Die Kreisleiter der NSDAP in Garmisch-Partenkirchen
 – „Politische Frontoffiziere der Bewegung“

 

 

 

Johann Hausböck - „Wir siegen, weil Gott es will!“

 

Hausböck rechtfertigt sich: „Ich wollte nur das Beste“

Am 18. März 1949 wurde Hausböck zu den Zeugenaussagen noch einmal gehört. Er verteidigte die Aktion vom 10. November 1938 und sein Verhalten damit, dass das, was geschehen sei, „die Auffas­sung der Bevölkerung“ wiedergegeben habe. Deshalb falle es ihm schwer zu verstehen, dass er da­mals „von der Bevölkerung mit Geschrei begrüßt“ worden sei, heute aber „allein vor der Spruchkam­mer“ stehe. Außerdem habe er nie etwas mit einem Mob zu tun gehabt und habe bis dahin solche Ausschreitungen nicht erlebt. Eine Alternative sah er nicht: „Ich hätte nur die Möglichkeit gehabt, meine Koffer zu packen und mitzufahren.“ Es war ihm wohl auch seine Macht zu Kopf gestiegen: „Ich (war) damals 28 Jahre alt und vor mir stand die Welt. Ich war der Überzeugung, dass ich nur das Beste wollte ... Heute denke ich über alles anders, und was Sie früher dachten, das denke ich heute." [1]

 

Spruch I: Hausböck ist „Hauptschuldiger“[2]

Der Spruch der Hauptkammer Weilheim / Außenstelle Garmisch-Partenkirchen erfolgte am 18. März 1949 unter dem Aktenzeichen A4/1711/3024/48.Johann Hausböck wurde in die Gruppe I / Haupt­schuldiger eingereiht und zu fünf Jahren Arbeitslager verurteilt, die dreijährige Zeit der Internierung wurde anerkannt. Sein Vermögen wurde bis auf 3000.- DM eingezogen. Er durfte kein öffentliches Amt bekleiden und verlor alle Rechtsansprüche auf Rente und Pension, das Wahlrecht und das Recht sich politisch zu betätigen.

Die Kammer begründete ihren Spruch, Hausböck habe als „gläubiger Anhänger“ Hitlers ganz im Sinne des Nationalsozialismus gehandelt und gewirkt. Gegen die Juden in Garmisch-Partenkirchen sei er „mit großem Eifer hervorgetreten“. Die „Judenaktion“ sei nicht in der humanen Art und Weise vor sich gegangen, wie der Betroffene der Kammer geschildet habe. Es sei „weder auf Kranke, Gebrechliche, noch auf das Alter“ Rücksicht genommen worden. Die jüdischen Bürger seien „einem aller Mensch­lichkeit Hohn sprechenden Verhalten“ ausgesetzt gewesen und „in Angst und Schrecken versetzt“ worden. Dass Alice Strauss, die Schwiegertochter von Richard Strauss, verschont worden sei, zeige klar und eindeutig“, dass Hausböck auch auf kranke, gebrechliche und alte jüdische Bürger hätte Rücksicht nehmen können. Er trage als Kreisleiter und lokaler Exponent der NSDAP „die volle Ver­antwortung“ für den 10. November 1938 in Garmisch-Partenkirchen.[3]

 

Erlebniszeugen II – ehemalige NSDAP-Funktionäre

Hausböck ging gegen diesen Spruch in Berufung. Rechtsanwalt Franz Mier argumentierte, dass sein Mandant die jüdischen Bürger „aus menschlichem Mitgefühl heraus“ mit Geld und Schmuck habe ausreisen lassen und dass er sie nicht ins KZ gebracht habe. Zu den vier Selbstmorden meinte er, es gebe eben „depressiv-melancholische Temperamente, die oft wegen belangloser Schicksalsschläge“ in Verzweiflung gerieten. Strafrechtlich und moralisch sei dies aber „belanglos“.[4]

In der öffentlichen Sitzung der Berufungskammer am 1. Juli 1949[5] wurden wieder zahlreiche Zeugen vernommen. Im Unterschied zum vorausgegangenen Verfahren kamen hier nicht mehr die Opfer zu Wort, sondern Entlastungszeugen, die bis 1945 als „politische Leiter“ oder führende lokale Nationalso­zialisten aktiv waren.

Ein Mitarbeiter der DAF in der Kreisleitung konnte sich erinnern, dass „befohlen wurde, die Juden korrekt zu behandeln“. Ein Blutordensträger und Ortsgruppenleiter wollte im Haus der Nationalsozialisten „keine Tätlichkeiten gegen Ju­den“ gesehen haben. Ein anderer NS-Blutordensträger und Kreisob­mann der DAF betonte die „korrekte Abwicklung der Aktion.“[6] Ein Ortsgruppenleiter erinnerte sich an Hausböcks Anweisung, es müsse sich „alles ruhig und sauber abspielen“. Ein Mitglied der NS-Frauenschaft berichtete dagegen von „Tätlichkeiten in der Fahnenhalle“, die sich der Betroffene aber „verbeten“ habe. Ein Kreisamtsleiter, Führer eines „Trupps“, der jüdische Bürger aus ihren Wohnungen und Häusern geholt hatte, wusste von einer „Anweisung zur korrekten Behandlung der Juden“. Ein anderer Kreisamtsleiter bestätigte, dass auf der Straße vor der Kreisleitung „Neugierige“ waren, „darunter auch Kin­der“, auch „die beiden Kinder von Strauss. jun.“

