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IV. Olympische Winterspiele 1936 in Garmisch-Partenkirchen Die Kehrseite der Medaille Eine Ausstellung im Olympia-Skistadion
Texte und Materialien für die Leseecke |
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17 Die Vergabe der Winterspiele 1940 an Garmisch-Partenkirchen
Im November 1938 hatten die Synagogen in ganz Deutschland gebrannt, 44 jüdische Bürger waren aus dem Olympiaort Garmisch-Partenkirchen verjagt worden, im März 1939 war Hitlers Armee zur „Zerschlagung der Resttschechei“ ausgerückt – und im Juni 1939 sprach sich das IOC in London in einer einstimmigen Entscheidung für die Vergabe der Winterspiele 1940 an Deutschland aus. Hitler zögerte keine Sekunde und griff sofort zu. Er wusste die Wirkung die Spiele von Garmisch-Partenkirchen und Berlin im Jahre 1936 für das deutsche Prestige in Europa und in der Welt zu schätzen. Hajo Bernett spricht von „einer stillschweigenden Duldung der Hitler-Diktatur und ihrer gewalttätigen Machtpolitik.“ Hajo Bernet, Das Scheitern der Olympischen Spiele von 1940 (1980), S. 274)
Die Olympischen Spiele 1940 standen von Anfang an unter keinem guten Stern. Zwei Kriege verhinderten die Durchführung - 1936 wurden sie an Japan vergeben, in Tokio sollten die Sommerspiele und in Sapporo die Winterspiele stattfinden. Sie fielen dem Krieg Japans gegen China zum Opfer und wurden im Juli 1938 zurückgegeben. - Im September 1938 entschied das IOC, die Sommerspiele nach Helsinki zu vergeben. Für die Winterspiele wurde Oslo erwogen. Die norwegische Hauptstadt konnte aber nicht einspringen, da ihr die FIS für 1940 bereits die Ski-Weltmeisterschaften übertragen hatte. Die Olympische Charta untersagte die Durchführung internationaler Meisterschaften neben den Olympischen Spielen. Die Vergabe der Spiele an Davos in der Schweiz scheiterte daran, dass ihre besten Skifahrer nicht mehr als Amateure galten, weil sie als Skilehrer tätig waren.
IOC-Chef Baillet-Latour hatte schon seit Mai 1939 sondiert, ob Garmisch-Partenkirchen bereit wäre, „gegebenenfalls“ die Winterspiele 1940 zu übernehmen. Reichssportführer von Tschammer und Osten ließ intern erkennen, dass die erneute Durchführung von Winterspielen in Garmisch-Partenkirchen ein Ziel sei, „das der Führer schon vor einigen Wochen gegenüber Herrn von Halt als für Deutschland außenpolitisch äußerst erwünscht bezeichnet hatte.“
Hitler hatte also die Spiele bei von Halt sozusagen „bestellt“ und der agierte wieder einmal gehorsam und erfolgreich im Auftrag der NS-Politik. Das IOC stimmte im Juni 1939 geschlossen für Garmisch-Parten-kirchen. Sein Präsident Baillet-Latour ließ es sich nicht nehmen, das einstimmige Votum als Beweis für die „Freiheit des IOC von politischen Einflüssen“ zu nehmen.
