Werdenfels-Gymnasium Garmisch-Partenkirchen - 1919-1932 - Die Realschule in der Weimarer Republik

 

 


1929/30 - 201 Schüler 

Die Zahl der Schülerinnen und Schüler wuchs von Jahr zu Jahr, die räumlichen Prob­leme der Schule konnten in dieser Zeit aber noch nicht zufrieden stellend gelöst werden. Der Bezirk Garmisch bemühte sich als Sachaufwandsträger red­lich, seinen Pflichten nachzukommen. Immerhin konnte 1930 erstmals ein „freundlicher und wohlausgestat­teter Zeichensaal“ eingerichtet werden. Die Verbesserung „des ge­sundheitsschädlichen und räumlich ganz unzulänglichen Chemiesaales“ musste da­gegen aufgeschoben wer­den „bis die Anstalt ein neues Gebäude erhält.“

Eine „fühlbare, nicht unwillkommene“ Entlastung brachte die neu Lyzeum - Höhere Mädchenschule der Armen Schulschwestern in Garmisch-Partenkirchen - 1930errichtete ka­tholi­sche Mädchenschule am Hellwegerweg, die vom Orden der Armen Schul­schwes­tern ins Le­ben gerufen worden war. Staat und Kirche hatten sich darauf geeinigt, dass die Staatli­che Realschule von nun an katholische Mädchen nicht mehr aufnehmen durfte. Damit war der Weg vorgezeichnet für die Trennung von Buben und Mädchen an den weiterfüh­renden Schulen im Bezirk Garmisch: Die Buben besuchten die Staatliche Realschule mit Progymnasium, die Mädchen die neue katholische Pri­vatschule, das „Lyzeum“ (heute St. Irmengard-Schulen), wie es bald schon ge­nannt wurde.

In seiner letzten Mitgliederversammlung am 19. Mai 1930 fiel der Beschluss zur Auflö­sung des Realschulvereins. Von den 55 Mitgliedern waren Bernhard Schmidt, Vorsit­zender und Steueramtmann in Garmisch, sowie die Herren Hans Kilian (Hotelier „Al­penhof“), Wolfgang Röhrl (Brauereibesitzer), Anton Braun (Baumeister), Lothar Birkner (Oberlehrer), Johann Biersack (Kaufmann) und Jo­sef Osterhammer erschienen. Dankadressen an den früheren Bezirksamtmann von Garmisch und großen Förderer der Realschule, Freiherrn von Stengel, und an den ersten Vorsitzenden des Vereins, Fab­rikbesitzer Wilhelm Kagel, been­deten die Tätigkeit des Vereins, der seit 1913 Träger der privaten Realschule bis zum Zeitpunkt ihrer Verstaatlichung im Jahre 1926 gewesen war. Neben den Genannten hatten auch Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wie Geheimrat Dr. Wigger, Dr. Kienle, Oskar Schultheiß, Heinrich Clausing und Oskar Stras­ser dem Verein angehört.

In der Not der beginnenden Weltwirtschaftskrise kürzte das Staatministerium die Er­ziehungsbeihilfen für bedürftige Schüler zunächst um 40 Prozent und am Ende des lau­fenden Schuljahres 1929/30 noch einmal so drastisch, dass Erziehungs­beihilfen nicht mehr vergeben werden konnten. Dazu kam, dass das Schulgeld von 90.- RM auf 140.- RM angehoben wurde. Im Vorjahr konnten noch 29 Schüler eine Schulgeldbefreiung er­halten, im laufend Schuljahr dagegen nur noch sie­ben. Der Bezirk Garmisch und die Gemeinden Garmisch und Partenkirchen sahen sich so­gar gezwungen, ihre Zuschüsse völlig zu streichen. Diese einschnei­denden Spar­maßnahmen trafen in erster Linie die Schülerinnen und Schüler aus den sozial schwächeren Schichten des Bezirkes Gar­misch, die ja auch aus mancherlei ande­ren Gründen nur selten eine Chance zum Be­such der Realschule hatten. Der Schullei­ter kommentierte die Situation mit den Worten: „Viele unver­diente Not gäbe es auch bei unseren Schülern zu lindern, die Unterstützung manches tüchtigen, begabten Kindes läge im Staatsinteresse. Aber es fehlen die Mit­tel.“[13]

