IV. Olympische Winterspiele 1936 in Garmisch-Partenkirchen

Die Kehrseite der Medaille

Eine Ausstellung im Olympia-Skistadion

 

Texte und Materialien für die Leseecke

 

 

 

 

 

01 - Die Bewerbung - „Eine bayerische Sache“

02 - Olympischer Gedanke und nationalsozialistische Ideologie

03 - Internationale Anerkennung für den „Friedenskanzler“ Hitler

04 - „Ein Land der Ruhe und Ordnung“

05 - Die Präsenz der NS-Führung bei den Winterspielen:

06 - Generalprobe für die Sommerspiele - „Es muss alles klappen“

07 - Jüdische Bürger und Gäste in Garmisch-Partenkirchen

08 - Antisemitismus führender Sportfunktionäre

09 - Ein Bericht aus dem Alltag

10 - Die Zwangsvereinigung von Garmisch und Partenkirchen 1935

11 - Kontrolle und Steuerung der Berichterstattung

12 - Auswahl der deutschen Athleten

13 - Die internationale Boykottbewegung

14 - Aus dem Polizeibericht: Lokale Aktionen gegen das NS-Regime

15 - Jüdische Bürger und Gäste in Garmisch-Partenkirchen nach 1936

16 - Olympismus und Faschismus in den dreißiger Jahren

17 - Die Vergabe der Winterspiele 1940 an Garmisch-Partenkirchen

18 - Olympische Elite?

19 - Schicksale

20 - „Nicht alle ließen sich täuschen“

 

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Antisemitismus führender Sportfunktionäre

 

Karl Ritter von Halt

Präsident des Organisationskomitees der IV. Olympischen Winterspiele 1936 - Schon in der Frühphase der Machtergreifung der Nazis war von Halt als Vorsitzender des DSB maßgeblich daran beteiligt, mit Hilfe des  Gesetzes zur "Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" vom 7. April 1933 jüdische Verbandsfunktionäre aus ihren Ämtern zu entfernen.

1936 war er an der Enteignung eines jüdischen Grundstückes in Garmisch-Partenkirchen für das Olympia-Organisationskomitee beteiligt. Am 31. Januar, eine Woche vor der Eröffnung der Winterspiele, wandte sich deshalb der Partenkirchner Rechtsanwalt Karl Roesen in einem Brief an von Halt. Es ging um ein Grundstück, auf dem bereits die Verwaltungsbaracken des OK standen. Das Grundstück befand sich im Besitz von Markus Friediger. Friediger war Jude. Roesen schrieb: „Mit Beschluss des Notariats Garmisch-Partenkirchen bin ich zum Zwangsverwalter im Zwangsverfahren Markus Friediger … für die Grundstücke des Herrn Friediger bestellt. … Da Sie auf diesen Grundstücken eine Reihe von Baracken erstellt haben, nehme ich an, dass Sie zu einer Pacht der Grundstücke rückwirkend ab 1. November be­reit sind. Es wird zweckmäßig sein, den Vertrag noch vor Beginn der Winterspiele zu schließen." Am 18. Februar, zwei Tage nach der Schlussfeier, schrieb Roesen erneut an von Halt und wurde nun deutlicher: „Die Angelegenheit ist insofern heikel, als Eigentümer der Grundstücke der Jude Friediger ist. Da nun ohne weiteres über die Grundstücke verfügt worden ist, so könnten unter Umständen daraus noch unerwünschte Weiterungen ev. Berichterstattungen sich ergeben.“ Zwei Tage später wurde der Pachtvertrag abgeschlossen. Von Halt wollte vertuschen, daß man das Friediger-Grundstück, auf dem heute das Werdenfels-Gymnasium steht, widerrechtlich für die Olympischen Spiele benutzt hatte.

