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Garmisch-Partenkirchen 1.
Januar 1935 |
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"Unsere Bestrebungen, die Olympischen
Spiele
Vorbemerkung Der Blick von Kirchturm zu Kirchturm war über Jahrhunderte hin der gleiche, die Partnach kein trennendes oder gar unüberwindbares geographisches Hindernis. Das historische Herkommen unterschied sich allenfalls in den Anfängen – die römische Straßenstation Partanum entstand im 2. Jahrhundert, Germareskauue wurde im 9. Jahrhundert zum christlichen Urzentrum im Loisachtal. Regiert wurden die zwei Siedlungen seit dem 13. Jahrhundert vom Freisinger Bischof, zu dessen Hochstift die reichsunmittelbare Grafschaft Werdenfels mit den Hauptorten Garmisch und Partenkirchen gehörte. Das „Goldene Landl“ entstand. Beide Dörfer wurden im Mittelalter zu Märkten, bescheidener Wohlstand war damit lange Zeit verbunden. In Partenkirchen nutzte man die Gunst der Lage an der Fernstraße zwischen der italienischen Handelsmetropole Venedig und dem Sitz der Fugger und anderer reicher Herren in Augsburg. Das Rottwesen war ein einträgliches Geschäft. Seit dem 15. Jahrhundert auch für die Garmischer, die zudem noch mit der Loisachflößerei am gewinnbringenden Transportgeschäft beteiligt waren. Mit der Verlagerung der großen Handelsströme im 16. und 17. Jahrhundert vom Mittelmeer in den Atlantik verloren die Märkte Partenkirchen, Garmisch und Mittenwald ihre wirtschaftliche Grundlage. Auch unter dem Krummstab gab es jetzt keine Garantie mehr für ein gutes Leben. Viele Bewohner verarmten. Andere wurden Taglöhner oder wanderten aus und suchten ihren Lebensunterhalt im deutschen und europäischen Ausland. Die Säkularisierung der Grafschaft Werdenfels am Beginn des 19. Jahrhunderts brachte zunächst keine grundsätzliche Besserung. Erst mit der Entdeckung des Loisachtals und seiner kleinen Gemeinden, des Wettersteingebirges und der Zugspitze durch Maler, Dichter, Komponisten und eine schnell wachsende Zahl von „Sommerfrischlern“ in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kehrte der Wohlstand in das Leben der beiden Gemeinden zurück.
Mit dem Tourismus kam die Bahn ins Loisachtal. Die erste Bahnstation erhielt schon 1889 die Bezeichnung „Garmisch-Partenkirchen“. Die lokale Alpenvereinssektion hieß seit 1893 „Alpenvereinssektion Garmisch-Partenkirchen“. Auch der Gewerbeverein setzte mit dem Doppelnamen ein Zeichen. 1905 verfasste der Apotheker und Förderer des Fremdenverkehrs Max Byschl eine Broschüre mit dem Titel „Denkschrift zur Situation des Fremdenverkehrs in Garmisch-Partenkirchen“. Der 1907 gegründete Ortsverein der SPD trug den Namen „Socialdemokratischer Verein Garmisch-Partenkirchen“. Der „Realschulverein Garmisch-Partenkirchen“ wurde 1913 gegründet. Die Allgemeine Ortskrankenkasse nannte sich im gleichen Jahr „AOK Garmisch – Sitz Partenkirchen“. Noch vor Beginn des Ersten Weltkrieges war die Gründung einer „Stadt Werdenfels“ im Gespräch und 1919 die Vereinigung zur „Stadt Garmisch-Partenkirchen“. Die lokale Organisation des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes trug in der Zeit der Weimarer Republik die Bezeichnung „ADGB Garmisch-Partenkirchen“. Auch der Königin-Luise-Bund hatte eine „Ortsgruppe Garmisch-Partenkirchen“.
