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Garmisch-Partenkirchen 1945-1949 - Die ersten Jahre nach Diktatur und Krieg |
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"Casa Carioca" - ein amerikanischer Eislaufpalast zwischen Wank und Zugspitze (1946-1970)
20.08.1946 Der amerikanische Nachtklub Casa Carioca wurde am 17. August 1946 in unmittelbarer Nähe des Olympiaeisstadions eröffnet. Hochlandbote 20.08.1946
1947 "CARIOCA ist die Bezeichnung für einen Modetanz, benannt nach den Einwohnern Rios. Die Nachkriegswirren begannen und die Währungsreform stand kurz bevor. Bayern war von den Amerikanern besetzt, eine Militärregierung war eingesetzt. Das Volk war mit Aufräumen beschäftigt und wollte den großen Krieg schnell vergessen. Die US-Armee war allgegenwärtig und allmächtig, spielte sich aber nie als Unterdrücker und rachelüsterner Sieger auf. Das hatten die Bayern schnell begriffen und nicht wenige verstanden es umgehend, sich mit den Besatzern zu arrangieren und für sich persönlich - nicht etwa für die Anderen - ein schwungvolles Aufwärts einzuleiten. Andere überpinselten ihre braune Vergangenheit mit freundlichen Farben und wurden nach und nach von den Amerikanern in die alten Schalt- und Waltstellen eingesetzt. CASA CARIOCA erinnert an diese Zeit. Die schlechte Versorgungslage der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Gebrauchsgütern erzeugte einen gigantischen Schwarzmarkt, an dem sich jeder der essen wollte, beteiligen musste. Die Skala der Beteiligten ging vom Großschieber über den Schwarzhändler bis hinunter zu den kleinen Schiebern, den Gelegenheitsdieben und dem Heer der Hamsterer. CASA CARIOCA möchte aus dieser Zeit erzählen. Trotzdem war es keine dunkle Zeit. Keine pessimistische Zeit, man spürte, es ging aufwärts. Das Schlimmste war überstanden, und man sah und staunte über diese Amerikaner, die so lässig waren, so verschwenderisch und so anders. Sehr bald versuchten die Ersten zu sein wie sie. Es waren sehr lächerliche Versuche darunter. Man begann gespreizt und unbeholfen die Kaugummi- und Cola-Kultur zu übernehmen." Quelle: http://www.grattler-oper.de/Projekte/Casa_Carioca/casa_carioca.html
1947 Naheliegend als Arbeitgeber waren die US-Amerikaner, die sich diese schöne Gegend als Erholungsgebiet (Recreation Center) für die Besatzungssoldaten ausgesucht hatten. Zur Finanzierung von Lebensunterhalt und Studium arbeitete ich nicht nur während der Semesterferien, sondern auch während des Studiums, meistens in Einrichtungen der US-amerikanischen Streitkräfte: als Verkäufer in der Commissary und im Clothingstore, im Eibseehotel (zuerst als Page, dann Portier), als Fahrer eines Colonels und Gärtner, Prüfer im Construction-Office, Barmixer, Bauarbeiter und Büroangestellter... Die ersten Trinkgelder nach dem Abitur erhielt ich in einem Lebensmittelladen, der Commissary, am Fruchtstand, fürs Aufheben und Beiseitelegen von Obst und Gemüse. Aber welche Ängste stand ich aus, wenn ich in der Mittagspause 100 gr. Kaffee für meine Mutter herausschmuggelte. Diebstahl wurde mit sofortiger Entlassung und Einstellungssperre geahndet. Die nächste Station war der Kleiderladen (clothing store) und danach das construction office in der Mac Graw Kaserne, dem Hauptquartier der Amis. Dort prüfte ich alle Baumaßnahmen im Raum Garmisch auf Übereinstimmung mit den Bauzeichnungen... Meine Englischkenntnisse waren durch den Kontakt mit Amerikanern schnell besser geworden. Wir Luftwaffenhelfer hatten noch während des Krieges als Hoffnung auf eine problemlose Zulassung zum Studium ein "Vorsemestermerk" erhalten. Doch dann hieß es "April April". Wir mussten das Abitur in einer Kriegsteilnehmer-Klasse doch noch machen. Ein