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Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert zeigte sich
der örtliche Antisemitismus als Judenfeindschaft ohne Juden
– im Bezirk
Garmisch lebten 14000 Einwohner, davon waren fünf
mosaischen Bekenntnisses. Es gibt vereinzelte
Hinweise darauf, dass sich sowohl einflussreiche
Persönlichkeiten aus dem kirchlichen Bereich wie
auch einzelne Presseorgane judenfeindlich äußerten.
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Aus dieser latent-antisemitischen Stimmung vor dem
Ersten Weltkrieg entwickelte sich unter dem Eindruck
des Kriegsendes, der Niederlage und der
Parlamentarisierung Deutschlands in der Anfangsphase
der Weimarer Republik auch im Bezirk Garmisch ein
manifester Antisemitismus. Eine
wichtige Rolle dürfte dabei die Räterepublik München
und ihre blutige Niederwerfung gespielt haben.
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Diese judenfeindliche Haltung störte das
touristische Geschäftsleben in den Gemeinden
Garmisch und Partenkirchen empfindlich. Aus diesem
Grund gab es in der Mitte der zwanziger Jahre und
wieder in den letzten Jahren der Republik ernsthafte
Bemühungen des Hotel- und
Gaststättengewerbes und lokaler politischer
Gruppierungen, die „Hakenkreuzbewegung" und den von
ihr vertretenen Antisemitismus von
Garmisch-Partenkirchen fern zu halten.
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Diese Bemühungen scheiterten. Auch im Werdenfelser
Land fanden die antisemitischen Hasstiraden
Heinrich Himmlers, Adolf Wagners und
anderer NS-Redner seit 1929 zunehmend Gehör. Der
NSDAP gelang es am Anfang der dreißiger Jahre, die
anderen örtlichen Parteien mit ihrer dominierenden
materiellen und personellen Präsenz fast in den
Hintergrund zu drängen und ihre rassistischen und
antidemokratischen Gedanken zu verbreiten.
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Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in
Berlin und in München war die von oben angeordnete
Gleichschaltung der Kommunalpolitik auch in den
beiden Gemeinden Garmisch und Partenkirchen in
wenigen Wochen vollzogen. Ebenso schnell und
erbarmungslos wurden – sowohl von den beiden
einzelnen Gemeinden wie auch von der seit 1935
zwangsvereinten Marktgemeinde – judenfeindliche
Beschlüsse gefasst und von der Verwaltung
ausgeführt. Sie hatten die bewusste und
öffentliche Diskriminierung von Juden als
Bürger des Marktes und als Kurgäste zum Ziel.
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Die olympischen Spiele im Winter 1936 brachten in
Garmisch-Partenkirchen allenfalls eine kurze,
außenpolitisch wohlkalkulierte Unterbrechung
der judenfeindlichen Hetzjagd, die dann
aber im Frühjahr 1938 mit einer sorgfältig geplanten
und monströsen Veranstaltung ihren ersten
öffentlichen Höhepunkt fand: Unter Einbeziehung
aller politischen, gesellschaftlichen und
wirtschaftlichen Verbände und Organisationen wurde
dabei den Juden im Fremdenverkehr der Krieg erklärt
und ihre vollständige Ausschaltung aus dem
Garmisch-Partenkirchner Wirtschaftsleben als Ziel
formuliert.
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Das volle Ausmaß erreichte
der antijüdische
Terror in Garmisch-Partenkirchen in den
Vormittagsstunden des 10. November 1938. Mehr als
vierzig jüdische Bürger des Deutschen Reiches, viele
von ihnen seit Jahren Bürger der Marktgemeinde
Garmisch-Partenkirchen, wurden durch eine aus der
NS-Kreisleitung und aus dem Rathaus heraus
gesteuerte Pogromaktion eines Pöbelhaufens aus
örtlicher und überörtlicher SA, SS und HJ unter
Zwang des Ortes verwiesen und weitgehend ihres
Besitzes beraubt. Für fünf jüdische Frauen und
Männer endete die „Judenaktion" tödlich.
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Die – im Einzelfall schwer zu beurteilende -
Mitwirkung lokaler Behörden wie z.B. der
Gendarmerie-stationen, der Wehrmacht, der Justiz,
der Schulen, des Finanzamtes und der
Kommunalverwaltung, das Stillhalten der großen
Kirchen und die Zerschlagung der demokratischen
Parteien und Organisationen in
Garmisch-Partenkirchen haben erfolgreichen
Widerstand auf der örtlichen Ebene in größerem
Umfang schwer oder gar unmöglich gemacht.
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Einzelbeispiele zeigen aber, dass
aufrechte
und mutige Menschen ihrem Gewissen folgen
konnten: Da gab es die Hausgehilfin, die das
Versteck ihrer jüdischen Arbeitgeberin auch nach
dreitägigem Gefängnisaufenthalt nicht verriet. Da
war der Rechtsanwalt, der eine Mandantin gegen den
schwerwiegenden Vorwurf, sie sei eine verkappte
Jüdin, offen verteidigte. Da handelte der
Kunstmaler, der seinen jüdischen Freund nicht im
Stich ließ. Da sprach ein Schulleiter ein Machtwort
und nahm damit seine halbjüdischen Schüler vor den
Ächtungen durch die HJ in Schutz. Da war der
Sanitäter, der einer verfolgten Jüdin sein Mitleid
und seine Mitschuld gestand. Da war auch der
Hausbesitzer, der einer Schutz suchenden jüdischen
Familie eine Wohnung zur Verfügung stellte.
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Die Darstellung und
Aufarbeitung der
politischen Geschichte des Dritten Reiches in Garmisch-Partenkirchen ist bisher weitgehend
gescheitert* – die
schriftlichen Quellen fließen dünn, die Bereitschaft
zum Gespräch ist gering, historische Vereine
beschäftigen sich lieber mit früheren Jahrhunderten,
Vereinschroniken blenden die Zeit nicht selten aus,
die Marktgemeinde sah bisher in diesem Gegenstand
keine Aufgabe (anders als die Gemeinden Murnau und
Oberammergau), ja, sie befürchtete gar eine dem
Tourismus abträgliche Auswirkung.
„... und die Wahrheit wird euch frei
machen!"
(Johannes 8,31-32)
*Die Blindheit für die antisemitische
Geschichte des Fremdenverkehrsortes Garmisch-Partenkirchen in der
ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde durch die Austragung der
Ski-Weltmeisterschaft im Jahre 2011 geringer. Mit Hilfe des DSV und
der Marktgemeinde konnte im Kurhaus eine Ausstellung unter dem Titel
"Olympische Winterspiele 1936 Garmisch-Partenkirchen - Kehrseite der
Medaille" von Februar bis Mai 2011 gezeigt werden. Sie war seit 2012
als Dauerausstellung im Olympiaskistadion zu besichtigen (Eintritt
täglich von 10 bis 16 Uhr, am Montag geschlossen).
Auf dem Marienplatz wird seit 2010 mit einem
Denkmal gegenüber dem ehemaligen "Haus der Nationalsozialisten" an
die Vertreibung von 44 jüdischen Frauen, Männern und Kindern aus der
Gemeinde erinnert.
Alois Schwarzmüller, 9. März 2015
Leider ist die Ausstellung "Kehrseite
der Medaille" wegen Sanierung des Olympia-Skistadions seit 2018
wieder geschlossen.
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