Bis zur Bewerbung um die IV. Olympischen Winterspiele 1936 gab es keine weiteren erkennbaren und ernsthaften lokalen Bemühungen um die Zusammenlegung der zwei Gemeinden. Vielleicht auch deshalb: Der „Doppelort“ Garmisch-Partenkirchen existierte in der Wahrnehmung der Bevölkerung, der Politik und der Behörden, des Fremdenverkehrs und des Sports und im allgemeinen Sprachgebrauch bereits ganz selbstverständlich. Lange vor seiner offiziellen juristischen Konstruktion. Der Vorsitzende des Deutschen Olympischen Ausschusses, Dr. Theodor Lewald, nannte „Garmisch-Partenkirchen“ den „in 1. Linie in Betracht kommenden Wintersportplatz für die Olympischen Spiele.“ Bezirksamtmann Carl von Merz informierte 1931 die Regierung von Oberbayern davon, dass die „Durchführung von Olympiade-Kämpfen in Garmisch-Partenkirchen in hervorragender Weise gegeben sei.“ Für die Münchner Neuesten Nachrichten stand im August 1931 fest: „Deutschland ist an der Reihe – Garmisch-Partenkirchen kommt in Betracht.“ Selbst im Protestschreiben des Deutschen Bobverbandes 1932 gegen eine Benachteiligung des schlesischen Bewerbers Schreiberhau hieß der Konkurrent „Garmisch-Partenkirchen“. Die Industrie- und Handelskammer München nannte den zukünftigen Olympiaort ebenso selbstverständlich mit seinem Doppelnamen wie der bayerische Finanzminister und Staatsrat Fritz Schäffer in seinen Briefen zur Unterstützung der Bewerbung von „Garmisch-Partenkirchen“. Der "Gewerbeverband Garmisch-Partenkirchen" vertrat die Interessen der Kaufleute, Handwerker und Händler in beiden Orten. Schon 1914 hatte der Garmischer Bezirksamtmann Freiherr von Eschenbach die Auswirkungen einer Zusammenlegung der beiden Nachbargemeinden untersucht. Er war dabei zu dem Schluss gekommen, „dass der Versuch, die beiden Gemeinden auf gesetzlichem Wege zusammen zu verschweissen“, zum Scheitern verurteilt sei – jedenfalls solange „die Gemeindeverwaltung in den Händen der Ureinwohner liegt.“ (Zit. nach Josef Ostler, a.a.O. S. 110) 1933 hatten die Nationalsozialisten im Zuge ihrer Gleichschaltungspolitik den Einfluss der eingesessenen Bevölkerung in den beiden Gemeindegremien erheblich verringert: Von den 11 NS-Mitgliedern des Gemeinderats Garmisch stammten nur drei aus dem Ort. Sowohl der Bürgermeister von Garmisch wie auch der Bürgermeister von Partenkirchen waren ortsfremd. Dazu kam der Druck aus München von NS-Gauleiter und Innenminister Adolf Wagner und aus Berlin von Staatssekretär Hermann Esser, Präsident des Reichsfremdenverkehrsverbandes. Beide erwarteten im Vorfeld der Olympischen Winterspiele 1936 von den lokalen Behörden und Gremien die rechtliche Vereinigung der zwei Gemeinden.
24. Juli 1933 - Der Antrag Diese Erwartungen wollte die NSDAP-Gemeinderatsfraktion des Marktes Garmisch mit ihrem Antrag vom 24. Juli 1933 erfüllen. Garmisch und Partenkirchen sollten „schnellstens“ zu einer politischen Gemeinde vereinigt werden. Begründet wurde das mit gemeinsamen Interessen im Fremdenverkehr, den bereits bestehenden Beziehungen zwischen den Orten und den Herausforderungen einer Großveranstaltung wie der Winterolympiade. Alle finanziellen Probleme, die bisher als unüberwindbares Hindernis für eine Zusammenlegung gegolten hatten, sollten aus dem Weg geräumt werden. Schon bei Amtsantritt des gleichgeschalteten Gemeinderats waren die Mitglieder zu der ehrenwörtlichen Erklärung verpflichtet worden, im Falle einer Vereinigung mit Partenkirchen „bedingungslos“ zurückzutreten. Unterschrieben war der Antrag von den beiden Garmischer NS-Bürgermeistern Josef Thomma und Hans Hartmann und von den NS-Gemeinderäten Josef Dillis, Georg Maier, Hans Mayer, Wilhelm Manz, Ignaz Glatz, Karl Betz, Josef Röhrl, Dr. Karl Friedrich, Karl Steiger und Anton Seiwald (Hospitant der NS-Fraktion). Die legal gewählten Vertreter der BVP (Kaspar Ostler, Josef Döllgast und Karl Hartenstein) und der SPD (Josef Reiser) waren durch Gleichschaltung, Diskriminierung und Verfolgung aus dem Gemeinderat ausgeschieden bzw. ausgeschlossen.
