Die Kreisleiter der NSDAP in Garmisch-Partenkirchen
 – „Politische Frontoffiziere der Bewegung“

 

 

 

 

 

Jakob Scheck: „Lassen wir das, was zurückliegt“!

 

„Hauptstütze des Nazitums“ oder „tolerante Haltung in der Rassenfrage“?

Der Öffentliche Kläger Schmid legte gegen diesen Spruch noch am gleichen Tag Berufung ein mit dem Ziel, „den Betroffenen in die Gruppe der Aktivisten einzureihen.“[1] Scheck sei „eine der Hauptstüt­zen des Nazitums in Garmisch-Partenkirchen gewesen und gänzlich von dieser verhängnis­vollen Ideologie erfüllt“ gewesen.[2] Selbst in seiner Verteidigungsschrift sei er von diesem Standpunkt nicht abgewichen; er sei jederzeit wieder bereit, seine alte Tätigkeit aufzunehmen, wenn es eine Mög­lichkeit dazu gäbe. Scheck müsse für „die Unterstützung, die er dem Nationalsozialismus gewährt hat“,[3] eine angemessene Sühne leisten.

Dr. Riedl, der Berufungskläger beim Berufungssenat der Spruchkammer Weilheim, stützte sich in seiner Anklage auf ein Schreiben Schecks an Kreisleiter Hausböck vom 2. Februar 1938,[4] in dem er versicherte, dass er Befehle so ausführe, wie sie ihm von vorgesetzten Dienststellen zugewiesen wür­den. Im Unterschied zu Scheck hatte sich Bürgermeister Lang von Oberammergau damals geweigert, „Judenschilder‘“ in seiner Gemeinde aufzustellen. Riedl konnte keine mildernden Umstände erken­nen.[5] Scheck war für ihn ein „williger Helfer“. Einer der vielen, ohne die das System nicht funktioniert hätte. Der XII. Senat der Berufungskammer München hob den Spruch vom 9. September 1948 mit der Begründung auf, dass Schecks Verhalten bei der „Judenaktion“ noch genauer gewürdigt werden müsse.[6]

Am 31. Mai 1949 wurde Scheck in öffentlicher Sitzung der Berufungskammer zu den neuen Vorhal­tungen gehört. An den Brief, den er am 2. Februar 1938 an Hausböck geschrieben hatte, konnte er sich nicht mehr erinnern. Er sagte dazu: „Ich bin mir keiner Schuld bewusst, ob ich den Brief geschrie­ben habe und diese An­gelegenheit durchgeführt habe, kann ich wirklich nicht sagen.“[7] „Diese Angele­genheit“ – das war die Aufstellung antijüdischer Schilder in Garmisch-Partenkirchen und Um­gebung. Der Zeuge Martin Berchtold, Bürgermeister von Ettal, seit 1. Mai 1933 Mitglied der NSDAP, trug zur Entlastung Schecks bei, der habe ihm anlässlich einer Reise nach Düsseldorf erklärt, dass er sich gegen das Anbringen der „Judenschilder“ gewendet und gesagt habe, so lange Heß, der Stell­vertreter des Führers, „in Garmisch-Partenkirchen jüdische Familien besuche, so lange wird auch keine Veranlassung bestehen, die Judenschilder anzubringen.“[8]

Heute ist unbestreitbar, dass es in Garmisch-Partenkirchen antijüdische Schilder gab – vor und nach den Olympischen Winterspielen, an den Ein- und Ausgängen des Ortes, vor Hotels und Gaststätten.

Der Spruch der Hauptkammer München in Sachen Jakob Scheck erging an 22. September 1949. Scheck blieb in der Gruppe IV / Mitläufer – obwohl die Kammer zu der Erkenntnis gekommen war, dass sich Scheck in der „Sache Lang“ als ein „willfähriges Werkzeug der Machthaber der NSDAP ausgewiesen“ hatte. Der XII. Senat kam schließlich zu dem Ergebnis, dass „der Betroffene seine tole­rante Haltung in der Rassenfrage durch zahlreiche Zeugnisse unter Beweis gestellt“ habe.[9]

Das Zeugnis der Jüdin Berta Schneider, ehemals Garmisch-Partenkirchen, Angerstraße 12, der auf Betreiben von Bürgermeister Jakob Scheck im Sommer 1938 die Konzession für ihre kleine Pension entzogen worden war und die im November 1938 den Olympiaort mit 44 Leidensgefährtinnen und Leidensgefährten fluchtartig verlassen musste, konnte nicht mehr gehört werden. Sie war am 3. April 1942 von München aus ins Lager Piaski im Generalgouvernement Polen gebracht worden. „Ihr letzter Brief kam im Oktober 1942. Seit­her fehlt jede Spur.“[10]

 

Nach dem Ende des Spruchkammerverfahrens ging es für Jakob Scheck nicht mehr um Leben und Tod, um arisch oder jüdisch, um Schuld oder Unschuld. Es ging um Erinnern oder Vergessen. Ein Automo­bil, der Pensionsanspruch und die Rückkehr in die Kommunalpolitik standen im kommenden Jahr­zehnt im Mittelpunkt öffentlicher Auseinandersetzungen mit und über Jakob Scheck.

 


[1] StA München Spruchkammern - Karton 1588 Jakob Scheck / Schmid 09.09.1948

[2] ebd.

[3] ebd.

[4] StA München Spruchkammern - Karton 1588 Jakob Scheck / Scheck an Kreisleiter Hausböck 02.02.1938

[5] StA München Spruchkammern - Karton 1588 Jakob Scheck / Berufungskläger Dr. Riedl 05.02.1949

[6] StA München Spruchkammern - Karton 1588 Jakob Scheck / Berufungskammer München XII. Senat 31.05.1949

[7] StA München Spruchkammern - Karton 1588 Jakob Scheck / Sitzungsprotokoll der Berufungskammer 31.05.1949

[8] StA München Spruchkammern - Karton 1588 Jakob Scheck / Eidesstattliche Versicherung Martin Berchtold 13.07.1949

[9] StA München Spruchkammern - Karton 1588 Jakob Scheck / Spruch der Berufungskammer 22.09.1949

[10] Lina Lengenleicher in ihrem „Bericht über meine Erlebnisse mit meiner Freundin, der Jüdin Frau Berta Schneider“ vom 18.03.1949 (Original im Archiv des Verfassers)

 

 

© Alois Schwarzmüller 2012