Garmisch-Partenkirchen 1945-1949 - Die ersten Jahre nach Diktatur und Krieg

 

 

 

 

 

Georg Schütte (*15.08.1895 in München, +23. Januar 1959 in Garmisch-Partenkirchen) lernte in München den Beruf des Elektrokaufmanns im technischen Büro der Siemens-Schuckert-Werke. 1912 übernahm er im Partenkirchner Elektrizitätswerk Partnach Buchhaltung und Lagerführung und wurde Geschäftsführer. 1912 wurde er Mitglied der SPD, zunächst in München, dann in Partenkirchen. 1915/16 war er Soldat im Ersten Weltkrieg in der  Königlich-Bayerischen Fernsprech-Ersatz-Abteilung München. 1916 heiratete er Anna Schütte.

Im November 1918 wurde er in den Volksrat für den Bezirk Garmisch gewählt. Seit 1924 war er Mitglied des Gemeinderates Partenkirchen und des Bezirkstages Garmisch. 1925 gründete er ein Zigarren-Spezialgeschäft und 1929 die Firma „Werdenfelser Kohlenvertrieb“. Seit 1929 war er 2. Bürgermeister von Partenkirchen. Für Schütte begann eine umfassende Tätigkeiten im kommunalen Leben in der Kurverwaltung, im Olympischen Ausschuss, im Aufsichtsrat der Wankbahn, im Sparkassenausschuss.

1933 wurde er von den Nazis im Zuge der Gleichschaltung zum Rücktritt von allen öffentlichen Ämtern gezwungen. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges gehörte er mit Rechtsanwalt Carl Roesen und Pater Johannes von Ettal einer Gruppe an, die Vorbereitungen traf für den Fall des NS-Zusammenbruchs.

Anfang Mai 1945 wurde er von US-Militärgouverneur Major Herbert L. Snapp in das Amt des Kommissarischen Bürgermeisters für Garmisch-Partenkirchen eingesetzt. Nach den ersten Kommunalwahlen im Januar 1946 wurde Schütte vom Gemeinderat zum 2. Bürgermeister gewählt - mit gleichen Rechten und Pflichten. 1946 kandidierte Schütte zu den Landtagswahl für die SPD im Stimmkreis Garmisch-Partenkirchen, Bad Tölz, Schongau, Starnberg und blieb Landtagsabgeordneter bis 1950.

In den folgenden Jahren war er Zweiter Vorsitzender des Fremdenverkehrsverbandes München-Oberbayern, Mitglied des Hauptausschusses des deutschen und bayerischen Landesfremden-verkehrsverbandes, Mitglied des Hauptausschusses des deutschen und bayerischen Städteverbandes und Vorsitzender des Fremdenverkehrsausschusses des Bayerischen Städteverbandes. 1948 wurde Georg Schütte vom Gemeinderat zum ehrenamtlichen Bürgermeister gewählt. 1952 unterlag er seinem Konkurrenten Josef Zwerger. Damit endete die zweite Amtsperiode. Sie war gekennzeichnet von dem Bestreben, nach den zwölf Jahren der Diktatur und des Krieges die kommunale Demokratie zu festigen und mit dem Fremdenverkehr die wirtschaftliche Existenz von Garmisch-Partenkirchen zu sichern.

Er verstand sich als Vorkämpfer für soziale Gerechtigkeit, Fürsorge und Toleranz, als tätiger Förderer moderner Fremdenverkehrseinrichtungen. Er war langjähriger Präsident des Sportclubs Rießersee, erster Vorsitzender des Ski-Clubs Partenkirchen und Mitglied des Sportkomitees  Garmisch-Partenkirchen.

1956 kandidierte Schütte erneut und konnte auf den Bürgermeistersessel zurückkehren. 1958 wurde er in den Bezirkstag Oberbayern gewählt.

Am 23. Januar 1959 erreichte die Bürger der Marktgemeinde und die Mitglieder der SPD die traurige Nachricht, dass ihr geachtetes Gemeindeoberhaupt und ihr zuverlässiger Ratgeber und Wegweiser im Alter von 63 Jahren unerwartet gestorben war. Seine langjährige Amtszeit als Bürgermeister von Garmisch-Partenkirchen war zutiefst geprägt von Toleranz und Menschlichkeit.