31. Juli 1933 – Die Reaktion aus Partenkirchen Der Gemeinderat des Marktes Partenkirchen reagierte zurückhaltend, wandte sich gegen zu große Eile, lehnte aber eine Vereinigung mit dem Markt Garmisch nicht grundsätzlich ab. In den Bereichen Tourismuswerbung, Kuranlagen und Sportstätten sah man den Nutzen einer Kooperation mit der Nachbargemeinde. Zumal der Markt Garmisch am Anfang der dreißiger Jahre wirtschaftlich und finanziell besser dastand. Partenkirchen reklamierte für sich die gesündere Lage und die längere Tradition als Kurort. Die Gründung einer gemeinsamen Kurverwaltung sollte sozusagen als Testphase der Vereinigung der beiden Gemeinden vorausgehen. Die Bausatzungen, die Steuer-, Abgaben- und Gebührenvorschriften sowie das Schul- und Krankenhauswesen sollten schrittweise harmonisiert werden. Die größte Bedeutung maßen die Partenkirchner dem neuen Ortszentrum bei. Ein Platz zwischen den beiden bestehenden Gemeinden schien ihnen die beste Garantie dafür, dass keine der beiden Kommunen nach der Vereinigung zum Vorort der anderen herabsinken würde.
Juli 1933 – Skepsis des Bezirksamtes Auch dem Bezirksamt Garmisch war daran gelegen, die beiden Gemeinden zusammenzulegen. Landrat Dr. Fux, der von den Nationalsozialisten eingesetzte Nachfolger von Bezirksamtmann Carl von Merz, sah in der Gründung eines vereinten Kur- und Fremdenverkehrsvereins Garmisch-Partenkirchen zwar ein gutes Vorzeichen, kam aber – vor allem wegen der zögerlichen Haltung Partenkirchens - zu dem Schluss, dass die Vereinigung „vorerst noch nicht spruchreif“ sei.
8. Januar 1934 – Die Garmischer wiederholen ihren Vereinigungsbeschluss Es verging ein halbes Jahr, ehe wieder Bewegung in den Vereinigungsprozess kam. Am 8. Januar 1934 bestätigte der Gemeinderat Garmisch seinen Beschluss vom 25. Juli 1933 „vollinhaltlich“ und „ohne jede Beschränkung“. Die Sitzung des Garmischer Gemeinderats wurde im Protokoll als „Geheimsitzung“ bezeichnet. Wie weit in diese Vorgänge die Öffentlichkeit eingeweiht war, ist nicht erkennbar. Am 9. Januar 1934, einen Tag nach der Wiederholung des Garmischer Beschlusses, berichtete Bezirksamtmann Dr. Fux an das Bayerische Innenministerium.
25. Januar 1934 – Die Partenkirchner fordern ein neues Ortszentrum Auch die Gemeinde Partenkirchen ließ ein halbes Jahr verstreichen, ehe sie wieder aktiv wurde. Im Januar 1934 ging es ihr um die Bahnhofstraße als Verbindungsstraße zwischen Garmisch und Partenkirchen und um die Frage, wie der „freie Platz“ zwischen den Gemeinden als neues Ortszentrum gestaltet werden sollte. Der Münchner Architekt Oswald Bieber hatte bereits Pläne dafür vorgelegt und konnte die Partenkirchner für diese Entwürfe gewinnen. NS-Bürgermeister Scheck beantragte jedenfalls bei den zuständigen Baubehörden, die Bieber-Planungen zur Grundlage des weiteren Vorgehens zu machen. Dann trat wieder Ruhe ein bis zum Oktober des Jahres 1934.