Zu diesen mündlichen Aussagen aus dem Kreis der aktiven NS-Mitglieder kamen mehrere schriftliche eidesstattliche Erklärungen für Hausböck: Der ehemalige Landsberger NS-Kreisleiter und „Führer des Gauehrengerichts der NSDAP“ bestätigte „Unstimmigkeiten“ zwischen Hausböck und Gauleiter Wag­ner. Fritz Brunner, bis 1945 „Schriftleiter“ des Garmisch-Partenkirchner Tagblatts und Verfasser zahl­loser antisemitischer Artikel, hielt Hausböck „für einen Idealisten, der das Beste wollte“; er habe sich über die „Ausstellung“ der Juden im Haus der Nationalsozialisten „entrüstet“. Der NSKK-Staf­felführer bestätigte die Anordnung Hausböcks, die Juden seien „in anständigster Weise“ zur Kreisleitung zu bringen. Für andere war Hausböck „in keiner Weise als Un­mensch bekannt“, er habe sich von einem „sozialen Gewissen“ leiten lassen – seiner Initiative sei „zu verdan­ken, dass die Siedlung Burgrain entstand.“[7]

 

Spruch II: Hausböck ist „Belasteter“

Die Entscheidung der Berufungskammer am 1. Juli 1949 stützte sich im Wesentlichen auf diese schriftlichen und mündlichen „Persilscheine“ für Hausböck.[8] Der Spruch vom 18. März 1949 wurde aufgehoben. Hausböck wurde eingereiht in Gruppe II / Belastete und zu zwei Jahren Arbeitslager verurteilt, die Internierungshaft wurde angerechnet. Zwar durfte er kein öffentliches Amt mehr ausüben, verlor das Wahlrecht und das Recht, sich politisch zu betätigen – aber Hausböck war ein freier Mann.

Der Berufungssenat machte für das Urteil der ersten Instanz die „ungünstige Lokalatmosphäre in Gar­misch-Partenkirchen“ verantwortlich. Hausböck sei durch die Internierungshaft an der Beschaffung seines Entlastungsmaterials stark behindert gewesen. Der Fall erscheine jetzt „in einem viel milderen Licht“. Beim ersten Verfahren seien „damals ins Ausland geflüchtete Juden, auch ei­nige Mischlinge“, als Belastungszeugen aufgetreten. Es sei ja ganz klar, dass die im Ausland sich befindenden Juden keine guten Erinnerungen an Deutschland haben, dass sie hasserfüllt und voreingenom­men seien. Die Erinnerung habe stark gelitten, „die Zeugen stellen die Vor­gänge ohne böse Ab­sicht nur ungünstig dar.“[9]

Das Gericht scheute sich nicht, die Opfer herabzusetzen – zum Teil in der Sprache des Dritten Rei­ches –, und ihre Aussagen zu bagatellisieren. Die Angaben aus dem politischen Milieu des Haupttä­ters wurden als glaubwürdige Darstellungen von „Erlebniszeugen“ gewertet. Die Bekundungen derer, die das Unheil vom 10. November 1938 am eigenen Leib erleben mussten, bedroht, verspottet, be­spuckt, wurden als „voreingenommen“ abgetan.

Der Senat stellte Hausböck auch noch eine politische Unbedenklichkeitsbescheinigung aus. Der Be­troffene „wird der neuen Demokratie nicht gefährlich werden.“ Sein Haftbefehl wurde am 1. Juli 1949 aufgehoben, am 2. Juli 1949 wurde er aus dem Internierungs- und Arbeitslager Eichstädt nach Mün­chen in die Rosenbuschstr. 3 entlassen.[10]

Johann Hausböck ist 2. Oktober 1981 in München gestorben.

 

Über das Schicksal der 44 im Rahmen der Hausböckschen „Judenaktion“ aus Garmisch-Partenkir­chen vertriebenen jüdischen Frauen und Männer wissen wir wenig. Richard Ladenburg starb bei der Ausreise an der Grenze zu den Niederlanden. Lotte Kohtz und ihre Tochter (Partnachstr. 44) haben sich am 10. November 1938 in den Inn gestürzt. Michael und Emmy Schnebel (Waxensteinstr. 1) haben am 14. November 1938 in Feldkirch Gift genommen. Berta Schneider (Angerstr. 12) wurde am 3. April 1942 von München in das Lager Piaski deportiert - „seither fehlt jede Spur“. Hedy Staackmann (Bahnhofstr. 66 – „Buntes Haus“) wurde am 21. Januar 1942 aus Leipzig – vermutlich über den Umweg nach Theresienstadt - in das Rigaer Ghetto deportiert und dort ermordet. Hedwig Blum (Archstr. 19) wurde am 20. November 1941 aus München in das Ghetto Kowno deportiert und dort am 25. November 1941 ermordet. Anna Riemer wurde am 23. Februar 1943 in Auschwitz ermordet.

 

 


[1] alle StA München Spruchkammern – Karton 642 Johann Hausböck / Protokoll der öffentlichen Sitzung der Hauptkammer Weilheim Außenstelle Garmisch-Partenkirchen - Az A4-1711/3024/48 18.03.1949

[2] StA München Spruchkammern – Karton 642 Johann Hausböck / Hauptkammer Weilheim Außenstelle Garmisch-Partenkirchen Aktenzeichen A4/1711/3024/48 18.03.1949

[3] alle ebd.

[4] ebd. Plädoyer im Berufungsverfahren gegen Johann Hausböck 25.04.1949

[5] ebd. Öffentliche Sitzung der Berufungskammer IX. Senat Ber.Reg.Nr. 768/49 Az 3282 A 01.07.1949

[6] alle ebd.

[7] alle ebd.

[8] ebd. - 01.07.1949 Berufungskammer für München IX. Senat - Verhandlung gegen Hans Hausböck, z.Zt. Internierungslager Eichstädt - Ber.Reg.Nr. 768/49 Az I. Instanz 3282 A

[9] ebd.

[10] ebd.

 

 

 

 

© Alois Schwarzmüller 2012