 

 

 

 

 

 

Aus den Stimmungsberichten von Bürgermeister Georg Schütte
an den Sicherheitsoffizier der US-Militärregierung Garmisch-Partenkirchen 1945 bis 1949

 

26.11.1945
Das Wesentliche ist für die nächste Zeit gesichert

„Die allgemeine Lage in Garmisch-Partenkirchen ist gekennzeichnet durch die Auswirkungen der hinter uns liegenden umwälzenden Ereignisse… Die Tatsache, dass Garmisch-Partenkirchen von allen äußeren Zerstörungserscheinungen verschont geblieben ist, hat dazu geführt, dass ein ungeheurer Strom von Flüchtlingen und Obdachlosen aus zerstörten Gebieten sich hier zusammenballt. Dies führte zeitweise zu ernsten Besorgnissen im Bezug auf die Versorgung der Gesamtbevölkerung mit Lebensmitteln.

Das politische Leben läuft hier langsamer als anderswo an. Dies ist zurückzuführen auf eine allgemeine politische Uninteressiertheit, die nach der überstandenen Enttäuschung durch den Nationalsozialismus Platz gegriffen hat. Die ansässige Bevölkerung ist im Grunde genommen konservativ eingestellt und politische uninteressiert. Bisher trat lediglich die sozialdemokratische Partei in die Öffentlichkeit. Sie wurde durch die Militärregierung als erste politische Partei zugelassen

Die wirtschaftliche Lage in Garmisch-Partenkirchen ist im Wesentlichen für die nächste Zeit gesichert. Umfangreiche Einlagerungen an Bodenfrüchten und eine weise Vorratspolitik des Wirtschaftsamtes sichern die Hauptgrundlagen der Ernährung für die nächste Zeit. Eines der wichtigsten Sorgenkinder, die Brennstofffrage, wurde hier durch rechtzeitigen Hinweis der Bevölkerung auf die Möglichkeiten der Selbstversorgung durch Lesen von Sammelholz und der Selbstaufarbeitung von Holz aus den Wäldern befriedigend gelöst.

Die Wohnraumfrage in Garmisch-Partenkirchen ist völlig unbefriedigend…. Betreffs der Preisfrage sind die Wohnungen viel zu teuer gegenüber anderen Orten. Der Stopppreis liegt aus dem Jahre1936, als in Garmisch-Partenkirchen die Winterolympiade stattfand, zugrunde, wodurch eine Preisüberforderung vorausging… Der ortsübliche Preis für eine Wohnung, bestehend aus einer Küche und zwei Zimmer, beträgt 70.- RM bis 130.- RM, also für einen Arbeiter oder Angestellten unerschwinglich.

Die Verkehrsverhältnisse sind heute besser als vor einigen Wochen. Es verkehren täglich zwei Züge nach und einer von München… darüber hinaus reist ein sehr erheblicher Teil mittels LKW… jeden Dienstag früh fährt ein Omnibus der Fahrbereitschaft Garmisch-Partenkirchen früh nach München und abends zurück. Der Lebensmittelverkehr erfolgt überwiegend durch die Bahn.

Das Verhältnis der Bevölkerung zur Besatzungstruppe ist als gut zu bezeichnen… Die Erlasse und Gesetze der Militärregierung, die wöchentlich der Bevölkerung durch ein Nachrichtenblatt der Militärregierung und durch die Presse zugängig gemacht werden, werden voll respektiert. Vorkommende Übergriffe werden in der Hauptsache von nichtortsansässigen Elementen, vorwiegend Ausländern und Flüchtlingen aus ganz Deutschland, verübt. Es handelt sich meistens um Diebstähle von Bedarfsgut wie Kleider, Lebensmittel usw.. Anlass zu ernsten Besorgnissen geben vor allem die hierher geflüchteten weiblichen Personen, die sich ohne Arbeit hier aufhalten und sich durch Prostitution ihren Unterhalt verschaffen. Dies führt zu einem erheblichen Anwachsen der Geschlechtskrankheiten.

Der größte Prozentsatz unter den Flüchtlingen wird von der Jugend gestellt, die angeblich auf der Suche nach ihren Eltern und Angehörigen sind.

… (Es) erscheint immer wieder das Gerücht von einem evtl. kommenden Krieg. Auch die Atombombe gibt Anlass zu den abwegigsten Gerüchten. Die Mehrzahl dieser Gerüchte wird durch Personen ausgestreut, die dem Nationalsozialismus einst sehr nahe standen.