Gymnasium gab es in Garmisch nicht, nur eine Oberrealschule. Im Abiturzeugnis stand daher bei mir für Englisch eine 6. Als ehemaliger Gymnasiast glänzte ich zwar in Latein, lag aber in Englisch hoffnungslos zurück... Das netteste Erlebnis hatte ich noch als Page mit einer Amerikanerin. Ich brachte sie aufs Zimmer, gab Wissenswertes über das Hotel bekannt und nannte die nächste Zeit zum Essen. Sie gab mir einen Geldschein als Trinkgeld, was nicht ungewöhnlich war. Doch als ich auf dem Flur die Hand öffnete, war es ein 20 Dollarschein. Der Portier, dem ich das berichtete, ein Ungar mit viel Erfahrung in europäischen Hotels, konnte es auch nicht glauben. Diese 20 Dollar entsprachen einer Kaufkraft von ca. 200 EUR. Ich lud "Hannah" für den nächsten Tag ein zu einer Rundfahrt. Dafür lieh ich mir ein Auto, einen Opel P4 und kurvte mit ihr im Raum Mittenwald und Kochelsee herum. Am nächsten Abend, zu Sylvester, ich hatte mir von einem Kellner einen Smoking geliehen, besuchten wir den damals sehr berühmten Nachtclub, das Casa Carioca, gleich neben dem Eisstadium in Garmisch, von den Amerikanern gebaut. Deutsche konnten es nur in amerikanischer Begleitung besuchen. Dieser Nachtklub bietet nicht nur Eisshows, sondern sein Dach kann zur Seite gefahren werden, zum Tanzen unter freiem Himmel. Die Tanzfläche wurde über die Eisfläche geschoben und federte beim Tanzen. Zur Erinnerung: das war vor 50 Jahren!...
Eines Tages wurde ich von der CIA vorgeladen.
Den Grund dafür konnte ich mir nicht erklären, denn ich hatte ein
reines Gewissen. Und dennoch entging ich nur durch einen "Zufall"
der Anklage wegen Spionage... Gefragt, was der Anlass für diese Vorladung
sei, erklärte der Amerikaner, ich sei denunziert worden. Für einen
Flüchtling aus dem Osten sei ich erstaunlich gut gekleidet. Das
könne nur durch krumme Geschäfte, wahrscheinlich durch Spionage
finanziert werden. Schließlich arbeite ich bei den Amerikanern. Der
gute Verdienst im Eibseehotel erlaubte es mir einfach, mich besser
zu kleiden. Mein Verdacht fiel sofort auf den Hausmeister...“
2007 "Nestled in the picturesque Bavarian Alps of Germany was a small but important nightclub called The Casa Carioca. It was located at the U.S. Army base in Garmisch-Partenkirchen where the military forces would go for vacation and take their leaves. Constructed originally as an open-air Spanish style club, later the Alpine cool weather required that a retractable roof be built. This nightclub was the place to be if you were a professional skater. The 'Casa' was a nightclub that featured an ice show. Many of our skating colleagues performed there and we are proud to share their memories in this feature. The early shows there were directed and performed by German skaters. Then in 1950, the Casa was produced and directed by Terry Rudolph. Terry was a dancer with Hungarian heritage, but was raised in America. She produced the Casa until 1968. The building was then destroyed by fire in 1970. Terry really groomed her skaters to become top-notch performers, training them in the fundamentals of ballet by giving daily dance classes and personally choreographing each of their numbers. At the Casa, Ms. Rudolph produced shows that had a cast of roughly 35 skaters on an ice sheet of 30 feet x 40 feet with a 17 piece live orchestra. The ice stage was under a removable dance floor for dancing and diners could enjoy their dinner while watching the ice shows... Two of the Historical Foundation's Honorary Board members, Don Watson and Roy Blakey, share their memories of the Casa Carioca: Don: "The first time I met the diminutive Ms. Rudolf, was in Paris in 1955. I was appearing with 'The Sonja Henie Ice Revue' at the old Palais des Sports and she expressed an interest in my coming to Garmisch. When the opportunity arose, I jumped at the chance and arrived at the Casa Carioca in January 1958 for a 3 month stay before joining Holiday On Ice in France."