1. Juli 1939 - Die Vergabe der Winterspiele 1940 an Garmisch-Partenkirchen - ein unerwarteter Propagandaerfolg für Hitler - Reichssportführer von Tschammer und Osten jubelte nach dem Beschluss des IOC: „Meine Herren, wir feiern heute einen Sieg. Es ist ein Sieg Deutschlands, dass die V. Olympischen Winterspiele uns in einer für die olympische Festfolge gefährlichen Stunde einstimmig übertragen worden sind. Wir wissen nur zu gut, dass der Beschluss einstimmig, aber doch nicht ganz einmütig gefasst worden ist. Dass viele uns diesen Erfolg innerlich nicht gegönnt haben, aber das ist ja gerade das wesentliche: obwohl sie ihn uns nicht gegönnt haben, konnten sie doch nicht anders, als 'ja' sagen, es war wieder einmal 'The Germans to the front' [...] Meine Herren, ich proklamiere: Das war ein olympischer Sieg Deutschlands. Eine teils freiwillige, teils unfreiwillige bedingungslose Anerkennung unserer Organisationskraft. [...] Ich darf Ihnen mitteilen, meine Herren, dass der Führer die Übernahme der Spiele begrüßt hat, dass er sie als einen weiteren, erfreulichen Aktivposten in seiner Politik betrachtet und dass er uns befohlen hat, die Spiele in größtem Rahmen durchzuführen… Wir müssen uns ehrlich Rechenschaft darüber geben, dass in einem Teil der Welt Antipathie herrscht. Es ist militärisch falsch, einen Gegner zu unterschätzen, am allerschlimmsten im Augenblick, wo man ihn angreifen will.“ Staatsarchiv München - LRA 61973
Zuvor hatte Hitler von Halt, Diem, von Tschammer und Osten und dem Wehrmachtsgeneral von Reichenau („Sportgeneral“) auf den Obersalzberg zitiert und den Herren bei den Winterspielen 1940 eine politische Ski-Demonstration im Stil der NS-Propaganda befohlen: 12000 deutsche Skifahrer sollten sternförmig auf Hitler zufahren und vor ihm paradieren. Die nötigen Finanzmittel wurden dafür und für die großzügige Erweiterung und Ergänzung der Garmisch-Partenkirchner Olympiaanlagen aus dem Staatshaushalt zur Verfügung gestellt. Bis November 1939 waren das 6 Millionen Reichsmark. Die Ausgaben für die Winterspiele 1936 lagen bei ca. 2,6 Millionen Reichsmark. Die Wehrmacht war gehalten, die Vorbereitung der Spiele mit allen Mitteln zu unterstützen. Beides lässt erkennen, wie wichtig die Spiele von 1940 für die Politik waren. Hitler gab sogar Weisung, an den Sportanlagen in Garmisch-Partenkirchen auch nach dem Überfall der Wehrmacht auf Polen weiterzubauen.
18.07.1939 - Jüdischer Besitz in Garmisch-Partenkirchen zur Unterbringung der Dienststellen für die V. Olympischen Winterspiele - Bürgermeister Scheck informiert das Landratsamt Garmisch-Partenkirchen: „In Garmisch-Partenkirchen sind folgende Judenhäuser vorhanden: 1. Das Anwesen Wettersteinstraße 4 … Israel Isidor Guttsmann, verzogen am 10.11.1938 nach Berlin… 2. Das Anwesen in der Maximilianstraße Haus Nr. 52, das unbewohnt ist. Besitzer dieses Hauses sind: Dr. Hellmuth Wallach in München … 3. Das Anwesen Riessackerstraße 54, Besitzer Alfred Stern in Schwarzenberg /Sa….gez. Scheck“ Staatsarchiv München - LRA 61946
29.07.1939 - Einsatz von Arbeitern bei den V. Olympischen Winterspielen - Der Landrat des Landkreises Garmisch-Partenkirchen an die Kriminalpolizeileitstelle in München: „Der Markt Garmisch-Partenkirchen hatte nach der amtlichen Zählung vom 17.5.1939 eine ortsanwesende Bevölkerung von 19096 Köpfen, der ganze Landkreis eine solche von 43313. Hinzu kommt, dass Garmisch-Partenkirchen allein eine durchschnittl. jährl. Fremdenübernachtungsziffer von über 923000 hat… Dazu kommt weiter, dass zur Errichtung der zahlreichen Großbauten, die bis zu Beginn der Olympischen Winterspiele 1940 fertiggestellt sein müssen, große Arbeitermassen in Garmisch-Partenkirchen und Umgebung (Klais, Mittenwald, Farchant, Oberau, Eschenlohe, Ohlstadt) zusammengezogen wurden; 3500 Mann sind bereits an Ort und Stelle, weitere 4000 Mann sollen noch folgen. Die Arbeiter setzen sich aus Reichsdeutschen, Jugoslawen, Tschechen und Angehörigen des Protektoratsgebietes zusammen und sind zum größten Teil in Barackenlagern, zum Teil in Privatquartieren untergebracht… gez. Dr. Wiesend“ Staatsarchiv München - LRA 61958