Die reibungslose Zusammenarbeit zwischen Militärregierung und Behörden wirkt sich segenbringend für Garmisch-Partenkirchen aus.

Als lokales Ereignis für die ortsansässige Bevölkerung ist noch die Einholung der neuen Kirchenglocken von Partenkirchen und die Weihe derselben durch den H.H. Abt vom Kloster Ettal zu erwähnen."

 

 

29. April 1945 - Einmarsch der US-Truppen
 in Garmisch-Partenkirchen vor dem Sorge-Haus

1. Mai 1945 - Parade der US-Truppen
vor dem Rathaus des Marktes Garmisch-Partenkirchen

 

28.11.1945
Kaum Kleider und Schuhe für Kinder und Jugendliche

„Seit dem Einmarsch der alliierten Truppen sind sämtliche Spinnstoff und Schuhgeschäfte geschlossen. Bei der Jetzt vorschreitenden kalten Jahreszeit ist es untragbar, dass für Kinder keinerlei Spinnstoffe und Schuhe zu Verkauf kommen, da ja unsere Buben und Mädl ihre Bekleidung auftragen können bald die heranwachsenden Jugend im Hemd und barfuß in die Schule gehen."

 

27.02.1946
Ernährungslage

"Die Klagen über die unzureichende Ernährung werden immer lauter. Es fehlt an allem. Zu wenig Fett, Fleisch, kein Zucker, kein Obst, kein Gemüse. Am schlimmsten sind die Kinder dran… Sehr viel wird über die Einteilung der Wurstwaren in zwei Kategorien – Wurst auf halbe und Wurst auf ganze Marken – geklagt. Wo ist die Grenze, welche Wurst darf auf halbe und welche Wurst darf auf ganze Marken abgegeben werden?

Statistik:

28 Diebstähle

65 Geschlechtskranke"

 

22.07.1946
Ängste, Zusammenbrüche

"Der völlige wirtschaftliche, geistige und moralische Zusammenbruch zeichnet sich erst jetzt immer mehr an allen Dingen ab. Die Masse der Menschen schwebt in einer dauernden Angst vor kommenden Dingen."

 

03.08.1946
Politisches Desinteresse

"Große Teile der Bevölkerung sind an dem politischen Geschehen völlig uninteressiert. Wenn nicht bald gegen den Schwarzhandel etwas unternommen wird, dann kann man von einem anständigen Geschäftsgebaren weiter Kreise nicht mehr sprechen."

 

02.09.1946
Folgen des Krieges

"Ein schwerer Druck lastet auf dem Volke. Immer mehr zeichnen sich die Folgen des irrsinnigen Krieges ab. Sehr froh ist man über die in letzter Zeit durchgeführte Verteilung von amerikanischen Zusatzlebensmitteln. Besonders freut man sich über das Eipulver und das Eispulver. Leider bekommen unsere Kleinkinder wieder nichts.

Das Interesse an der Parteienarbeit ist unter dem Durchschnitt. Die Kriminalität in Garmisch-Partenkirchen steht über dem Durchschnitt."

Statistik: 19 Diebstähle, 1 Raubüberfall, 14 Fahrraddiebstähle

 

28.09.1946
Byrnes-Rede in Stuttgart

"Durch die große Rede des amerik. Außenministers Byrnes in Stuttgart und das Stalin-Interview ist die allgemeine Lage anscheinend entspannter geworden. Mit großer Freude hat man die kommende Erhöhung in der Lebensmittelzuteilung auf 1500 Kalorien zur Kenntnis genommen. Der Ortsbus ist nach wie vor ein dringendes Bedürfnis, vor allem für die Schulkinder."

 

28.10.1946
Verfassung für Bayern

"Das Interesse für die Bayerische Verfassung ist rege. Am Ort wird allgemein als Lücke empfunden, dass in der Zeit von .20 bis 10.50 Uhr keine Zugverbindung nach München besteht. Der Abgang eines Personenzuges von hier nach München wäre sehr zu empfehlen. Ganz besonders wird ein Omnibusverkehr zwischen den Ortsteilen Garmisch und Partenkirchen verlangt. Die Bevölkerung würde sehr viel Schuhwerk und Zeit einsparen."

