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4. Das Ermächtigungsgesetz - Selbsttäuschung des deutschen Katholizismus
Be Was Hermann Mencke gedacht hat, als er diese Rede im Garmisch-Partenkirchner Tagblatt überflog, wissen wir nicht. Dass er den Zugeständnissen Hitlers an die Kirche nach seinen Erfahrungen vor Ort vertraute, kann man sich kaum vorstellen. Hitler versprach am 23. März, „im Christentum die unerschütterlichen Fundamente des sittlichen und moralischen Lebens unseres Volkes" zu sehen. Zur Erinnerung: Kaplan Aloys Dick und Pfarrer Hermann Mencke hatten nur drei Jahre zuvor noch vor dem „Wolf in Schafskleidern“ gewarnt und mit dem Satz „Wer Hitler neben Christus und über die Kirche stellt, ist kein Christ.“ eine klare Grenzlinie gezogen.
Es war auch nicht
Menckes Schuld, dass diese Grenze noch ein weit Mencke bekam das schon bald zu spüren. Ende Mai 1933 wurde er von der Garmisch-Partenkirchner SA-Führung attackiert. Ein Vorwurf betraf die Feier zur Erneuerung des Schlageter-Denkmals auf der Zugspitze im Mai 1933. Sie sei ohne kirchliche Weihe erfolgt, weil Mencke verhindert habe, dass Pfarrer Dr. Häußer die Einweihung vornehme. Mencke argumentierte, dass die Schlageter-Gedenktafel schließlich schon einmal, nämlich im Jahre 1923 von ihm geweiht worden sei. Bei der Trauung eines Garmischer SA-Mannes in der Ettaler Klosterkirche wurde Mencke von einer SA-Formation in Uniform überrascht, die mit Fahnen in der Kirche Aufstellung genommen hatte. Und schließlich wurde von ihm in SA-Kreisen herumerzählt, er habe gesagt, ein Kommunist sei ihm lieber als ein Nationalsozialist. Wochen zuvor war dieser Satz schon einmal Kaplan Dick in den Mund gelegt worden. Mencke reagierte sofort und forderte in einem Schreiben an die Garmischer SA-Führung, „dass in Zukunft derartige Schwätzereien und Hetzereien unterbleiben.“ Freilich gibt er auch der Erwartung Ausdruck, dass sich das Verhältnis zwischen Kirche und NSDAP zum Besseren wenden werde. Ein halbes Jahr nach der Machtergreifung der NSDAP deutet sich auch in den Formulierungen Menckes dieser Schwenk in Richtung Konkordat an. Er setzte darauf, von den „guten“ Nationalsozialisten beschützt zu werden: „Ich erwarte von den katholischen SA Männern, dass sie sich schützend vor ihre Priester stellen. Ehedem waren Marxisten Verleumder der Priesterehre. Sollen wir heute im neuen Reich jedem bösen Gerede wehrlos ausgeliefert sein? Ich erwarte von den katholischen SA Männern, dass sie die Parole der Neuen Regierung befolgen: Schutz der Religion und aktive Teilnahme am religiösen Leben.“ Der Brief des Pfarrers und Ehrenbürgers von Garmisch an die örtliche SA schließt mit „treuen Seelsorgergrüßen“ – im Jahr zuvor hatte die Kirche noch damit gedroht, katholische NSDAP-Mitglieder zu exkommunizieren. Die weiche Linie des Konkordats zeichnete sich ab.
In Menckes Bericht
über die Seelsorge im Jahre 1933 klingt das so: „Trotz großer
Schwierigkeiten gelang es, ein einigermaßen erträgliches Verhältnis
überall aufrechtzuerhalten.“ Gleichzeitig sieht er aber auch „Vieles
zusammenbrechen, was als Hilfsmittel der Seelsorge unentbehrlich
schien“. Spürbar wird die Verunsicherung an zwei Stellen. Einmal sieht
er sich „mitten im Umbruch einer Zeit stehend, nicht wissend, was der
morgige Tag bringen wird.“ Und zum Zweiten deutet er mit den Worten aus
dem 2. Brief des Johannes, Vers 13 und 14, an, wie es um das Vertrauen
in den neuen Staat tatsächlich steht: „Ich hätte euch viel zu schreiben,
aber ich wollte es nicht mit Brief und Tinte tun, sondern ich hoffe zu
euch zu kommen und mündlich mit euch zu reden, auf dass unsere Freude
vollkommen sei.“ Die Gestapo liest mit, das ist ihm klar. Vielleicht deshalb vermeidet es Mencke, über die Ausschaltung der demokratischen Mandatsträger aus dem Garmischer Gemeinderat und über die Gleichschaltungsvorgänge insgesamt genauer zu berichten. Nur soviel meldet er nach München: „Der Gemeinderat setzt sich aus lauter neuen Männern zusammen. Der 1. Bürgermeister ist Katholik, protestantisch verheiratet mit prot. Kindererziehung, der 2. Bürgermeister ist Katholik, katholisch mit einer Protestantin verheiratet, protest. Kindererziehung. Er ist zugleich Sonderkommissar am Bezirksamt.“ Die Zwangsentfernung des protestantischen Bezirksamtmannes von Merz ist ihm keine Erwähnung wert, wohl aber die Tatsache, dass sein von den Nazis eingesetzter Nachfolger Dr. Fux Katholik ist. „Vielerlei Schwierigkeiten“, die auf die Seelsorge „eindringen“, erwähnt er noch, um sich zum Schluss damit zu trösten, dass „unsere heilige Kirche schon andere Zeiten und Entwicklungen überdauert hat“. Auch im Jahresbericht 1934 ist von „Schwierigkeiten“ die Rede, ohne dass genaueres gesagt wird. „Viel braucht man nicht zu berichten“, heißt es recht eindeutig. In Garmisch und München wusste man unausgesprochen, wovon die Rede ist. Ganz im Sinne des 2. Johannesbriefes mag die Freude groß gewesen sein, als der Münchner Oberhirte im Juni 1934 zur Firmung nach Garmisch kam. Der Einladung durch Mencke folgte weder der nationalsozialistisch beherrschte Garmischer Gemeinderat noch die HJ. Im Gegenteil, demonstrativ stellten Bürgermeister und Gemeinderäte sich auf den Standpunkt, „dass der Empfang des H.H. Kardinals anlässlich der Firmung eine kirchliche Angelegenheit ist.“ Von den gläubigen, mutigen und der Kirche verbundenen Katholiken wurde Kardinal Faulhaber „stürmisch begrüßt“.
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