Die Kreisleiter der NSDAP in Garmisch-Partenkirchen
 – „Politische Frontoffiziere der Bewegung“

 

 

 

 

 

Heinrich Schiede: „Erziehung der Willigen, Ausschaltung der Abseitigen“

 

„Kunst – eine zum Fanatismus verpflichtende Mission“

Um die Wirklichkeit des Krieges und der Diktatur durch dreiste Phrasen zu verbergen - dafür wählte Schiede zum Ende des Jahres 1943 ein neues Agitationsfeld - die Kunst. Vor der Eröffnung der jährlichen Kunstausstellung im Dezember 1943[1] begab er sich kurz auf das Feld der Kunstgeschichte, fragte nach dem örtlichen „Anteil an der Entwicklung der deutschen Kunst“[2] und vermisste eine „markante nationale Eigenart“ in der Werdenfelser Malerei“, eine „bedenkliche Schattenseite“ für ihn.[3]

Seine Rede zur Eröffnung der Ausstellung war wieder ganz auf die „nationalen Eigenarten“ abge­stimmt. „Es gibt keine internationale Kunst“, erklärte er, „international ist nur der Jude.“[4] Und „der Jude“, der „durch das Vorhandsein des deutschen Volkes an seine Minderwertigkeit erinnert“ werde, „möchte uns ausrotten.“[5] Die abstruse Agitation Schiedes und die mörderischen Aktivitäten seiner „Führer“ in Auschwitz eben zu dieser Zeit waren kein Widerspruch, sondern ergänzten sich: Auch in Garmisch-Partenkirchen, weit weg vom täglichen Massenmord, aber vielleicht nicht weit genug, sollten die Rollen klar definiert sein: Juden als Täter, Deutsche als Opfer. Dazu passte das zweite Thema Schiedes, Deutschlands Recht zum gegenwärtigen Krieg. Aus einem Volk der Dichter und Denker seien die Deutschen zu einem Volk geworden, das verstanden habe, „dass es auch Boden und Raum“[6] brau­che – und Macht.

Bei einer Tagung des Kreiskulturamtes im April 1944 zog Schiede der Kunst und der Kultur im Wer­denfelser Land neue, engere Grenzen. Bisher hatte er „nationale Eigenart“ vermisst, jetzt ver­bannte er auch noch alle in Garmisch-Partenkirchen „in Erscheinung getretenen internationalen Gepflogenheiten“ und dekretierte, „nur was echt, was wahr, rein und deutsch ist, kann für uns kulturellen Wert besit­zen.“[7] Zur Begründung wies er auf die Probleme hin, „die sich unserer kulturellen Arbeit in ei­nem Ort entgegenstellen, der bis zum Ausbruch dieses Krieges als international gegolten habe.“[8] Die Offenheit des internationalen Kur-und Erholungsortes war ihm ein Gräuel. Dieser Treffpunkt schwer kontrollier­barer Gedanken war ihm suspekt. Die Kunst sollte sich jetzt endgültig seinen Vorgaben fügen. Bei der Eröffnung der Wanderausstellung „Kunst in der Zeit“ Anfang Mai 1944 drückte er das so aus: „Es hat einmal Kulturschaffende gegeben, die zu bewei­sen versuchten, dass Kunst etwa Unpolitisches wäre.“ Er nannte das eine „völlige Verkennung der inneren Zusammenhänge.“[9] Die NSDAP habe eine selbstverständliche „Führungsaufgabe auch auf kulturellem Gebiet.“ Schiede berief sich auf den „Führer“, für den Kunst „eine zum Fanatismus verpflichtende Mission“[10] geworden sei. Fanatismus wurde in dieser Phase des Krieges zu einer Staatstugend.

 


[1] Ausgestellt wurden Werke von A. Bauriedl, Heinrich Betzold, Eugen Dekkert, Gertrud Fabian, Franz Götze, Hans Heinzeller, Jakob Hellmann, Hugo Hodiener, Hans Holzner, Hans Horr, Klaus Huisgen, Erich Kittmann, Andreas Lang, August Maninger, Fritz Modell, Oskar Mulley, Hermann Peters, Carl Reiser, Salvini-Plaven, Max Sammet, Traudl Schreyögg, Luise von Schrenk, Raffael Schuster-Woldan, Heinz Theis, W. Tiedjen, Carl Traud

[2] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 14.12.1943

[3] ebd.

[4] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 20.12.1943

[5] ebd.

[6] ebd.

[7] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 24.04.1944

[8] ebd.

[9] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 04.05.1944

[10] ebd.

 

 

© Alois Schwarzmüller 2012