Statistik: 26 Diebstähle, 1 Schwarzhandelsvergehen"

 

24.11.1946
Kriminalstatistik

Statistik: 11 Diebstähle, 6 Fahrraddiebstähle, 2 Diebstähle von US-Eigentum, 6 Landstreichereien, 3 Hehlereien, 1 Besitz von US-Dollars, 3 Herumstreunen, 2 Schwarzhandelsvergehen

 

09.12.1946
Kriminalstatistik

Statistik: 4 Einbruchdiebstähle, 1 Straßenraub, 27 Diebstähle, 10 Fahrraddiebstähle, 6 Landstreichereien, 1 Schwarzhandelsvergehen

 

20.01.1947
Hochstapler

"Ein angeblicher Baron von Hollert, der sich als Beauftragter für die Verteilung von Liebespaketen ausgab und sich Schweizer Staatsangehöriger nannte, verübte einen Darlehensbetrug und erschwindelte sich die Zuzugsgenehmigung und Lebensmittelkarten. Der Täter ist flüchtig."

 

09.02.1947
Allgemeine Lage trostlos

"Allgemeine Lage: Unverändert aussichtslos, Hunger und Kälte zeichnen das Gesicht der Zeit."

 

02.05.1947
Ernste Ernährungssituation

"Die nochmalige Kürzung der Lebensmittel, insbesondere der Fettzuteilung gibt zu ernsten Besorgnissen Anlass. Nach ärztlichen Berichten sind die Patienten stark abgemagert und besonders ältere Leute Infektionen stark ausgesetzt. Hungerödeme sind bisher nicht aufgetreten. Durch die letzten Häuserbeschlagnahmungen (ist) Unruhe in die Bevölkerung gekommen ist."

 

16.05.1947
Keine Fahrradreifen

"Entfernt gelegene Arbeitsstätten können nicht mehr aufgesucht werden, weil es an Fahrradbereifung fehlt."

 

31.05.1947
Radfahrer

"Als besonders angenehm wird empfunden die Freigabe der Straße zwischen Festsaal und Marienplatz für Radfahrer. Die angekündigte Schulspeisung wurde überall dankbar begrüßt."

 

27.06.1947
Fremdenverkehr

"Der Fremdenverkehr liegt völlig darnieder. Die Nachfrage sehr groß geworden. Eine Zuweisung von Zimmern ist aber in keinem Fall mehr möglich, da die zur Verfügung stehenden Betten fast ausschließlich für die Forderungen der Mil. Regierung und Behörden in Anspruch genommen sind, so dass die zu vergebenden Betten (20%) ständig belegt sind."

 

10.07.1947
Ernähungslage

"In Gaststätten und Privathaushalten fehlen zur Zeit als wichtigste Nahrungsmittel die Kartoffeln, so dass einzelne Gaststätten schon gezwungen wurden zeitweise zu schließen.

Aus der russischen Zone treffen Einzelpersonen ohne Interzonenpass ein, welche versuchen, hier Wohnung zu nehmen.

Unter dem Begriff „Erholungssuchende" tarnen sich Schwarzhändler, Schieber und zweifelhafte Mädchen. Die anständige Bevölkerung würde eine Razzia unter Mithilfe der MP nur begrüßen.

Die Freigabe des Festsaales und einiger Hotels wurde dankbar aufgenommen."

 

25.07.1947
Marshallplan

"Vom Projekt des Marshallplans erwartet die Bevölkerung, nachdem die vielen Konferenzen und Verträge keine nennenswerte Hilfe gebracht haben, nicht viel. Es fehlt auch nicht an Stimmen, die in jeder internationalen Abmachung ein Mittel sehen, Deutschland niederzuhalten. Die Ernährungshilfe der USA wird in der Ausgabe von Weißbrot, Kochmehl … dankbar anerkannt. Kartoffel sind nach wie vor sehr knapp.

Der Ort wird z. Zt. von zahlreichen Erholungssuchenden und Urlaubsreisenden überflutet. Es ist fast unmöglich, die hierdurch erhöhte Anforderung von Lebensmitteln bereitzustellen. Es ist auch nicht möglich, diese Personen in Quartieren unterzubringen, so dass viele im Freien oder in Heustädel übernachten. Der illegale Zustrom aus der Ostzone hält weiter an."