11. Oktober 1934 – NS-Gauleiter Wagner drängt Am 11. Oktober wurde das Bezirksamt Garmisch von Innenminister und NS-Gauleiter Adolf Wagner aufgefordert, sich „unverzüglich“ mit der Zusammenlegung der Gemeinden zu befassen und „die Vereinigung zu beschließen.“ Am gleichen Tag erhielten auch die Gemeinderäte von Garmisch und Partenkirchen Post von Wagner. Darin klagte er über die Schwierigkeiten bei der Vorbereitung der olympischen Winterspiele 1936 mit den „zwei in ihren Interesseneinstellungen und Zielen nicht gleichgerichteten Gemeinden“ Garmisch und Partenkirchen und forderte alle Beteiligten auf, sich bis zum 15. November 1934 zu einigen Wagners ultimativer Terminvorschlag hatte Folgen: Zwei Tage später wies der dem Bezirksamt Garmisch zugeordnete NS-Sonderkommissar Hans Hartmann den Garmischer Bürgermeister Josef Thomma an, am 17. Oktober nach München ins Innenministerium zu kommen – „vorm. 10.00 Uhr zwecks Aussprache über die Zusammenlegung der beiden Gemeinden Garmisch und Partenkirchen“
13. Oktober 1934 – Das Bezirksamt Garmisch drängt Gleichzeitig forderte das Bezirksamt Garmisch die Gemeinde Partenkirchen auf, die Vereinigung umgehend zu beschließen und innerhalb von fünf Tagen diesen Beschluss dem Bezirksamt vorzulegen. Die Partenkirchner Einwände gegen ein schnelleres Vorgehen im Vereinigungsprozess ließ Dr. Roidl nicht gelten. Der Vorschlag, einen touristischen Zweckverband der beiden Gemeinde sozusagen als Katalysator vorzuschalten, wurde abgelehnt. Auch die Ängste der Partenkirchner, zum „Vorort“ herabzusinken, wurden nicht ernst genommen. Weder „konservative Bestrebungen“ noch „geschichtliche Erinnerungen“ ließ das Bezirksamt gelten. Die Errichtung einer Kläranlage, einer Mittelschule, eines Flugplatzes, einer Durchgangsstraße und eines Kongresssaales konnten aus dieser Sicht nur durch die Vereinigung gelöst werden. Und Dr. Roidl gab zu verstehen, dass der „von allen vorgesetzten Stellen erwartete Beschluss“ keinesfalls auf die lange Bank geschoben werden dürfe.
15. Oktober 1934 – Der Gemeinderat Garmisch tagt und stimmt zu Am 15. Oktober 1934 wurde dem Gemeinderat Garmisch eine Entschließung des Bayerischen Innenministeriums zur Zusammenlegung der zwei Gemeinden bekannt gegeben. Daraufhin bestätigte das Gremium erneut und wunschgemäß seine Beschlüsse vom 25. Juli 1933 und vom 8. Januar 1934 und sprach sich wieder einstimmig dafür aus, die Zusammenlegung „in kürzester Zeit“ zu vollenden.
18. Oktober 1934 – Der Gemeinderat Partenkirchen tagt und zögert Auch der Gemeinderat Partenkirchen nahm von der Entschließung des Staatsministeriums des Innern vom 11. Oktober Kenntnis, kam aber erneut zu einem anderen Ergebnis als die Garmischer Kollegen. Die Partenkirchner erklärten zwar zunächst ebenfalls und ausdrücklich ihre Verhandlungsbereitschaft. Sie wollten aber vor der endgültigen Unterschrift Genaueres über die Regelung der Vermögensverhältnisse wissen. Darüber hinaus sollte die „gleichmäßige Förderung der bisherigen Ortsteile“ sichergestellt werden und all das konnte und sollte aus Partenkirchner Sicht weder „schnellstens“ noch „in kürzester Zeit“ über die Bühne gehen.