... In 1954, Roy Blakey joined the show. The productions that year were "States on Skates" with Cathy Steele and Blair Heimbach with Jo Ann McGowan and "Happy Birthday" with Dick Price, Peter Voss, T. Bacherer and B. Griffith. Roy: "Skaters talk about wanting to someday find, or create, a place where they can train, have access to dance class and display their improving skills in regular performances. It makes me smile because I had all of that in my first show at the Casa Carioca." A young 16 year old girl from Garmisch, named Cathy Steidl, started her professional career at Casa Carioca. She later would become known as Cathy Steele and part of the crowd pleasing adagio team of "Romaine and Steele." The team performed for many years in Ice Capades during the 1960's. Cathy remembers her time at the Casa: "I was under age and really should not have been in the club. Terry took me in to replace another girl. I started my pair skating there with Blair Heimbach." ... Even though Cathy had left Garmisch, she stayed in touch with Terry. She would visit home in Garmisch during her time off and Terry and Cathy formed a life-long friendship. Paul Sibley, who first skated with Ice Capades, later came to the Casa. He worked in the show from 1958 to 1960. He says, "I made the transition from chorus boy to principal. It's when I broke through. Everyone skated in the chorus and also had a spot. Terry emphasized presentation, stretch, body alignment. She especially worked on upper body presentation with the skater. It was a tremendous experience." Roy Blakey adds, "The Casa was a great place to finally fulfill my long-held dream of getting in a show. On my way to work each evening during my year and a half there, I'd look up at the snow-capped mountains and say, 'thank you!' Terry Rudolph passed away on January 5, 2005 in Los Angeles, California. "Quelle: www.proskatinghistoricalfoundation.org/casacarioca.html
2005 „Feuer! Die Casa Carioca brennt!" Mehr als 100 Feuerwehrmänner kämpften in der Nacht zum 5. November 1970 gegen die Flammen. Umsonst - die legendäre Eisrevue mit allem Inventar, den Kostümen und Instrumenten der Band brannte bis auf die Grundmauern aus. Der Grund für das Unglück, Brandstiftung oder Kurzschluss, ist bis heute nicht geklärt. Das Feuer verursachte nicht nur einen Millionen-Sachschaden, mit ihm ging auch eine Legende unter. In den Gesprächen der Einheimischen spielt sie noch heute eine Rolle, obwohl der Nachtclub zunächst eine rein amerikanische Angelegenheit war und erst ab Oktober 1947 an einem Abend wöchentlich auch Deutsche zugelassen waren. Begonnen hatte alles Ende 1945, als Ernst Baier, Olympiasieger von 1936, mit seiner Eisshow im Rahmen der Truppenbetreuung ins Eisstadion kam. Die Amerikaner zeigten sich begeistert. Eine ständige Eislauf-Bühnenshow, integriert in einem intimen Nachtclub, wurde geplant. Architekt Hans Ostler entwarf dafür neben der Halle ein Gebäude im maurischen Stil, als einen offenen spanischen Hofgarten mit Säulen und Balkonen - variabel mit Eis- und Parkettfläche, später mit fahrbarem Dach. Die Baufirma Hans Baumer bekam den Baubefehl. Bereits im September 1946 eröffnete General Clay die Casa. Drei Jahre gestaltete der bekannte Eislauflehrer Walter Hofer mit seiner Truppe bunte Shows, bis ihn Ende 1949 Terry Rudolph, eine amerikanische Tänzerin ungarischer Herkunft, ablöste. Sie sollte sich als einfallsreiche Choreografin erweisen, die Casa wurde als Talentschmiede