Bundesarchiv 70/Or1/B116

Frank Tiemann, Ein Sportfunktionär zwischen Kaiserreich  und Bundesrepublik. Die Karriere von Karl Ritter von Halt (Münster 1997) S. 53

 

Im Übrigen schreckte von Halt auch nicht davor zurück, einheimische Kritiker der Olympiamaßnahmen bei der Bayerischen Politischen Polizei zu denunzieren. Bekannt wurde dieser Fall: Anton Wackerle aus Partenkirchen hatte im Gespräch mit einem Korrespondenten des Wolffschen Telegraphenbüros über die neue Olympiasprungschanze die Zweckmäßigkeit der Anlage in Frage gestellt. Von Halt nahm das zum Anlass, die BPP zum Einschreiten aufzufordern: „Ich möchte die Politische Polizei auf das Verhalten dieses Herrn Wackerle hinweisen… Es geht nicht an, dass in niederträchtiger Art und Weise von gewissenlosen Elementen … solche Gerüchte verbreitet werden.“ Der Cheforganisator der Winterspiele bediente sich also des Terrorapparates der Nazis, um Kritiker seiner Arbeit einzuschüchtern oder vielleicht sogar auszuschalten. -

Bundesarchiv 70/Or1/B116

Frank Tiemann, Ein Sportfunktionär zwischen Kaiserreich  und Bundesrepublik. Die Karriere von Karl Ritter von Halt (Münster 1997) S. 53

 

Peter le Fort

Generalsekretär der IV. Olympischen Winterspiele 1936 in Garmisch-Partenkirchen
Le Fort hatte sich im März 1920 am Kapp-Putsch gegen die junge Weimarer Republik beteiligt. 1923 kam er nach Garmisch-Partenkirchen, war Mitglied beim Bund Oberland, dem Vorläufer der NS-Sturmabteilungen (SA) geworden und nahm im Herbst 1923, wenige Wochen vor dem Hitler-Putsch in München, an der Denkmaleinweihung für den NSDAP-„Märtyrer“ Albert Leo Schlageter auf der Zugspitze teil.
Erfahrung für die Durchführung größerer Veranstaltungen hatte er als Sportwart des Skiclubs Garmisch gesammelt. Seit September 1933 war er Stellvertretender Ortsgruppenführer des Nationalsozialistischen Fliegerkorps (NSFK) und neben Hotelier Heinrich Clausing und Kurdirektor Anton Reitinger „Führer“ des gleichgeschalteten SC Riessersee. Als Sportwart des DSV leitete er seit Dezember 1933 den ersten Olympia-Vorbereitungskurs. Das englische „iceskate-magazine" beschrieb ihn 1936 als „a rather sinister individual“. Carl Hupfer, der Münchner Journalist und Kenner der Garmisch-Partenkirchner Sportszene, nannte Le Fort 1986 einen „hartgesottenen Nazi-Funktionär".
Dass sich die zwei Beobachter nicht getäuscht haben, das wird in Inhalt und Stil eines Briefes deutlich, den Le Fort am 20. September 1935 an Carl Diem, den Generalsekretär der Olympischen Spiele von Berlin und Garmisch, schrieb. Darin kritisierte er in aller Schärfe, dass die offiziellen Olympiaabzeichen von den Herstellern, der Schrobenhauser Firma Poellath, auch an jüdische Verkäufer geliefert wurden:

"Sehr geehrter Herr Dr. Diem, die Firma Poellath hat offizielle Festabzeichen für die IV. Olympischen Winterspiele teilweise auch an jüdische Firmen geliefert. Ich stehe auf dem Standpunkt, dass dies unter allen Umständen unterbleiben muss.
Verschiedene Beschwerden von arischen Geschäften, die sich für den Verkauf in den betreffenden Orten interessieren, sind bereits bei uns eingelaufen. Die Firma Poellath schreibt mir heute, dass er Ihnen bereits über diesen Fall berichtet hat. Sie hätten ihm einen Bescheid in Aussicht gestellt. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir Nachricht zukommen lassen wollten, welche Anweisungen Sie an Poellath in dieser Angelegenheit gegeben haben, damit wir den Vertrieb einheitlich regeln können.
Ich wiederhole nochmals, dass ich unter allen Umständen jüdische Geschäfte als offizielle Vertriebsstelle für das Festabzeichen ablehne. Ich nehme an, dass Sie meine Ansicht teilen. Mit besten Grüssen Ihr sehr ergebener gez. Le Fort" -

Reinhard Rürup, 1936. Die Olympischen Spiele und der Nationalsozialismus (Berlin 1996) S. 92

 

 

 

 

© Alois Schwarzmüller 2016