 

13.11.1947
Ernährungslage

"Die durch die schlechte Ernährungslage bedingte Apathie in politischer Hinsicht ist in den letzten Wochen durch das Herannahen der Londoner Konferenz modifiziert worden. Weite Kreis der Bevölkerung glauben nicht, dass die Londoner Konferenz die Vereinigung aller Zonen Deutschlands bringen wird. Man erhofft jedoch, dass die westlichen Zonen zusammengeschlossen werden können.

Fast alle Betriebe handwerklicher und industrieller Natur sind durch die Stromabschaltungen gehemmt und können nur einen Bruchteil ihrer normalen Produktion fördern."

 

25.11.1947
Wohnungsprobleme

"Durch die erneute Beschlagnahme von mehreren Wohnhäusern für die Besatzungsmacht ist eine erhebliche Unruhe in die Bevölkerung gekommen. Die Beziehungen zwischen der Bevölkerung und Besatzungsmacht bleiben unverändert gut. Mitunter wird der übermäßige Besuch von Angehörigen der Besatzungsmacht in deutschen Wohnungen bei deutschen Mädchen als störend empfunden. Vielfach handelt es sich dabei um Mädchen, die sich keines guten Rufes erfreuen."

 

02.12.1947
Militärgouverneur van Buskirk

"Der neue Direktor der Militärregierung (Oberst van Buskirk) für den Landkreis Garmisch-Partenkirchen erfreut sich bei der Bevölkerung großer Beliebtheit. Dies führt leider dazu, dass alle möglichen und größtenteils unberechtigten Beschwerden und Anliegen an den Gouverneur herangetragen werden und dass vielfach die Verwaltungsstellen mit diesem Gang zum Gouverneur bedroht werden.

Gründung der Bayernpartei für den Kreis Garmisch-Partenkirchen - dieser Partei wird für den hiesigen Ort keine große Erfolgsausicht eingeräumt, weil der Kur- und Sportort Garmisch-Partenkirchen auch auf den Fremdenverkehr aus Norddeutschland angewiesen ist."

 

1948 Kenneth E.van Buskirk -
US-Sportsonderberater
in Garmisch-Partenkirchen

Anzeige im Hochlandboten
nach der Gründung der Bayernpartei
im November 1948

 

18.02.1948
Londoner Verhandlungen

"Die neuerlichen Verhandlungen über Westdeutschland in London erwecken wenig Anteilnahme. Die Fettkürzung hat starke Niedergeschlagenheit in der Bevölkerung verursacht. Die Ernährungslage ist weiterhin verzweifelt schlecht."

 

07.04.1948
Marshallplan

"Die nunmehrige Verwirklichung des Marshallplanes und die Einbeziehung Deutschlands lösten in der Bevölkerung tiefe Befriedigung aus. Die Bevölkerung erhofft daraus vor allem eine Besserung der Ernährungslage.

Das Interesse an den kommenden Gemeinde- und Kreistagswahlen ist in der Bevölkerung teils rege, teils aber auch ganz negativ. Man will nichts mit politischen Wahlen zu tun haben und wundert sich über die schon wieder erkennbare Parteienzersplitterung."

 

27.04.1948
Abschied von van Buskirk

"Mit großem Bedauern hat die Einwohnerschaft von Garmisch-Partenkirchen den bisherigen Gouverneur Kenneth E. Buskirks scheiden sehen."

 

05.05.1948
Bayernpartei

"Der Wahlerfolg der Bayernpartei ist darauf zurückzuführen, dass 1. zuviel außerbayerische Nichtstuer sich hier aufhalten und 2. dass Bayern sich durch Frankfurt benachteiligt fühlt.

Große Erbitterung herrscht in der Bevölkerung über die andauernden Einbrüche, besonders aber über den Raub von kostbarem Kirchengerät aus der Garmischer Pfarrkirche. Man vermutet die Täter in den Kreisen der DPs. Es erregt bei der Bevölkerung Ärgernis, wenn DPs, die besser versorgt werden als deutsche Normalverbraucher an Werktagen müßig in größeren Ansammlungen an öffentlichen Straßen und Plätzen umherstehen."

 

19.05.1948
Israelisch-palästinensischer Krieg

"Die kriegerischen Vorgänge in Palästina werden von der Bevölkerung mit großem Interesse verfolgt. Eine aktive Stellungnahme dazu erfolgt jedoch in der Bevölkerung im Allgemeinen nicht. Der Umzug der jüdischen Kultusgemeinde anlässlich der Staatsgründung erweckte keine Anteilnahme."

