Werdenfels-Gymnasium Garmisch-Partenkirchen - 1933-1945 - Schule in der Diktatur

 

 


1939/40 - 318 Schüler

Ludwig Büttner, Dr. Christian Dehm, Ferdinand Strauß, Dr. Erich Sanwald, Dr. Paul Walbinger

Am 9. März des Jahres 1940 war es dann endlich so weit: Lehrer und Schüler, Archi­tekten, Ingenieure und Bauarbeiter, Handwerker und Kommunalpolitiker versammelten sich auf dem neuen Schulgelände, um das Richtfest für die Bauabschnitte I und III, die Turnhalle, die Aula und den Entwurfsplanung für den Neubau an der Wetterteinstraße - 1939Verbindungstrakt zwi­schen beiden mit Lehrerzimmern und Vorhalle, zu begehen „und damit einen Bauzustand zu erreichen, der selbst die längste Dauer des Kriegszustandes überstehen kann“, wie der Berichterstatter des Garmisch-Partenkirchner Tag­blatts recht großmäulig vermeldete.[1] In Anwesenheit von Landrat Dr. Wiesend, Bürgermeister und NS-Kreisleiter Scheck, Architekt Holzheimer als örtlichem Bauleiter und Vertreter von Professor Bieber und Studiendirektor Höllerer mit Lehrern und Schülern wurde von Zimmermannslehrling Georg Grasegger der Richt­spruch hoch herunter vom First des Gebäudes vorgetragen. Die humorvol­len Verse stammten aus der Feder von Fachschuldirektor Otto Blümel, dem Lei­ter der Schnitz­schule Partenkirchen.

Nach dem Lob für die Architekten, für die am Bau beteiligten Firmen und Arbeiter und für den Bauherrn wandte sich der Richtspruch dem Zweck des neuen Ge­bäudes zu:

„Was werd na des da für a Bau?

I kanns Euch sagn ganz genau.

A neue Oberschul solls wern

Für lauter hochstudierte Herrn.

 

Die gscheiten Buam wern allwei mehra,

Der Platz is z´kloa, s´geht koar mehr nei,

Und d´Lehra, de wern allwei spera,

Des ko doch net des Richti sei!

 

Der Bau pressiert für alt und jung!

Drum semmar a dabei mit Schwung!

Der Herr Direktor Höllerer

Möchts freili no viel schnellerer

 

Und sagt: Fangt´s nur grad d´Schualsäl o,

Dass i mein Unterricht haltn ko!

Er hat ja recht, der guate Mo,

I muaß scho sagn, ganz dappat wur i,

Hätt i a solche Ramasuri.

 

Dia Lehrsäl kemma scho no nach!

Und dass ihn heut nix mehr verschmocht,

Laß mirn iatz in Ehren leben,

Und alle Lehra mit daneben!“

Eingebettet wurde alles in „Führer, Volk und Vaterland“, in „dreifaches Siegheil auf unse­ren Führer“ und in die Frage ganz nebenbei „Jetzt, wo so ernste Zeiten senn, Wia ko ma so an Bau nur wagen?“[2]

„D´Schualsäl“, damit war der Bauabschnitt II gemeint, sollten bald folgen. „Recht bald, spätestens aber zum Beginn des Schuljahres 1941/42“ wollte man das Bauwerk fertig stellen.[3] Da die Zeiten aber noch viel ernster wurden, als es sich viele Garmisch-Parten­kirchner vorstellen konnten oder wollten, musste man noch mehr als ein Jahrzehnt auf den Augenblick warten, in dem das neue Schul­gebäude von Schülern und Lehrern be­zogen werden konnte.Architektenmodell der Oberschule - 1939

