Garmisch-Partenkirchen und seine jüdischen Bürger  -  1933-1945

 

 

 

 

 

Alice Strauss

Alice Strauss, geboren am 9.6.1904 in Prag, gestorben am 23.12.1991 in Garmisch-Partenkirchen, war verheiratet mit Dr. Franz Strauss, dem Sohn des Komponisten und Dirigenten Richard Strauss. 

Vermerk des Ordnungsamtes Garmisch-Partenkirchen 1938: „Zöppritzstr. 42, arischer Hausbesitzer Dr. Richard Strauss, volljüdische Inwohner: Strauß Alise (sic) in Familiengemeinschaft mit Arier Dr. Franz Strauß (sic), Sohn der Hausbesitzer, sonstige arische Inwohner: Eltern und 8 arische Hausangestellte."

Am 28.11.1938 meldete die Gendarmerieinspektion Garmisch-Parten-kirchen an das Bezirksamt Garmisch: „Nach der Judenaktion haben am 10.11.1938 sämtliche Juden Garmisch-Partenkirchen verlassen... Eine Ausnahme bildet die Jüdin Alice Strauss..., die noch in G.-Pa., Kramerhänge 8 bei Knote wohnhaft ist." Gustav Knote war Versicherungsdirektor im Ruhestand.

Am 21.11.1938 wurde in der Lehrerratssitzung der Oberschule Garmisch-Partenkirchen zu Protokoll gegeben: „Im Zusammenhang mit den Maß-nahmen, die auch in Garmisch-Partenkirchen mit der Ermordung des Legationsskretärs v.Rath gegen die Juden unternommen worden waren, stehen die Belästigungen, denen der Schüler Richard Strauss, 2. Klasse G, ausgesetzt war. Obwohl der Schüler nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht als Jude zu gelten hat, wurde er als solcher beschimpft."

Zeugenaussage von Dr. Franz Strauss im Spruchkammerverfahren gegen NS-Kreisleiter Hausböck am 18.03.1949: "Am 10.11.1938 kamen SA-Leute in das Haus meines Vaters, um meine Frau zu holen, die Jüdin ist. Ich war aber mit meiner Frau nicht zu Hause, sondern (wir) befanden uns in unserer Jagdhütte oben. Einer telefonierte daraufhin und sagte, daß der Vogel ausgeflogen sei. Sie gingen dann fort. Unser Mädchen rief uns sofort an und teilte uns mit, daß in Garmisch eine Judenverfolgung wäre. Meine Kinder kamen dann zu uns und erzählten davon. So erzählten sie, daß sie auf dem Wege zur Schule von der SA angehalten worden sind und aufgefordert wurden, zur Kreisleitung zu kom­men, wo sich eine große Menge Men­schen befand. Es wäre nun bald soweit gegangen, daß sie ihre eigene Mutter angespuckt hätten... Hausböck dazu: "Ich habe damals, als Frau Strauss zurückkam, Goebbels angerufen und gesagt, daß es die Schwiegertochter unseres Komponisten wäre und er möchte entscheiden, was geschehen soll."

Brigitte Hamann, Winifred Wagner oder Hitlers Bayreuth (München 2002) S. 380 f.: „Für viele Juden ist die »Reichskristallnacht« der letzte Anstoß, Deutschland zu verlassen und sich ins Ausland zu retten. Bei den verbliebenen aber herrscht vor allem Angst. Richard Strauss wandte sich in Sorge um seine jüdische Schwiegertochter an Tietjen, er möge doch bei Hitler und Göring für sie eintreten, da »das Schicksal meiner präch­tigen Schwiegertochter (sie ist dem Führer in Wahnfried vorgestellt worden und auch Sie ... kennen sie zur Genüge und wissen, welch ein edler, tadelloser Mensch sie ist) uns schweren Kummer bereitet«. Nur durch Zufall und das Eingreifen des Gauleiters Adolf Wagner sei sie in Garmisch einem »furchtbaren Schicksal« entgangen, »aber sie hat unter den Demütigungen so gelitten, daß sie in schweres Gallenfieber gefallen ist«. Ihr Paß sei ihr abgenommen worden, ebenso ihr Jagdschein und der Führerschein. »Im Theater soll sie nicht einmal die Opern ihres eigenen Schwiegervaters anhören dürfen.« Sie habe vierzehn Tage Schutzhaft in der eigenen Wohnung hinter sich und wage »sich noch in kein Garmischer Geschäft, die nötigsten Einkäufe machen!«. »Helfen Sie, lieber Freund.« In einem neuerlichen Brief flehte er um »Wiedererlangung der natürlichsten Menschenrechte«.

 

© Alois Schwarzmüller 2006