 

07.07.1948
Währungsreform

"Die Stimmung der Bevölkerung steht unter den Eindrücken der Währungsreform. Wenn auch eine Abwertung 1:10 erwartet wurde, ist man doch sehr enttäuscht, weil jede Staffelung der Abwertung zugunsten der kleinen Sparer fehlt. Man stellt Vergleiche mit der Reform in der Ostzone an und findet diese in mancher Beziehung sozialer…

Die Frankfurter Dokumente haben keinen freudigen Widerhallt gefunden. Das Besatzungsstatut wird als Rückschritt und die Errichtung einer westdeutschen Regierung als überflüssig betrachtet, weil dieser Regierung der Außenhandel und die Auslandsvertretung vorenthalten bleiben."

 

21.07.1948
Währungsreform

"Die Auswirkungen der Währungsreform stehen noch im Vordergrund des Interesses. Jedoch werden auch die günstigen Folgen der Reform anerkannt. Man erhält nun wieder allerhand für sein Geld und wundert sich nach wie vor über das ungeahnte Ausmaß der Warenhortung.

Seit 10 Tagen wird das Straßenbild von den zurzeit auf Erholung hier weilenden Truppeneinheiten der Besatzungsmacht beherrscht. Der erste Teil hat durch starkes Hervortreten betrunkener Soldaten in der Öffentlichkeit, sowie durch Lärmen, Einschlagen von Fenstern und anderem Unfug keinen guten Eindruck bei der Bevölkerung hinterlassen. Ein Teil der Geschäft hat durch den Massenbesuch erhebliche Einnahmen zu verzeichnen."

 

18.08.1948
Gewerkschaften

"Nur die Gewerkschaften treten durch Aktionen für wirtschaftliche Besserung der Lebensmittelverhältnisse und gegen die hohen Preissteigerungen derzeit sehr in Erscheinung. Zu Ausschreitungen wir in anderen Städten ist es bisher noch nicht gekommen.

Der Befehl der Militärregierung für den unentgeltlichen Schulbesuch wurde von der Bevölkerung freudig begrüßt. Das Erscheinen von einigen amerikanischen Düsenjägern über Garmisch-Partenkirchen in letzter Zeit hat bei der Bevölkerung besorgte Verwunderung ausgelöst."

 

06.10.1948
Währungsreform

"Die Herabsetzung der Festgeldkonten hat große Bestürzung hervorgerufen. Anfangs hat die Freigabe des Vollbieres durch die Militärregierung große Freude verursacht. Jedoch ist die Kauffreude nun weniger groß, seit die hohe Biersteuer zur Einführung gelang."

 

21.10.1948
Währungsreform

"Die zweite Entwertung der Altgeldguthaben (auf insgesamt nun 6 %) hat weiten Kreisen die letzte Hoffnung auf Verbesserung ihrer Lebensführung durch Verbrauch ihrer Ersparnisse genommen.  Die beabsichtigte Sammlung für die Währungsgeschädigten wird durchwegs abgelehnt, weil ja die Geber zum größten teil selbst zu den Währungsgeschädigten zählen.

Man ist der Ansicht, dass ein neuer Krieg sich nicht wird vermeiden lassen. Man glaubt nicht, dass der Westen den ersten Stoß des Ostens wird aufhalten können. Die Geschäftswelt nützt die Notlage aus. Ohne Rücksicht auf die soziale Gesichtspunkte steigert sie die Preise."

 

04.11.1948
Ost-West-Konflikt

"Jeder weiß, dass wir eben noch keinen Frieden haben. Die befremdenden Maßnahmen in der Ostzone erwecken in der Bevölkerung allgemein die Überzeugung, dass es ohne Machtauseinandersetzung nicht abgehen wird. Die Verhandlungen in Bonn erregen wenig Anteilnahme."

 

18.11.1948
Heizung

"Im Hinblick auf den nahenden Winter, dem Viele zusammengedrängt in unzulänglichen, oft kalten Räumen und ohne geldliche Möglichkeit, Wintervorräte zu kaufen, entgegensehen, ist die Stimmung besonders unter den Evakuierten, Flüchtlingen und Währungsgeschädigten sehr erbittert."

