Der Stuttgarter Historiker Wolfram
Pyta hat mit seiner Biographie „Hindenburg. Herrschaft zwischen Hohenzollern
und Hitler“ (erschienen im Siedler-Verlag München, 2007, 1117 Seiten) einen
Beitrag für die Auseinandersetzung mit Hindenburgs öffentlicher Rolle vom
Kaiserreich bis zur nationalsozialistischen Diktatur geliefert. Hier werden
- aus Pytas Sicht - Hindenburgs Haltungen und Entscheidungen von 1932 bis
1934 dokumentiert.
Die Zitate sind der Biographie
von Wolfram Pyta entnommen.
1.1 Hindenburgs Ziel
"Einen Tag nach der Annahme der Kandidatur (als Reichspräsident),
am 16. Februar 1932, legte Hindenburg seine Position in schonungsloser
Offenheit dar. Er führte in einem Schreiben aus, "daß ich innerlich rechts
stehe und nur die zerstörende Aktion der Rechtsradikalen nicht gutheißen
kann, die uns in den Bürgerkrieg und Konflikte nach Außen führen würde...
Erweist sich die Rechte später als willfährig, so soll sie mir von Herzen
willkommen sein, vorausgesetzt, daß sie nicht zu radikal ist und die Dinge
nicht unrichtig hinstellt."" (S. 668) Am 21. März 1933, dem "Tag von
Potsdam", konnte sich Hitler, nun schon Reichskanzler von Hindenburgs
Gnaden, "willfährig" vor dem Reichspräsidenten verbeugen. Der Krieg nach
innen hatte da bereits begonnen, der Krieg nach außen war schon geplant.
1.2 Hindenburg und die Ernennung Hitlers zum
Reichskanzler
„Hindenburg blieb Herr über die Entscheidung, Hitler zum
Reichskanzler eines Kabinetts der „nationalen Konzentration“ zu ernennen…
Niemand hat Hindenburg in diese Entscheidung hineingeredet; Einflüsterungen
und Einflußnahmen haben nicht den Ausschlag gegeben bei dieser Aktion, die
der Reichspräsident allein zu verantworten hatte und die er vor allem auch
allein durchführen wollte… Daß Hitler ihm von dritter Seite eingeredet
wurde,… entbehrt jeder quellenmäßig verbürgten Grundlage.“ (S. 791)
2. Hindenburg und die Aufhebung der Grundrechte
Hitler erhielt am Tag nach dem Reichstagsbrand die Zustimmung
Hindenburgs zu einer Notverordnung, die „gravierende Einschnitte in die
Verfaßtheit des Reiches als Rechtsstaat wie als föderativer Staat enthielt.
Denn Paragraph 1 dieses Entwurfs erlaubte die Suspendierung sämtlicher
bürgerlicher Grundrechte und öffnete damit Tür und Tor für eine
rücksichtslose Verfolgung politisch Andersdenkender.“ (S. 813)
3. Hindenburg und die Gleichschaltung der Länder
Mit der Reichstagsbrandnotverordnung war für Hitlers Regierung der Weg
frei zur Übernahme der Regierungsgewalt in den Ländern: „Dadurch wurde
der Reichsregierung eine Rechtsgrundlage in die Hand gegeben, mit der sie
sämtliche Länder, die sich ihrem Kurs verweigerten, gleichschalten konnte.“
Dazu war „aus Hindenburgs Mund kein Wort des Bedenkens zu vernehmen.“
(S. 813) Bayern wurde am 9. März 1933 unterworfen.