3. Dezember 1934 – Oswald Biebers Rathauspläne Anfang Dezember 1934 war erstmals die Rede vom Bau eines gemeinsamen Rathauses. Vielleicht sollten damit die Zweifel der Partenkirchner an der Vereinigung zerstreut werden. Das Münchner Innenministerium schlug vor, Rathaus und Kurverwaltung zusammenzulegen und an der Kreuzung von Bahnhofstrasse und einer neuen Durchgangsstraße zu errichten. Diese Überlegungen entsprachen den Plänen von Architekt Oswald Bieber, die bei den Partenkirchnern schon früher auf offene Ohren gestoßen waren.
7. /10. Dezember 1934 – Partenkirchen und Garmisch stimmen zu Das Projekt zur Errichtung des neuen gemeinsamen Rathauses auf Partenkirchner Flur scheint die Partenkirchner Widerstände endgültig gebrochen zu haben. Nur vier Tage später gab der Gemeinderat seine Zustimmung zur Zusammenlegung der beiden Gemeinden. Man war auch mit dem neuen Namen „Garmisch-Partenkirchen“ einverstanden. Damit wurde ein von den Bürgermeistern der beiden Gemeinden am 7. November 1934 in den Amtsräumen des Bezirksamtes Garmisch gefasster Beschluss zur Vereinigung wirksam. Der Gemeinderat Garmisch billigte die Vereinigung eine Woche später ebenfalls, überließ, wie schon die Partenkirchner, die Entscheidung darüber, welche Gemeinde in die andere aufgenommen werden sollte, dem Staatsministerium des Innern und akzeptierte den neuen Namen „Garmisch-Partenkirchen“. Damit fand das jahrelange Gezerre um die Vereinigung der zwei Gemeinden ein Ende. Aber nur für wenige Tage.
19. Dezember 1934 – Garmisch macht einen Rückzieher Denn bereits am 19. Dezember zogen die Garmischer Gemeinderäte – alle zwölf waren Mitglieder der NSDAP - ihre Unterschrift unter den Einigungsvertrag vom 7. November zurück. Die Begründung für diesen spektakulären Schritt: Die Garmischer fühlten sich bei der Wahl des Standortes für das neue Rathaus überrumpelt. Mit dem Platz auf Partenkirchner Flur waren sie nicht einverstanden – aus „rein örtlichen wie wirtschaftlichen Gründen.“
29. Dezember 1934 – Garmisch bestätigt seinen Rückzieher Der „Rückzieher“ wurde anscheinend nicht überall richtig verstanden. Deshalb wiederholte der Garmischer Gemeinderat am 29. Dezember 1934 seinen Beschluss vom 19. Dezember um „eine irrtümliche Auslegung höheren Orts“ auszuschalten. Zusätzlich und demonstrativ wurden alle zuvor gefassten zustimmenden Beschlüsse (25. Juli 1933 - 8. Januar 1934 - 15. Oktober 1934 - 14. Dezember 1934) zurückgenommen. Deutlicher konnte die Vereinigung der Gemeinden nicht abgelehnt werden. Das Vereinigungskarussell drehte sich um eine weitere Runde. Diesmal war Garmisch abgesprungen.
30. Dezember 1934 – Was der Gauleiter erwartet Die Reaktion folgte schon am nächsten Tag: Ministerialrat Dr. Woerner vom Münchner Innenministerium teilte am 30. Dezember 1934 mit, dass sich auf Anordnung von Staatsminister und NS-Gauleiter Adolf Wagner der Garmischer NS-Kreisleiter Karl Hartmann, die Bürgermeister Josef Thomma (Garmisch) und Jakob Scheck (Partenkirchen) und der Fraktionsvorsitzende der NSDAP im Gemeinderat Garmisch, Engelbert Freudling, am 31. Dezember „vormittags 11.30 Uhr, im Vorzimmer des Herrn Minister einzufinden“ hätten. Woerner ließ die NS-Funktionäre bei diesem Telefongespräch auch nicht im Unklaren darüber, was Gauleiter Wagner von ihnen erwartete: Sie sollten ihm einen neuen Beschluss vorlegen, der die „disziplinwidrigen“ Beschlüsse der letzten Tage aufhob und die uneingeschränkte Vereinigungsbereitschaft wieder herstellte.