15.08.1939 - Über die Behandlung von Arbeitskräften für die V. Olympischen Winterspiele gibt dieses Schreiben der DAF an den Landrat in Garmisch-Partenkirchen Einblick: „Verschiedentlich haben aus dem Protektorat stammende Arbeitskräfte, die bei der Durchführung zu den Baumaßnahmen für die Winterspiele 1940 eingesetzt sind, versucht in Privatquartieren unterzukommen. Ich darf Ihnen dazu mitteilen, dass das auf höhere Weisung hin nicht möglich ist und die tschechischen Arbeiter grundsätzlich in Massenquartieren zusammengefasst werden müssen.- Ich bitte Sie darauf zu achten und Ihre Bürgermeister, in deren Gemeinden etwa tschechische Arbeitskräfte eingesetzt sind, in geeigneter Weise zu benachrichtigen. Heil Hitler gez. Gausozialwalter“ Staatsarchiv München - LRA 61964
Erst am 22. November 1939, knapp drei Monate nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges, wurde dem olympischen Grundsatz Rechnung getragen, dass in dem ausrichtenden Land Friede herrschen müsse. Ritter von Halt und Reichssportführer von Tschammer und Osten informierten IOC-Präsident Baillet-Latour über die Absage für 1940 mit einer Begründung ganz im Ton der NS-Propaganda: „Sehr verehrter Graf! Nachdem uns das I.O.K. durch Beschluss der Sitzung 1939 in London die Organisation der V. Olympischen Winterspiele übertragen hat, haben wir … die Vorbereitung mit aller Kraft aufgenommen und diese Arbeit, auch im Krieg den Werken des Friedens treu, fortgesetzt… Da die deutschen Vorschläge auf Herbeiführung eines Weltfriedens, der aus dem jetzigen Konflikt herausführen sollte, von der englischen und französischen Regierung abgelehnt wurden und der Krieg daher weitergeführt werden muss, sieht sich der Deutsche Olympische Ausschuss und das von ihm eingesetzte Organisationskomitee für die V. Olympischen Winterspiele Garmisch-Partenkirchen 1940 gezwungen, den Auftrag dieser Spiele zurückzugeben.“ Staatsarchiv München - LRA 61946
22.11.1939 - Von Halt informiert die Mitglieder des OK darüber, dass die Spiele zurückgegeben wurden: „Die V. Olympischen Winterspiele fallen somit aus. Sie haben aber einen Teil ihrer Wirkung gezeigt und die Welt davon überzeugt, wie sehr Deutschland dem Werke des Friedens zu dienen bereit ist. Heil Hitler! gez. Von Halt, Präsident“ Staatsarchiv München - LRA 61946
Im Januar 1940 war von Halt – in einem Brief an Avery Brundage, inzwischen Präsident des amerikanischen Olympischen Komitees - davon überzeugt, „dass viele Sportsleute mit mir einer Meinung sind und wünschen, dass die Aufgabe, die uns für 1940 gegeben wurde, einfach ins Jahr 1944 übertragen wird.“ Die Engländer und Franzosen würden allerdings „endgültig lernen müssen, sich Deutschland anzupassen. Danach vertrauen wir, dass der Friede in der ganzen Welt zurückkehrt.“ Peter Heimerzheim, Karl Ritter von Halt- Leben zwischen Sport und Politik (St. Augustin 1999) S.153
Olympische Spiele nur noch in Deutschland „Nach der Olympiade des Jahres 1936 hatte Hitler bekanntgegeben, daß Berlin »die letzte internationale Olympiade [war], an der Deutschland teilgenommen hat«. In Zukunft würden in Nürnberg »die großartigste Sportveranstaltung der Welt und die größten Sportwettkämpfe, die je stattgefunden haben, in eigener Regie unter uns« abgehalten werden. Ende November 1936 war eine Verfügung unterzeichnet worden, der zufolge unter der Schirmherrschaft der SA künftig »Nationalsozialistische Kampfspiele« - eine Art nationale Olympiade als Fortsetzung oder Ersatz der Olympischen Spiele - organisiert werden sollten. Als Speer 1937 auf die nicht-olympischen Maße des Spielfeldes des geplanten Deutschen Stadions hinwies, erhielt er von Hitler zur Antwort, dies sei »ganz unwichtig«, da nach 1940 die Olympischen Spiele »für alle Zeiten in Deutschland stattfinden, in diesem Stadion. Und wie das Sportfeld bemessen ist, das bestimmen dann wir.« Joseph Goebbels, Tagebücher Band 3: 1935-1939 (München 1999) S. 1124 Anmerkung 116
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