Ein Kriegsende - Garmisch-Partenkirchen in den letzten Apriltagen 1945

 

 

 

 

Die militärische Situation im Werdenfelser Land im April 1945


Nach der Einnahme von Schongau war es für die amerikanische 10. Panzerdivision wichtig, die Straßenbrücke über das tief eingeschnittene Ammertal - die Echelsbacher Brücke - 15 km südlich der Stadt auf dem Weg nach Oberammergau, Garmisch unversehrt in die Hand zu bekommen. Das gelang auch einem Stoßtrupp ihrer Aufklärungsabteilung, der am 29. April, 3.00 Uhr, die schlafende Brückenbesatzung überwältigen konnte. So war es der amerikanischen 10. Panzerdivision zusammen mit der 103. Infanteriedivision auf dem linken Flügel des VI. Armeekorps möglich, schon am 29. April vormittags bis Oberammergau vorzudringen. Hierhin waren Parlamentäre aus Garmisch gefahren, um unter Führung des Majors Pössinger, ausgezeichnet mit dem Eichenlaub zum Ritterkreuz, für ihre Stadt, die über 10000 Verwundete beherbergte, die Kapitulation anzubieten. An die Rohre der Spitzen-Panzer gebunden, trafen die Parlamentäre gegen 17.00 Uhr vor dem Rathaus von Garmisch ein. Die Lazarettstadt war damit gerettet. Ebenso kampflos wurde fast zur gleichen Zeit Murnau genommen, wo in der Panzerjägerkaserne 4200 polnische Offiziere seit 1939 in Gefangenschaft lebten. Auf Murnau war die amerikanische 36. Infanteriedivision am rechten Flügel des XXI. Armeekorps vorgestoßen, nachdem sie am Vormittag Weilheim genommen hatte. Am 30. April nachmittags erreichte diese Division bereits Penzberg, ihr rechter Nachbar, die 103. Infanteriedivision, Mittenwald.

Schon am 28./29. April hatte sich die amerikanische Armee beim Vorstoß auf Garmisch und die österreichische Grenze den für sie neuen Schwierigkeiten des Gebirgskrieges gegenüber gesehen. Zudem war es kalt und regnerisch. Immer wieder wurden die Panzer durch Straßensperren aufgehalten, Infanterie mußte nachgezogen werden, um Widerstandsnester an den Berghängen niederzukämpfen. Der Kommandierende General des amerikanischen VI. Armeekorps mußte daher feststellen, daß seine Divisionen am 29. April vergleichsweise nur langsam vorangekommen waren. Bei der 44. Infanteriedivision hatte es außerdem an Treibstoff gemangelt.

Kehren wir noch einmal zur Lage bei Garmisch zurück. Der überraschend schnelle Verlust dieses wichtigen Einfalltores in die Alpen und die dadurch entstandene Gefahr eines amerikanischen Durchbruchs auf Innsbruck veranlaßte den Oberbefehlshaber West, in der Nacht zum 30. April eine Grenzverschiebung zwischen 1. und 19. Armee nach Osten zu befehlen. Der Abschnitt Garmisch mußte nun von der 19. Armee übernommen werden. AOK 19 meldete, daß es über keinerlei Kräfte verfüge, um diesen Abschnitt zu übernehmen. Da der Befehl aufrechterhalten blieb, konnte sich die Abwehr nur auf die bisher nördlich von Garmisch eingesetzte Gebirgsjägerschule Mittenwald stützen, welche durch den Angriff der amerikanischen 10. Panzerdivision geworfen war und deren Reste bei Kaltenbrunn stehen sollten [...]. Zu den bisherigen 2 Hauptverbindungslinien [nach Bregenz und Reutte] war durch diesen Befehl des O. B. West nunmehr eine dritte: Garmisch - Zirler Paß - Innsbruck - Brenner - Italien dazugekommen[...]. Eine Schwerpunktverlagerung der Abwehr an diese Linie war AOK 19 jedoch völlig unmöglich.

Die Gebirgsjägerschule Mittenwald konnte nicht als kampfkräftiger Verband angesprochen werden. Sie bestand aus einigen Hundert aktiven Offizier- und Reserve-Offizierbewerbern der Gebirgstruppe. Schwere Waffen waren nicht vorhanden. Bei Kaltenbrunn und am Kesselberg hatten diese Gebirgsjägereinheiten am 28./29. April Sperr-Riegel besetzt. Während die amerikanische 103. Infanteriedivision bei Kaltenbrunn am 30. April nur schwachen Widerstand zu überwinden hatte, blieb die Kesselbergstellung unangegriffen. Die hier eingesetzte Gebirgsjägereinheit löste sich nach Ausgabe von Entlassungsscheinen in der Nacht vom 3. zum 4. Mai selbst auf, wie auch kurz darauf der Stab der Gebirgsjägerschule, der in die Jachenau verlegt hatte. Die bei Kaltenbrunn abgedrängten Gebirgsjäger zogen sich dagegen mit Resten bis nach Scharnitz zurück, wo sie erneut zur Abwehr eingesetzt wurden.

Die letzten Kräfte, die die 19. Armee noch zur Verfügung hatte, waren in der Tat überall an den Paß-Straßen nach Österreich gebunden. Der Oberbefehlshaber der 19. Armee schilderte dem Generalfeldmarschall Kesselring die aussichtslose Lage der 19. Armee. »Dieser bestand jedoch auf weiteren Kampf.«

 

Aus:
Joachim Brückner, Kriegsende in Bayern 1945. Der Wehrkreis VII und die Kämpfe zwischen Donau und Alpen – Herausgegeben vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt (Freiburg im Breisgau, 1987) S. 171-173

 

 

© Alois Schwarzmüller 2006