 

01.12.1948
Berlin-Frage

"Die Stimmung ist gedrückt. Die Zuspitzung der Lage in Berlin wird mit Interesse verfolgt. Man weiß, dass von dieser Entwicklung das weitere Schicksal der Westzonen abhängt.

Dass die bisherigen Maßnahmen gegen die Preissteigerungen wie Streiks noch keinen Erfolg für die minderbemittelte Bevölkerung gebracht haben, ist für weite Kreise enttäuschend. Man versteht die verantwortlichen Stellen und Behörden nicht, dass sie keine Mittel und Wege gegen diesen Preisterror finden."

 

15.12.1948
Berlin und Ostzone

"Die Maßnahmen in der Ostzone und in Berlin werden mit Interesse verfolgt. Man ist der Ansicht, dass das Schiebertum in altem Maße blüht. Ein Bericht im Hochlandboten Nr. 115 vom 11.12.1948 „Uns ist der Kragen geplatzt", der an eine Aufforderung zum Aufruhr grenzt, zeigt, dass die ehemaligen Pg wieder sehr aktiv sind."

 

06.12.1948
Strom- und Wassermangel

"Garmisch-Partenkirchen leidet zur Zeit an großer Strom- und Wassernot. Die Anlagen, die für eine Versorgung von 17000 Einwohnern geplant sind, reichen für die jetzigen 27000 Einwohner und insbesondere für die Versorgung der Besatzungsmacht nur noch teilweise aus."

 

01.02.1949
Flüchtlinge

"In der Öffentlichkeit und auch in Flüchtlingskreisen besteht große Verärgerung über die beabsichtigte weitere Einschleusung von Flüchtlingen nach Garmisch-Partenkirchen.

Die Beratungen über das kommende Grundgesetz in Bonn werden mit Misstrauen verfolgt. Es besteht die Tendenz, für Bayern eine möglichst weitgehende Selbständigkeit unter Anlehnung an den Zustand vor 1918 zu erreichen. Man befürchtet, dass das Grundgesetz sehr stark von den Ideen des Preußentums beeinflusst wird."

 

02.03.1949
Junge
Demokratie, Besatzungsmacht und alte Nazis

"Man (ist) der Ansicht, dass es mit unserer Demokratie nicht weit her sein kann, nachdem die Besatzungsmächte in letzter Zeit wiederholt durch Erlass von Gesetzen entgegen dem Willen unserer parlamentarischen Vertretungen in die Gesetzgebung eingegriffen haben. Dabei betrachtet man die Gesetzgebung als das vornehmste Recht der Demokratie. Die demokratischen Kreise können der Meinung des Generals Clay, dass der Nazismus in Deutschland erledigt sei, nicht beistimmen."

 

06.04.1949
Notopfer Berlin

"Die Weitererhebung des Notopfers Berlin wird ungünstig beurteilt. Man betrachtet den Streit um Berlin als eine Angelegenheit west-östlicher Gegensätze, für die das deutsche Volk die Kostenn zu tragen hat.

Das Forum ist sehr umstritten. Man ist der Ansicht, dass der Rahmen einer Bürgerversammlung bereits gesprengt ist und dass durch die Veranstaltung in erster Linie die KPD durch die Möglichkeit zu einer Propaganda vor einem größeren Kreis profitiert. Auch der Gegensatz zwischen Alt- und Neubürger erfährt durch das Forum eine Verschärfung. Die Einrichtung mag sich in den USA bewähren. Im verarmten Deutschland, wo zu viele Gegensätze auf zu engem Raum sich berühren, die Demokratie verlernt worden ist und der persönliche Abstand im politischen Kampf verloren gegangen ist, bleibt das Forum ein Risiko.

(Es wird) heftig kritisiert, dass der Flurschaden durch das Lager der 1. Division im Juli vorigen Jahres in der Tegernau noch nicht ausbezahlt wurde, obwohl die betreffenden Landwirte dadurch in Schulden geraten sind.

(Man) kritisiert, dass die von der Besatzungsmacht beschlagnahmten Hotels und Privatwohnungen zum Teil unterbelegt sind."

 

18.05.1949
Grundgesetz

"Selbst so bedeutende Ereignisse wie die Verabschiedung des Grundgesetzes, die Aufhebung der Berliner Blockade und die bevorstehende Außenministerkonferenz vermögen keine große Anteilnahme bei der Bevölkerung zu erwecken. Heftig kritisiert wird … die Weitererhebung des Berliner Notopfers. Die Bevölkerung steht teils negativ teils positiv den Grundgesetz gegenüber, erwartet aber zum größten Teil eine Volksabstimmung über das Grundgesetz."

