„… Juden sind hier nicht mehr aufhältlich.“
Die Ausgrenzung jüdischer Kurgäste in Garmisch-Partenkirchen
1937/38

 

 

 

Quelle 7

24.04.1935 - Tagebuch Carl Diem, Eintragung vom 24.4.1935

„Mittwoch, 24. April 1935

Garmisch, Haus Schöneck.

Vorm. Von ½ 9-11 im Büro gearbeitet. Dabei eine halbstündige Besprechung im Olympia-Verkehrsamt. Es zeigt sich, daß die Wirte keine Verabredungen treffen wollen, wenn ihnen kein Zwang gegenübersteht, und zweitens dass seit zwei Monaten eine starke antisemitische Propaganda einsetzt, Aushang der „Stürmer-Kasten“. „Wir lassen Juden und Huren über denselben Strick springen“. „Wenn mir ein Jude ins Quartier kommt, fliegt das Fenster auf die Strasse“. Dies lässt ja manches erwarten, unter Umständen ein schwerer Rückschlag für die Sommerspiele. Ich verspreche, dies dem Reichsinnenministerium nachdrücklich mitzuteilen.“

Quelle 8

14.05.1935 - Brief Ritter von Halt - Präsident des Organisationskomitees - an das Reichsministerium des Innern, Staatssekretär Pfundtner

"Mit wachsender Sorge beobachte ich in Garmisch-Partenkirchen und Umgebung eine planmäßig einsetzende antisemitische Propaganda. Wenn sie bis vor wenigen Monaten geschlummert hat und nur hin und wieder in Reden zum Durchbruch gekommen ist, so wird jetzt syste­matisch dazu überge­gangen, die Juden in Garmisch-Partenkirchen zu vertreiben. Am 1. Mai hat der Kreisleiter Hartmann in seiner Rede dazu aufgefordert, alles Jüdische aus Garmisch-Partenkirchen zu entfernen. Ich war selbst Zeuge, wie derselbe Kreisleiter einen anscheinend jüdischen Gast aus der Garmischer Post entfernt hat. Ich sehe seit vergangenem Samstag an allen möglichen Stellen in Garmisch-Partenkir­chen und vor allem auf der gesamten Landstraße von München nach Garmisch-Partenkirchen große Tafeln angebracht mit Inschrift "Juden sind hier unerwünscht". Der Leiter der Deut­schen Arbeitsfront in Garmisch hat in einer Hotelier-Versammlung zum Ausdruck gebracht, daß jeder Gaststättenbesit­zer aus der Par­tei ausgeschlossen würde, der einen Juden als Gast aufnehme. So­fern er nicht Par­teigenosse wäre, würde mit anderen Mitteln gegen ihn vorgegangen werden.

Ich könnte diese Beispiele durch eine Unzahl von Episoden vervoll­ständigen, die sich in G.-P. ereig­net haben... Wenn die Propaganda in dieser Form weitergeführt wird, dann wird die Bevölkerung von Garmisch-Partenkirchen so aufgeputscht sein, daß sie wahllos jeden jüdisch Aussehenden angreift und verletzt. Dabei kann es passie­ren, daß Ausländer, die jüdisch aussehen und gar keine Juden sind, beleidigt werden. Es kann passieren, daß ein jüdisch aussehender Auslandspressevertreter an­gegriffen wird und dann sind die schlimmsten Konsequenzen zu befürchten. Das Olympia-Verkehrs­amt weiß heute schon nicht mehr, wie es die Unterbringung vornehmen soll, wenn es sich um nichta­rische Athleten handelt...

Herr Staatsminister Wagner hat ... die Erklärung abgegeben, daß er sofort Weisung geben wird, daß in der Judenfrage im Garmisch-Par­tenkirchner Gebiet und seinem Umkreis auf die Abmachung des Rei­ches mit dem IOC Rücksichten zu nehmen sind.
Herr Staatssekretär, ich bitte davon überzeugt zu sein, daß ich diese meine Sorge nicht deshalb äu­ßere, um den Juden zu helfen, es handelt sich ausschließlich um die olympische Idee..."

Quelle 9

10.01.1936/15 01.1936 - Staatsminister des Innern an Reg.v.Obb. an BAG

"Beseitigung der Judenschilder und Stürmer-Kästen - An die Pgg Kreisleiter des Gaues München-Oberbayern - Ich ordne hiermit an:

Sämtliche Schilder, Transparente usw. mit der Aufschrift "Juden sind hier unerwünscht" oder ähnlich sind unverzüglich - längstens bis 15. Januar 1936 - zu entfernen.

Grund: Die Judenfrage ist durch die Nürnberger Gesetze geregelt. Einer über die Nürnberger Gesetze hinausgehenden Abwehr bedarf es im Augenblick nicht.

Ständige Aufklärung über die Judenfrage im Rahmen der gesamten Rassenfrage wird dafür sorgen, daß die Bevölkerung immer mehr den Juden von sich aus ablehnt...

Die Ausländer, die unseren Gau bereisen, müssen, wenn sie immer wieder die oben gen. Schilder sehen, auf den Gedanken kommen, daß wir in der Judenfrage doch noch Schwierigkeiten haben. Dies ist unerwünscht.

Mit Rücksicht auf den durch die Olympiade in den nächsten Wochen bedingten großen Fremdenver­kehr wird in sämtlichen "Stürmer"-Kä­sten eine Ihnen noch zugehende Sondernummer ausgehängt."

Quelle 10

29.01.1936 - Der Stellvertreter des Führers an den Gauleiter, München Braunes Haus, Rundschreiben 18/36

"Unter den Schildern und Tafeln, in denen Kreise, Gemeinden, Gast­häuser usw. darauf hinweisen, daß Juden unerwünscht seien, befin­den sich zum Teil oft wenig geschmackvolle Darstellungen.

Ich bitte beim Anbringen solcher Schilder zu berücksichtigen, daß die in Deutschland reisenden Aus­länder unsere Maßnahmen gegen die Juden aufmerksam verfolgen. Die Mehrzahl dieser Fremden begrüßen im Grunde genommen die deutschen Maßnahmen gegen das Weltjudentum. Das deutsche Ansehen im Ausland wird daher auch nicht durch die Tatsache unserer Judengesetzgebung, wohl aber durch eine im Ein­zelfall übertriebene und geschmacklose Darstellung oder Ankündigung ge­schädigt werden.

Ich bitte deshalb darauf zu achten, daß nur solche Schilder und Tafeln angebracht werden, die ohne besondere Gehässigkeit zum Aus­druck bringen, daß Juden unerwünscht sind. (Etwa Schilder Juden sind hier unerwünscht" oder dgl. Besonders bitte ich solche Auf­schriften zu unterlassen, die mehr oder weniger deutlich auf die Möglichkeit einer strafbaren Handlung gegen die Juden hinweisen, z.B. "Juden betreten den Ort auf eigene Gefahr" und ähnliche mit einer Drohung verbundene Aufforde­rungen.

Heil Hitler   gez. R. Heß

 

© Alois Schwarzmüller 2009