kriegszeiten mussten durch umfangreiche Spren­gungen beseitigt werden.

An die Errichtung des geplanten und dringend benötigten naturwissen­schaftli­chen West­flügels war in der gegenwärtigen Situation nicht einmal zu denken. Und selbst die Turn­hallen standen der Schule nicht uneinge­schränkt zur Verfü­gung: Die Halle II musste an den Landkreis abgetreten werden, der dort das Kreisverwaltungsgebäude unter­brachte. Die US-Mi­li­tärbehörden hatten die Dienststellen des Landratsamtes zuvor recht kurz­fristig aus dem der Schule ge­genüberliegenden ehemaligen Divisi­onsstabs­gebäude der Gebirgsjäger hinaus­komplimentiert. Die Turnhalle II wurde deshalb in 25 Büroräume aufgeteilt. In der Nachbarschaft der Kreisverwal­tung befand sich zeitweise eine Anlage für Obst­verwertung, die vorüberge­hend auch Gast im Kellergeschoß der Schule war.

Fünf Millionen neue wertvolle DM standen in Bayern für Neubauten im Be­reich der Hö­heren Schulen zur Verfügung – 850000.- DM sollte allein die Garmisch-Partenkirchner Oberrealschule verschlingen. Man hoffte sogar darauf, einen Teil des Neubaus aus Mit­teln des Mc-Cloy-Fonds des US-Landeskommissariats für Bayern finanzieren zu kön­nen.

Auch für Schulbücher war wieder Geld da: Oberstudiendirektor Höllerer teilte ganz stolz mit, dass „bereits 10000.- DMKlasse 6k mit Studienrat Walter Kiefhaber - 1951 für Lehrbücher genehmigt“ seien. [8] Ge­plant wurde sogar ein Lesezim­mer mit Zeitschriften. Vielleicht war hier die erste Überlegungen für eine Zentralbibliothek entstanden – auf ihre Vollendung musste noch lange gewartet wer­den.

Landrat Dr. Kessler stellte in einer Sitzung des Kreistages Ende Sep­tember 1950 den Mitgliedern des Kreisparlaments die Situation der Oberreal­schule mit drastischen Worten vor: „Die Oberschule steht durch die furcht­bare Enge und die Teilung des Unter­richtes in eine Vor- und eine Nachmit­tagshälfte vor Schwierig­keiten, die an Lehrer und Schüler äußerste Anforde­rungen stellen und das Ni­veau drücken.“[9] Gleich­zeitig wusste er nach ei­nem Gespräch mit dem Kultusminis­terium davon zu berichten, dass geplant wurde, nicht nur die äußere Gestalt der Schule, sondern auch ihre innere Struktur in einmaliger Weise zu verän­dern. Die Oberrealschule Garmisch-Partenkirchen sollte, so die Pläne des Ministeriums, eine staatliche Ver­suchsschule werden, die neben dem Huma­nistischen Gymnasium und der Oberrealschule auch ein Real-Gymnasium und eine Mittelschule beherber­gen sollte. „Der besondere Reiz“ liege darin, so fügte Dr. Kessler hinzu, „dass in dieser Lehranstalt auch dem praktischen Bildungsbe­dürfnis mit Werkunterricht entgegen­gekommen werden soll,... um die Jugend zur Ach­tung vor der prakti­schen Arbeit zu erziehen.“[10] Diese neue Schulform stelle bayern- und deutschland­weit ein ausgesprochenes Novum dar. Garmisch-Par­tenkir­chen solle damit „pädago­gisch interessant“ werden. Der Vorteil dieser neuen Schulform wurde darin gesehen, dass „die Schüler nicht starr in ein ge­wisses Schulprogramm hineingepresst werden, sondern dass sie siDie Klasse 7a vor dem Ausflug zum Geroldsee - 1951ch im Laufe der Ausbildung auf Grund ihrer Leistungen und Interes­sen selbst für die Fortset­zung ihres Unterrichts in einer der gebotenen Rich­tun­gen ent­scheiden können.[11] Damit war die Idee einer kooperativen Ge­samt­schule mit Kurssys­tem und Wahlfächern geboren. Die „Ver­knüpfung verschiedener Schulsysteme“ sollte „eine lebensnahe Einrich­tung“ werden, „deren Besuch nicht zuletzt den Schülern selbst mehr Freude am Unterricht bereiten wird, als es vielleicht bisher möglich war.“[12] Die Idee, die Gar­misch-Partenkirchner Oberrealschule zu einem Vorreiter in Fragen der Schulreform für ganz Deutschland zu machen, wurde von den US-Behör­den in Bayern zwar stark unterstützt, konnte sich aber - leider – doch nicht dauerhaft entfalten oder gar durchsetzen. Ein gutes Jahr später waren diese Pläne, wie Schulleiter Josef Höllerer vorsichtig formulierte, schon wieder „etwas ins Wasser gefallen.“[13] Sie sind nie wieder  auf­getaucht, ob­wohl oder gerade weil man in der Erzie­hungsabteilung des US-Landes­kommissariats dem Reformpro­jekt nach wie vor „sehr zugetan“ war.[14]

Der Schulbesuch waren immer noch schulgeldpflichtig. Befreiung oder Er­mä­ßi­gung gab es für 19 Prozent der Kinder. Für 53 der bedürftigsten und wür­digsten Schüler wurde eine Ausbildungsbeihilfe gewährt, „außerdem stellte der Land­kreis Garmisch-Parten­kirchen für 4 fleißige, begabte und brave Schüler 300 DM zur Verfügung.“[15]


Schülerzeichnung "Rathaus Garmisch-Partenkirchen" - 1950 Schülerzeichnung Reklameschild für das "Hochland-Kino" in Partenkirchen - 1950  



[1] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 11.04.1950

[2] Im Archiv der Schule sind die Anschriftenlisten Nr. 1 und Nr. 3 sowie die Rundschreiben Nr. 5 (Dezember 1955) und Nr. 7 (Februar 1957) erhalten.

[3] Bericht des Schulleiters an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus vom 10.04.1951

[4] ebd.

[5] ebd.

[6] Hochlandbote 21.04.1950

[7] ebd.

[8] GPT 14.07.1950

[9] Landrat Dr. Kessler - GPT 04.10.1950

[10] ebd.

[11] ebd.

[12] ebd.

[13] GPT 08.11.1951

[14] ebd.

[15] Jahresbericht über das 33. Schuljahr 1950/51 S. 31

 

 

 

© Alois Schwarzmüller 2006