 

01.06.1949
Gründung der Bundesrepublik Deutschland

"Die neu geschaffene Bundesrepublik erfreut sich noch keiner großen Beliebtheit. So sah man anlässlich der Festbeflaggung der letzten Tage nur eine einzige schwarz-rot-goldene Fahne.

Es wird viel darüber geklagt, dass ein Kurort wie Garmisch-Partenkirchen so wenig öffentliche Badegelegenheiten hat, und es wird allgemein der Wunsch beäußert, dass die Besatzungsmacht das Kainzenbad wenigstens wieder tageweise für die Bevölkerung freigeben möchte."

 

22.06.1949
Demontagen

"Die Wiederaufnahme der Demontagen in Westdeutschland hat auch hier großes Aufsehen erregt und man hegt ernste Zweifel an dem guten Willen der Westmächte.

Die Parteien haben durch große programmatische Erklärungen, denen aber hier nicht allzu große Bedeutung beigemessen wird, den Wahlkampf eröffnet."

 

27.07.1949
Auswanderung von Mitgliedern der jüdischen Kultusgemeinde

"Die in der Auswanderung begriffenen Mitglieder der jüdischen Kultusgemeinde hinterlassen außer erheblichen Mietrückständen auch Wohnungen und Möbel in einem kaum mehr brauchbaren Zustand. Den Vorbesitzern entstehen erhebliche Kosten, deren Ersatz trotz aller Vorstellungen bis jetzt noch nicht geregelt ist.

(Derzeit) befinden sich am Ort ca. 1000 Arbeitslose.

Die Durchführung des Kistelwagenrennens hat bei der Bevölkerung großen Anklang gefunden. Man sieht darin einen praktischen Beitrag der Besatzungsmacht zur Jugenderziehung."

 

25.08.1949
Arbeitslosigkeit

"Arbeitslosigkeit (ist) unverhältnismäßig hoch. (Die) Wahlbeteiligung (liegt) mit 71 % (Bundestag) wesentlich unter dem Durchschnitt. Erhebliches Anwachsen der FDP und WAV-Stimmen."

 

07.09.1949
Bundestagswahlen

"Die ohnehin mangelnde Teilnahme der Bevölkerung an politischen Ereignissen ist seit den Bundestagswahlen fast vollkommen abgeflaut. Auch die weitere Entwicklung der Bundesregierung, der Bundesorgane und der heutige Zusammentritt des Bundestages zu seiner 1. Sitzung wird von der Allgemeinheit mehr oder weniger als Nebensache angesehen."

 

05.10.1949
Geringes politisches Interesse

„Die Bevölkerung zeigt wenig Interesse am politischen Geschehen. Die bevorstehende Bildung einer Ostregierung wird als Beweis einer endgültigen Trennung Deutschlands angesehen. Die Durchführung der Demontagen wird auch hier scharf verurteilt."

Zitat aus einem Gewerkschaftsorgan vom 15.09.1949:

„Ich sehe auf Grund meiner Erfahrungen immer mehr aufrechte Demokraten sich von der politischen und gewerkschaftlichen Arbeit zurückziehen. Sie glauben, es habe keinen Sinn, sich noch für die Demokratie einzusetzen, weil nicht etwa die demokratischen Kräfte in Deutschland die Unterstützung der Siegermächte bekommen, sondern die reaktionären Kräfte auf Grund ihrer vorzüglichen Verbindungen im In- und Ausland bereits wieder Posten bezogen haben und beziehen durften, die keine Gewähr dafür zu bieten scheinen, dass die Demokratie in Deutschland – kaum geboren – noch lange leben kann."

In diesem Zusammenhang wird auch darauf hingewiesen, dass die Beschäftigung ehemaliger deutscher Generale und deren Angehörige bei der Besatzungsmacht ungünstig aufgenommen werden.

Durch die von der Besatzungsmacht festgesetzte DM-Abwertung wird eine weitere Teuerung und weitere Senkung des Lebensstandards befürchtet."

 

Quelle: Archiv der Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen - Stimmungsberichte - Schachtel 38

 

© Alois Schwarzmüller 2015