Abhilfe für die Raumnot wäre ja dringend notwendig gewesen – 311 Schülerin­nen und Schüler zählte die Oberschule zum Beginn des Schuljahres 1939/40. Statt Klassenzim­mer mussten aber zunehmend Kanonen gebaut werden. Die Schüler wurden intensiv darauf vorbereitet. Die politische Bildung, besser der ideologische Drill wurde intensiv betrieben. Im Juni 1939 wurde der Fliegerhorst Penzing bei Lands­berg besucht, die Abitur­klassen durften an Rundflügen teilnehmen, mit denen sie für die Luft­waffe geködert werden soll­ten. „Staatspolitische Filme“ wie „Wer will unter die Soldaten?“ warben für die Wehrmacht, ein Fregattenkapitän zeigte im Oktober 1939 kurz nach Kriegsbe­ginn einen Marinewerbefilm. In den Kurlichtspielen mussten die Schüler an einem Gemeinschaftsempfang der Reichstagsrede Hitlers am 28. Ap­ril 1940 teilnehmen – „Der Führer antwortet Roo­sevelt“ hieß die Veranstaltung.

Nicht alle teilten den Optimismus des „Führers“. Studienrat Friedrich Wilhelm Daum, 51 Jahre alt, wurde am 10. November 1939 vom SS-Hauptscharführer der SD-Außenstelle Garmisch-Partenkirchen zur Anzeige gebracht. Der Vorwurf lautete: Daum habe sich „während seines Schulunterrichts in der Oberschule Garmisch-Partenkirchen, Klasse V, staatsabträglich geäußert.“ Unter anderem habe er gesagt, „England und Frankreich wären saudumm, wenn sie den Krieg aufhören würden“ und „dass wir schon noch sehen werden, wie es uns ergehen wird, da 1914/18 die Lebensmittelmarken erst 1917 eingeführt wurden, während sie in diesem Krieg bereits jetzt eingeführt wurden.“ Den Einwand von Schülern, „dass diesmal doch auch Russland als Mitversorger Deutschlands schwer ins Gewicht falle“, habe er nicht gelten lassen, sondern mit der Frage „Was wollt Ihr denn mit Eurem Russland, wo heute noch Menschen Hungers sterben“ geantwortet. Als Zeugen wurden drei Schüler genannt.

Kurz darauf wurde Daum mit der Begründung in Schutzhaft genommen, dass er „in Hinblick auf den Schutz unserer Jugend gegen geistiges Vergiften und der Stärkung ihres Vertrauens zu Volk und Führung … auf dem raschesten Weg entfernt und unschädlich gemacht werden“ müsse.  Über sein weiteres Schicksal ist nichts bekannt. (StAM - LRA 199038 Schutzhaft – Verschiedene – 10.11.1939)

Das Jahr endete mit einer Luftschutzübung für Schüler und Lehrer. Alles war exakt ge­plant: „Schüler, die nur 5 Min. Weg nach Hause haben, begeben sich nach Hause. Die übrigen werden in Luft­schutzräumen untergebracht, und zwar im Keller der Schule 50 Pers., im evang. Pfarrhaus 31 Pers., in der Ortskr.-Kasse 20 Pers., im Bayernstüberl 8, im Hotel Neuwerdenfels 70.“[4]

 

1940/41 - 349 Schüler  -  Albert Blatt 

349 Schüler besuchten in diesem Schuljahr die „Oberschule für Jungen“ und das Huma­nistische Gymnasium, unter ihnen noch 25 Mädchen. Der Raummangel war „bis zur Un­erträglichkeit gesteigert.“ Zusätzlich zu den einheimischen Schülern hatte die Schule noch 57 Schülerinnen und Schüler „aus luftgefährdeten Gebieten“ als Gastschüler aufgenommen. 22 Schüler waren zur Wehrmacht eingezogen worden, die meisten von ihnen auf Grund freiwilliger Meldung. Jetzt wurde auch das Schulgebet gestrichen und durch einen ge­eigneten Tages- oder Wochenspruch oder ein Lied der HJ ersetzt. „An unserer Anstalt war das Schulgebet bereits seit längerer Zeit un­terblieben.“[5]