in der ganzen Welt berühmt. Die bekannte Eiskunstläuferin Helga Neff, die inzwischen wieder im Kreisort lebt, verdankt ihr ihre Karriere, die sie nach Amerika, später nach Paris führte: „Eine wunderbare Frau, die unglaublich mit uns arbeitete, Talente erkannte und förderte." So durfte der junge Hans-Jürgen Bäumler nachts auf der Eisfläche trainieren, wenn sie vom Ensemble nicht benötigt wurde, und auch der Partenkirchner Franz Zwerger wurde von Rudolph entdeckt. Der heute 78-Jährige, ein gelernter Kaufmann, widerstand allen verlockenden Auslands-Angeboten und blieb „seiner" Eisrevue, später auch als Bühnendirektor und Probenmanager, fast 20 Jahre treu. „Ein Jahr nach dem Feuer haben noch viele gehofft, dass alles wiederaufgebaut wird. Aber es wäre sowieso nie wieder die alte Casa Carioca geworden." Garmisch-Partenkirchner Tagblatt, 15.10.2005 - Margot Schäfer
2010 "Der Winter 46 ist einer der härtesten seit langem. Heizmaterial, Nahrung und Kleidung sind noch immer Mangelware. Unzählige Wohnungen sind ausgebombt und Millionen Flüchtlinge in den Westen gekommen. Zahlreiche Soldaten kehren traumatisiert aus der Kriegsgefangenschaft in ein zerstörtes Land zurück. Doch die Erleichterung, dass der Krieg endlich vorbei ist und der Wille nach neuem Leben ist vor allem bei den Frauen so stark wie nie. Nachdem das Fraternisierungsverbot zwischen Amerikanern und Deutschen im Oktober 45 aufgehoben wurde, zeigen sich viele GI’s mit ihren „deutschen Fräuleins“, doch das bewusst gesäte Misstrauen zwischen Besatzern und Deutschen verschwindet nur langsam. Im März 1946 lässt das amerikanische AFRC (American Forces Recreation Center) in Garmisch-Partenkirchen zur Unterhaltung ihrer Truppen einen Nachtclub für Eisrevuen mit 700 Plätzen bauen. Als weitere Besonderheit wird ein Dach über der Eisfläche konstruiert, das geöffnet werden kann um den Zuschauern den Blick in den Sternenhimmel und die Berge zu bieten. „Casa Carioca“, nach den Einwohnern Rios, die in „weißen Häusern wohnen“, wird der von deutschen Bautruppen in Rekordtempo errichtete Nachtclub im maurischen Stil benannt. Bereits im September des gleichen Jahres kann die Casa Carioca in Anwesenheit von General Clay und vielen hohen Offizieren feierlich eröffnet werden. Die Garmischer sind staunende Zaungäste. Ihnen ist der Besuch der amerikanischen Truppeneinrichtung zunächst verboten. Später werden sie in Begleitung amerikanischer Soldaten zugelassen. Bald wird die Casa Carioca als „Kaderschmiede“ bekannt und zum Magnet für zahlreiche vor dem Krieg berühmte deutsche Eistänzer, die auf eine zweite internationale Karriere hoffen. In der Casa Carioca sind die Vorbehalte den Deutschen gegenüber schnell überwunden. Partnerschaften und Ehen zwischen amerikanischen und deutschen Eisläufern nehmen ihren Anfang. Auch die Karriere von Hans-Jürgen Bäumler startete in der Casa Carioca. Seine Mutter arbeitete dort als Näherin und Serviererin. Ihr kleiner Sohn durfte dann abends nach den Proben für die Revue auf der Eisfläche seine ersten Kurven im Eis ziehen. Die Eisshows in der Casa Carioca auf bemalten Eisflächen mit zahlreichen Beleuchtungseffekten und einem ein- und ausfahrbaren Tanzparkett über der Eisfläche galten für über zwei Jahrzehnte als einzigartig in Europa und zogen berühmte amerikanische Gäste aus dem Showbusiness an.
Doch 1970 brennt die Casa Carioca bis auf die
Grundmauern nieder. Die Brandursache konnte nie ermittelt werden. Immer
wieder gab es Initiativen für einen Wiederaufbau, doch heute ist die
Casa Carioca in Vergessenheit geraten."
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Alle Fotos: Marktarchiv Garmisch-Partenkirchen
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