4. Hindenburg und die Reichstagswahl am 5. März
1933
„Zweifellos profitierte die NSDAP von der Behinderung der
Aktionsfreiheit der politischen Gegner. Durch die
‚Reichstagsbrandnotverordnung‘ waren die Kommunisten in Deutschland
vogelfrei geworden… die SPD war Zielscheibe staatlicher Unterdrückung und
der Attacken einer losgelassenen SA… auch der politische Katholizismus
(litt) unter derartigen Schikanen.“ (S. 817)
Für Hindenburg bedeutete die Wahl vom 5. März
1933 „eine entscheidende Zäsur: Der Reichstag fiel als Gegengewicht zu
der vom Reichspräsidenten eingesetzten Regierung faktisch aus. Die Wähler
hatten dem parlamentarischen System den Todesstoß versetzt, aufatmend
konstatierte der Reichspräsident, daß „jetzt ein für allemal mit der
Wählerei Schluß sei.““ (S. 819)
5. Hindenburg und das Ermächtigungsgesetz
„Mit dem Inkrafttreten des Ermächtigungsgesetzes am 24. März 1933 war
nicht nur der Reichstag zu einem bloßen Akklamationsorgan herabgesunken.“
Hitler brauchte auch den Reichspräsidenten nicht mehr, „um die
gewünschte Gleichschaltung durchzuführen. Damit hatte Hindenburg aus eigenem
Antrieb die Präsidialgewalt entwertet“ und „seine
Amtsautorität an Hitler abgetreten.“ (S. 826)
6. Hindenburg und die Parteiendemokratie
„Daß im Verlauf des Sommers 1933 alle Parteien bis auf die NSDAP von
der politischen Bildfläche verschwanden, … stellte (Hitler) aus Sicht
des Reichspräsidenten ein glänzendes Zeugnis aus.“ Am Jahresende 1933
zog Hindenburg im Gespräch mit Hugo Vogel, einem seiner Porträtmaler im
Ersten Weltkrieg, Bilanz: „Es war ja immer meine Meinung, daß das Heil
für Deutschland nur im Zusammenschluß aller Parteien zu einer gemeinsamen
Vaterlandspartei liege. Das ist Hitler nun gelungen.“ (S. 832)
7.1 Hindenburg und die Domäne Langenau
Hermann Göring, führender Repräsentant der NSDAP und seit dem 10. April
1933 preußischer Ministerpräsident, eignete Hindenburg am 27. August 1933
die Domäne Langenau als Geschenk des preußischen Staates zu. „Darüber
hinaus sicherte die Regierung durch eine „lex Hindenburg“ diesem neu
gebildeten Rittergut Steuerfreiheit zu… Die Großzügigkeit des Staates wurde
dadurch gekrönt, daß Hitler und der neue preußische Ministerpräsident Göring
bei einem Besuch in Neudeck zusätzliche Staatsgelder für die Instandsetzung
der ziemlich heruntergekommenen Domäne Langenau von gut einer Million
Reichsmark zur Verfügung stellten.“ (S. 833)
7.2 Hindenburg und der „Röhmputsch“
„Die Ausschaltung seiner (Hitlers) Widersacher im Sommer 1934
wäre nicht möglich gewesen ohne das stillschweigende Einvernehmen
Hindenburgs, und insofern ist auch der 30. Juni 1934, der vermeintliche
„Röhmputsch“, nur angemessen zu begreifen, wenn er als markanter Ausdruck
einer Übereinkunft zwischen Hindenburg und Hitler verstanden wird.“ (S.
846) „Mit der Ausschaltung Röhms kam Hitler nicht nur einer
stillschweigenden Auflage Hindenburgs nach, sondern beseitigte auch einen
Konkurrenten bei der Nachfolge Hindenburgs.“ (S. 847)
Zu den Ereignissen am 30. Juni 1934 „drängt
sich die Frage auf, warum Hitler ungestraft gegen Personen und Einstellungen
vorgehen konnte, von denen man bei oberflächlicher Betrachtung mutmaßen
mußte, daß sie unter dem besonderen Schutz Hindenburgs standen… Hindenburg
hatte die Grundzüge des Verfahrens abgesteckt.“ (S. 848) (Ermordet
wurden der ehemalige Reichskanzler General von Schleicher, der ehemalige
bayerische Generalstaatskommissar Gustav Ritter von Kahr, General Ferdinand
von Bredow, Erich Klausener, Vorsitzender der Katholischen Aktion Berlin und
von Papens Mitarbeiter Herbert von Brose und Edgar Julius Jung)
„Hitler konnte einen solchen Schritt nur
wagen, weil er sich der Rückendeckung Hindenburgs gewiß war.“ (S. 848)
8. Hindenburg am Ziel
Hindenburgs Testament „gipfelt in der Aussage“, dass er „als
Reichspräsident eine Entwicklung forciert habe, die am 30. Januar zum
Durchbruch gekommen sei. Hindenburg stilisierte sich als politischer Akteur,
… der im Jahre 1933 endlich die nationale Erneuerung eingeleitet“ hat. (S. 861)
Hindenburgs Programm der „nationalen Erneuerung“
folgte in der von ihm unterstützten Hitlerschen Version das Ende der
parlamentarischen Demokratie, der Untergang der Grund- und Menschenrechte
und der Beginn einer mörderischen Gewaltherrschaft nach innen und außen.
|