Die Kreisleiter der NSDAP in Garmisch-Partenkirchen
 – „Politische Frontoffiziere der Bewegung“

 

 

 

 

 

Heinrich Schiede: „Erziehung der Willigen, Ausschaltung der Abseitigen“

 

„Alles gefechtsklar!“ – Wunderwaffen, Volkssturm, "Letzte Schlacht"

Die äußere militärische Lage war im Herbst 1944 hoffnungslos, nach dem Attentat vom 20. Juli galt das in gewisser Weise auch für die innere Situation. Mit einer „Kampfkundgebung“[1] wollte Schiede das Ruder in seinem Kreis herumreißen, „entscheidende Waffen“ kündigte er an. Die Gegner „unseren Grenzen nahe“, darüber gebe es „nichts zu diskutieren.“[2] Für Schiede hieß es jetzt, „bis zum letzten Atemzug“ zu kämpfen. Die „feindliche Materialüberlegenheit“ werde dabei durch die „von unserer Technik geschaffenen Waffen“[3] gebrochen werden. Im Volksmund waren das die „Wunderwaffen“. Dann rief der Kreisleiter dazu auf, mehr denn je die Ohren fern zu halten von „feindlichen Sendern und Flugblättern“, von „feigen Einflüsterungen volksverräterischer Reaktionäre oder minderwertiger Elemente, die dem Bolschewismus willfährige Werkzeuge sein möchten.“[4] Bei einer „Führertagung“ der NSDAP gab Schiede die Parole „Alles gefechtsklar“ aus, erntete „stürmische Begeisterung“ und schloss seinen Aufruf mit den Worten „Eine Unterwerfung bringt keinen Frieden. Jeder kämpft für Deutschland - für „eine Führung, die das deutsche Volk liebt, wie keine andere.“[5]

Die Gendarmerie dagegen sah „den Glauben an einen Endsieg erschüttert“.[6] Zwar wurde in der Bevöl­kerung der „Einsatz neuer Waffen zur Brechung der gegnerischen Luftherrschaft“ gefordert, es mehrten sich aber die Stimmen derer, „die das Vorhandensein oder Entstehen neuer entscheidender Waffen sehr bezweifeln und die ganzen diesbezüglichen Versprechungen nur als Propaganda wer­ten.“[7] Schiede drohte im Kampf um die öffentliche Meinung eine Niederlage. Die Nachrichten über Gefallene und Vermisste wurden zahlreicher, viele Familien hatten seit langer Zeit von ihren Angehö­rigen an der Front nichts mehr gehört oder gelesen. Die Stimmung in Garmisch-Partenkirchen war „voller Sorge und gedrückt.“[8]

Das Rezept des Kreisleiters war einfach: Wenn die Nachrichten schlecht waren, musste ihre Verbreitung unter­drückt werden. „Volksschädlinge müssen ausgemerzt werden“,[9] hieß es bei einem „Sprechabend“ der NSDAP-Ortsgruppe Garmisch. „Die Feindseligen und Feigen“ müssen zur Rechenschaft gezogen wer­den, verlangte er beim „Betriebsappell der Beamtenschaft“.[10] Bei der Gründung der Kreisschule der Kreisleitung Garmisch-Partenkirchen im Februar 1945 rechnete er „mit den Zersetzungselementen von außen und innen“ ab und forderte, „im Glauben an den Führer und an den endgültigen Sieg der deutschen Waffen“[11] nicht zu erlahmen. Unterstützung fand er dabei in Landrat Dr. Reinhard Wiesend, der schon im Oktober 1944 gefordert hatte, „jedes Haus in eine Festung zu verwandeln“.[12]

Wer den Frieden ablehnte und den „totalen Krieg“ wollte, der musste wohl mit solchen Mitteln kämp­fen. Dazu gehörte auch der „Volkssturm“ als letztes Aufgebot. Zur Vereidigung der noch ungedienten 17 bis 60 Jahre alten Männer rief Kreisleiter Schiede am 12. November 1944 in Garmisch-Partenkir­chen auf. „Vom Krieg, von neuen Waffen und von Wundern“[13] war die Rede nachmittags um 16 Uhr im Eisstadion. Die Bevölkerung durfte, gegen Angriffe aus der Luft gut getarnt „auf überdeckten Tribü­nen West und Ost“ an der Zeremonie teilnehmen. Schiede bediente sich wieder einmal aus der Vorratskammer seiner Metaphern und sprach bei der Vereidigung von den „erbarmungslo­sen Würgern an den Grenzen des Vaterlandes“, gierig „nach dem Blut unseres Volkes“.[14]

Bei einer „Führertagung“ im Sitzungssaal des Rathauses Garmisch-Partenkirchen und bei einem Ap­pell“ im Offizierskasino zum Jahresbeginn 1945 zitierte Schiede das „Führerwort“, dass „die letzte Schlacht allein die Entscheidung bringen werde.“[15] Wer da nicht mitkämpfen wolle, der sei ein „geisti­ger Heckenschütze“ und ende in der nationalsozialistischen Hölle: „Untreue gegenüber den göttlichen Gesetzen unseres Volkes verfällt der Ächtung und Verdammung.“[16] Drohungen aus dem Repertoire der nationalsozialistischen „Theologie“ waren das, die der hitlergläubige Kreisleiter jetzt bemühte – Reaktionen aus seinem Zuhörerkreis wurden nicht bekannt. Schiede selbst war zumindest nach außen davon überzeugt, dass er in seinem Kreis für die „letzte Formung aller gutgesinnten Menschen“ erfolgreiche propagandistische Arbeit geleistet hatte. Sein Kreis war ihm „Spiegelbild des Erfolges.“[17] Freilich waren immer noch geradezu apokalyptische Drohungen notwendig. Wer sich nicht mit ihm und seinen „Führern“ dem „Ausrottungsfeldzug gegen Deutschland“ entgegenstellte, dem müsse klar sein, „niemand … könne sein Leben retten, wenn Deutschland zusammenbräche.“[18]

Vier Wochen später wurden diese Worte mit der Errichtung eines Standgerichts in München unterstri­chen, dem auch Garmisch-Partenkirchen unterstellt war. Gauleiter und Reichsverteidigungskommissar Paul Giesler wollte damit „Kampfentschlossenheit und Kampfkraft“ sichern.[19]

 


[1] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 14.09.1944

[2] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 16.09.1944

[3] ebd.

[4] ebd.

[5] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 16.09.1944

[6] StA München LRA 61619 - Monatsberichte 1942-1944 / 29.11.1944

[7] ebd.

[8] ebd.

[9] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 09.10.1944

[10] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 19.03.1945

[11] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 21.02.1945

[12] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 23.10.1944

[13] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 10.11.1944

[14] ebd.

[15] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 03.01.1945

[16] ebd.

[17] ebd.

[18] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 15.03.1945

[19] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 11.04.1945

 

 

© Alois Schwarzmüller 2012