30. Dezember 1934 – Garmisch kann keine „Disziplinwidrigkeiten“ erkennen Am Abend vor dem unfreiwilligen Besuch in München tagte der Garmischer Gemeinderat, beriet ausführlich und konnte in seiner Haltung nichts Disziplinwidriges erkennen. Die Beschlüsse vom 19. und vom 29. Dezember 1934 wurden nicht zurückgenommen, die Vereinigung war damit nicht vollziehbar. Der Rat reklamierte die „Stimmung der Bevölkerung“ für seine Haltung, betonte noch einmal, dass man die Pläne der Gemeinde Partenkirchen aus wirtschaftlichen Erwägungen ablehne und berief sich auf die „Wahrung der Interessen der Gemeinde Garmisch.“ Dann fuhr die Delegation aus NS-Funktionären, Bürgermeistern und Ratsvertretern nach München ins Innenministerium.
31. Dezember 1934 – Garmisch erkennt die „Notwendigkeit der Vereinigung“ an Nach der Rückkehr aus München berichtete NS-Fraktionsvorsitzender Engelbert Freudling noch am Sylvesterabend vor Beginn der Sitzung den Garmischer Gemeinderäten über die „Verhandlungen“ im Innenministerium mit NS-Stabsleiter Köglmeier dem Vertreter von NS-Gauleiter Wagner, Ministerialrat Woerner und einem weiteren Beamten. Köglmeier berief sich auf Hitler. Der „Führer“ habe verlangt, alle „Hemmnisse“ vor den Olympischen Spielen ohne weitere Beratung zu beseitigen. Dann telefonierte Köglmeier mit Wagner, der sich gerade in seinem Haus bei Unterammergau aufhielt. Wagner drohte in diesem Telefonat damit, beide Gemeinderäte aufzulösen und die Bürgermeister zu entlassen. Falls die „disziplinwidrigen“ Beschlüsse nicht aufgehoben würden, wollte er außerdem veranlassen, den gesamten Gemeinderat Garmisch im Konzentrationslager Dachau in Haft zu nehmen. Diesen Drohungen folgte die Zusicherung Köglmeiers, die „Rathausfrage“ werde noch einmal in einem Arbeitskreis mit Oberregierungsrat Gablonski, den Bürgermeistern Thomma und Scheck, dem NS-Kreisleiter Hartmann und je einem Vertreter der Gemeinderäte untersucht. Der Beschluss, der jetzt zu fassen war – einstimmig natürlich - wurde noch in München von den Ministerialbeamten formuliert. Am 1. Januar 1935 spätestens 10 Uhr musste er im Ministerium vorgelegt werden. Nach dem Bericht Freudlings folgte die Gemeinderatsitzung. Die Drohungen wirkten. Am Sylvesterabend des Jahres 1934 beschlossen die Garmischer Räte einstimmig, die Notwendigkeit der Vereinigung der Gemeinden Garmisch und Partenkirchen anzuerkennen, den Beschluss vom 14. Dezember 1934 wieder herzustellen und die „disziplinwidrigen“ Beschlüsse vom 19., 29. und 30. Dezember 1934 aufzuheben. Das Protokoll endete mit der Bitte der Gemeinde Garmisch, der Gauleiter wolle „die Frage des Platzes für das neue Rathaus unabhängig von der Vereinigung noch einmal wohlwollend im Sinne der Gemeinde Garmisch zu prüfen.“
1. Januar 1935 – Vereinigt mit Wirkung vom 1. Januar 1935 Der Beschluss des Gemeinderates Garmisch traf wie gewünscht rechtzeitig im Staatsministerium in München ein. Damit war die Vereinigung der Gemeinden Garmisch und Partenkirchen zur Gemeinde Garmisch-Partenkirchen beschlossene Sache – „unter Bezugnahme auf die Beschlüsse des Gemeinderats Garmisch vom 14. und 31.12. 34 und des Gemeinderats Partenkirchen vom 7.12.34“ und mit Wirkung vom 1. Januar 1935.