Das Schuljahr stand also ganz im Zeichen des Krieges. „Besondere Veranstaltun­gen“ sollten die Schüler für alle Zweige der Wehrmacht und anderer Institutionen gewinnen: Die Kriegsmarine warb mit Film und Vortrag, ein Leutnant lockte zum Eintritt als Offi­ziersanwärter, ein Hauptmann pries die verschiedenen Abteilun­gen der Luftwaffe an, Hauptsturmführer Stöwenow trommelte für den Eintritt in die Waffen-SS und Dr. Schuh vom Reichsstudentenwerk sammelte Interessen­ten für die SS-Sicherheitspolizei. Filme und Ausstellungen mit den Titeln „Sieg im Westen“ und „Auch wir kämpfen für den Sieg“ ergänzten das militaristische An­gebot. Besondere Wirkung versprach man sich wohl auch von einem Auftritt des einheimischen Ritterkreuzträgers Michael Pössinger, Ober­leutnant bei den Ge­birgsjägern.[6]

 

1941/42 - 353 Schüler

Der Krieg war noch keine zwei Jahre alt, der Überfall der deutschen Armeen auf die Sowjetunion war noch keine drei Monate her, da hagelte es im Deutschen Aufsatz aller Jahrgangsstufen hochaktuelle Themen: "Mit welchem Recht kann das deutsche Volk eine führende Rolle in Europa beanspruchen?" "Welche Aufgaben hat die deutsche Frau im Kriege?" "Wie weckt der Krieg die Volksgemeinschaft?" "Der soldatische Mensch - ein deutsches Ideal! Kann ich auch während der Kohlenferien zu meiner Wehrertüchtigung beitragen?" "Adolf Hitler setzt das im Mittelalter unterbrochene Werk der deutschen Ost­bewegung fort. Bestätigt auch die Geschichte des Dritten Reiches, dass eine Nation nicht groß sein kann, ohne einen Preis für die Größe zu bezahlen?" Der Deutschunterricht wurde zum Tummelplatz der Nazi-Ideologie degradiert.

Oberleutnant Felderer sprach über die wesentlichen Aufgaben der Gebirgsartillerie, Frau Trude Fuldner „brachte vor Schülern aller Klassen Gedichte, Balladen und Kriegslyrik recht gut zum Vortrag.“[7]

Für den Fall eines Luftalarms wurde festgelegt, „dass nur die auswärtigen Schüler im Keller des Schulge­bäudes bleiben und die anderen nach Hause entlassen werden sol­len.“[8]

Amtliche Bekanntmachungen des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom Februar bis zum November 1941:

"Landverschickung der Jugend luftgefährdeter Gebiete / Kinderlandverschickung
Verkehr von Beamten mit polnischen Personen

Gebrauch von Fremdwörtern

Privat- und Nachhilfestunden: „Die Genehmigung ist zu versagen, wenn der Unter­richt oder
die Nachhilfestunde bei Geistlichen oder Ordensangehörigen genommen wird.“

Entfernung konfessioneller Bilder und der Kruzifixe aus den Unterrichtsräumen

Verbot der Werbung für hebräischen Unterricht und Verbot, dafür Schulräume zur Ver­fügung zu stellen

Übernahme von Schülern aus luftgefährdeten Gebieten

Schulgebet"

 

[1] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 11.03.1940

[2] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 11.03.1940

[3] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 09.04.1940

[4] Jahresbericht 1939/40 S. 16

[5] Niederschrift der Lehrerratssitzung vom 06.05.1941

[6] Jahresbericht 1940/41 S. 17

Die Propagandareden und –veranstaltungen konnten wohl nicht allzu viele Schüler überzeugen und gewinnen. In einem Schreiben an das Bayerische Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 27.03.1947 heißt es, es sei den „Lehrkräften erwiesenermaßen selbst in den übelsten Zeiten der braunen Herrschaft gelungen, eine tiefer gehende Wirkung der Partei- und HJ-Einflüsse zu verhüten. Das erhellt schon zur Genüge aus der Tatsache, daß aus den Reihen unserer Schüler nicht mehr als insgesamt drei junge Leute den Weg in die Waffen-SS fanden, trotz zeitweilig mit größtem Nachdruck betriebener Werbung.“

[7] Jahresbericht 1941/42

[8] Niederschrift der Lehrerratssitzung am 03.10.1941

 

 


 

© Alois Schwarzmüller 2006