Politische Umbrüche kündigten sich an. Die Jugendgruppe des „Vereins für das Deutschtum im Ausland“ zählte knapp die Hälfte aller Schüler der Realschule zu ih­ren Mitgliedern. Sie wurden eingeladen zu Vorträgen etwa mit dem Thema „2000 Jahre Kampf um den deutschen Lebensraum.“ Die Älteren unter ihnen be­suchten Veranstal­tungen des Deutschen und des Österreichischen Alpenvereins. In dessen Satzung heißt es schon seit 1921: „Mitglieder können nur Deutsche arischer Ab­stammung sein.“ Hitlers Weizen blühte – jetzt schon.

 

1930/31 - 199 Schüler  –  Johann Greger

Erstmals in der kurzen Geschichte der Schule gab es einen starken Wechsel in der Schülerschaft. Während des laufenden Schuljahres traten viele Schüler ein und aus. Die Schulleitung sprach vom „System der Zugvögel“ Johann Gregerund meinte damit in der Regel norddeutsche Schüler, deren Lehrplan sich stark vom Baye­rischen Un­terrichtsplan un­terschied. Studiendirektor Höllerer gab der „Vielge­staltigkeit von Unterrichtstypen in Preußen!“ und dem Beginn mit anderen Fremdspra­chen die Schuld an der Entwicklung. „Selbst gut be­gabte Kinder“, so stellte er fest, „finden große Schwierigkeiten und hindern das Unterrichtstempo.“[14]

Die hohen Schulgeldzahlungen veranlassten darüber hinaus immer mehr El­tern, ihre Kinder, meist bessere Schüler, bei bischöflichen Seminaren anzumel­den, „wo die Eltern Erleichterung hinsichtlich der Erzie­hungskosten finden.“[15]

In diesem Schuljahr wurde die Mitgliedschaft von Schülern in Vereinen statis­tisch erfasst. Dabei kam das folgende Ergebnis zustande:

  • 44% der Realschüler waren dem V.D.A. (Verein für das Deutschtum im Aus­land) un­ter Leitung
    von Realschullehrer StR Hagedorn beigetreten

  • 34% waren in Sportvereinen, („fast ausschließlich Skivereine“) organisiert

  • 22% der Schüler gehörten zu religiösen Vereinen

Zufrieden stellte das Direktorat fest, dass die „politische Betätigung von Schülern ... in keinem Fall zu bean­standen“ war.[16]

Regelmäßige Schulwandertage gehörten zum Erziehungsprogramm der Schule. Hier wurde der Gedanke der Naturpädagogik erkennbar, den Studiendirektor Höllerer im thü­ringischen Haubinda bei Hermann Lietz kennen gelernt hatte. In Bayern gab es da frei­lich noch ein kleines organisatorisches Problem bei diesen Ausflügen der ganzen Schule in die freie Natur. Es war strikt verboten, Mädchen und Knaben der Unterstufe gemein­sam wandern zu las­sen. „Wäre es wirklich verfehlt,“ so wandte sich Höllerer an die hohe Schulbehörde nach München, „den einzelnen Anstalten in puncto Schüler­wanderungen etwas mehr Freiheit zu lassen?“[17] Wie lange es dauerte, bis das Bayerische Kultusministe­rium, mehrere allerhöchste katholische und evangelische Kir­chengremien, Elternbeiräte und andere Institutionen „in puncto Schülerwande­rungen“ flexibler wurden, das konnte der Chronist leider nicht in Erfahrung brin­gen. Das Mädchenschwimmen im Garmischer Loisachbad scheiterte je­denfalls noch daran, dass „es der Badeverwaltung nicht immer gelang, während der für unsere Schülerinnen zugesandten Badezeit die Badeanstalt von Männer­besuch frei zu halten.“[18]


[13] Jahresbericht 1930/31

[14] Jahresbericht 1930/31

[15] Jahresbericht 1930/31

[16] Jahresbericht 1930/31

[17] Jahresbericht 1929/30

[18] Jahresbericht 1930/31

 

 

 

© Alois Schwarzmüller 2006