3. Januar 1935 – Die neuen „Bürgervertreter“ – nicht gewählt, sondern ernannt Am 3. Januar 1935 ordnete das Bezirksamt Garmisch den Rücktritt der bisherigen Gemeinderäte und Bürgermeister an. Die neuen Bürgermeister und Gemeinderäte des Marktes Garmisch-Partenkirchen wurden nicht von den Bürgern gewählt, sondern vom Bezirksamt berufen – im „Einvernehmen mit der NS-Kreisleitung Garmisch-Partenkirchen“. Die erste Sitzung des neuen Gemeinderates fand am 4. Januar 1935 um 9.00 Uhr im Sitzungssaal des Bezirksamtes Garmisch statt.
4. Januar 1935 – Die erste Sitzung des neuen Gemeinderats Am Beginn dieser Sitzung verlas der Leiter des Bezirksamtes Dr. Wiesend die Entschließung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern zur Zusammenlegung der beiden Gemeinden. Dann folgte die Farce der Bürgermeisterwahl – die bereits vom Bezirksamt und dem höchsten lokalen NS-Funktionär bestimmten „Bürgermeister“ Jakob Scheck und Josef Thomma wurden von den zwanzig neuen Gemeinderatsmitgliedern einstimmig zum 1. bzw. zum 2. Bürgermeister „gewählt“. Die Bürger selbst hatten weder bei der Bestellung der Bürgermeister noch bei der der Gemeinderäte ein Wort mitzureden. Die neuen Amtsträger vertraten auch nicht die Interessen der Bürger, sondern die der nationalsozialistischen Partei.
Landrat Dr. Wiesend beendete diesen „Wahlakt“ mit einer Rede, in der er das kostbare Gut der kommunalen Selbstverwaltung preisgab, die Instrumentalisierung der olympischen Winterspiele zu Propagandazwecken für die NS-Diktatur in Deutschland offen aussprach und alle Kritiker der Gewalt, auch der erpressten Vereinigung von Garmisch und Partenkirchen, einschüchterte.
Nachbemerkung Es ging seit der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahre 1933 nicht um Garmisch und nicht um Partenkirchen und auch nicht um Garmisch-Partenkirchen. Der neue olympische Doppelort war nur ein Demonstrationsobjekt, dazu ausersehen, „innere Geschlossenheit, Kraft, Stärke und Größe des neuen Reiches“ unter Beweis zu stellen. Da störte das zweifache dörfliche Selbstbewusstsein und musste verschwinden. Das „einheitliche deutsche Vaterland“ sollte sich im vereinten Garmisch-Partenkirchen widerspiegeln. Mit Zwang und Drohung, mit Einschüchterung und Erpressung wurde die Vereinigung herbeigeführt. Die Bürger beider Gemeinden waren an diesem Prozess nicht beteiligt. Ihre Vertreter im Amt des Bürgermeisters und des Gemeinderats waren gleichgeschaltete Marionetten. Die letzten demokratisch legitimierten Gemeinderäte aus den Reihen der Bayerischen Volkspartei und der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands waren schon seit 1933 aus den Vertretungskörperschaften in Garmisch und in Partenkirchen hinausgedrängt und ausgeschlossen worden. Die nationalsozialistischen Ratsmitglieder, ernannt, nicht gewählt, beugten sich schließlich einem Argument, mit dem die NSDAP bisher ihre Gegner terrorisiert hatte – der Drohung mit dem Konzentrationslager Dachau. Im Dezember 1934 wusste man in Garmisch und in Partenkirchen also sehr genau, was sich hinter der damals fast alltäglichen Drohung „Halt`s Maul, sonst kommst nach Dachau“ verbarg. Nach 1945 wollte es kaum noch jemand gewusst haben.
Literatur: Josef Ostler, Garmisch und Partenkirchen 1870 – 1935. Der Olympiaort entsteht - Beiträge zur Geschichte des Landkreises Garmisch-Partenkirchen, Band 8 – Herausgegeben vom Verein für Geschichte, Kunst- und Kulturgeschichte im Landkreis Garmisch-Partenkirchen (Garmisch-Partenkirchen, 2000) S. 110-111
Quellen: Marktarchiv Garmisch-Partenkirchen - Akt Zwangsvereinigung Staatsarchiv München - LRA 61611 / Monatsbericht BAG an Reg. v. Obb.
Bilder: Archiv des Autors Marktarchiv Garmisch-Partenkirchen
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