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Dr. Richard und Maud Ladenburg
Dr. Richard Ladenburg, (*5.11.1864 in Mannheim,
katholisch, Bankdirektor und Rittmeister der Landwehr) zog am 30.11.1918
von Mannheim nach Garmisch-Partenkirchen und wohnte mit seiner Frau Maud
(*21.7.1879 in London, geb. Bacheler) und zwei Kindern zunächst in der
Burgstr. 246 1/8 (seit 1.10.1915), dann in die Riesserseestr. 20 (265
1/3) (Fl.Nr. 1627 a,b,c). Die Söhne Hubert und Johannes sowie die ältere
Tochter Maureen waren in Mannheim zur Welt gekommen, Tochter Maria
Veronika wurde in Garmisch geboren. Ladenburg wurde während des Pogroms am 10.11.1938
gezwungen, Garmisch-Partenkirchen zu verlassen. Auf dem Weg nach England
starb er am 14.11.1938 in Cleve.
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Meldekarte
des Marktes Garmisch für Dr. Richard Ladenburg, für seine Frau
Maud und für die vier Kinder - mit handschriftlichem Zusatz
"Jude" auf der Vorderseite. Die Rückseite weist unter
"Bemerkungen" noch einmal und detailliert auf Richard Ladenburgs
jüdische Herkunft hin. Es heißt dort: "Richard Ladenburg ist
laut Auszug aus dem beim Amtsgericht Mannheim verwahrten
Geburtsbuch der israelitischen Gemeinde Mannheim v. Jahre 1864
israelitischer Abstammung." |
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Oben
links: Plan für den Umbau der "Villa Ladenburg" in der
Riesserseestraße im Jahre 1918.
Oben
rechts: Brief von Maud Ladenburg an Hermann Mencke, den
Pfarrer der katholischen Pfarrei St. Martin Garmisch. Frau
Ladenburg war katholisch und stand in brieflichem Kontakt mit
Mencke.
Unten
links: Hochzeit von Maureen Ladenburg im Mai 1929 mit Franz
von Heeren.
Unten
rechts: Johannes, Maria Veronika Ladenburg und Bernhard Neu |
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Über die
Vorkommnisse am 10. November 1938 berichtete Maud Ladenburg als Zeugin
des Spruchkammer-verfahrens gegen den ehemaligen NS-Kreisleiter Hans Hausböck am 30.11.1948:
"Als ich von der 8 Uhr Messe zurückkehrte, fand ich mit Entsetzen, daß
mein kranker Mann, Dr. Richard Ladenburg, von Nazis aus dem Bett geholt
und nach dem Rathaus Garmisch abgeführt wurde. Ich fuhr ihm sofort nach.
Sicherlich ist er schlecht behandelt worden, denn auch ich mußte meinen
Weg durch johlende, uniformierte Hitlerjugend, vor dem Rathaus
angesammelt, durchmachen. Im Rathaus fand ich meinen Mann mit seinem
treuen Pfleger (1946 gestorben), stundenlang mußten wir warten, obgleich
ich die wachenden Nazis darauf aufmerksam machte, daß mein Mann
keinerlei Nahrung zu sich aufgenommen hatte und krank sei. Endlich
wurden wir in einen Saal geführt. Dort lag vor Dr. Richard Ladenburg ein
Revolver-Schießgewehr. Es wurde ihm kurz mitgeteilt, daß er ein Dokument
zu unterschreiben hätte, wonach sein Hausbesitz in Garmisch den Nazis
übergeben werden sollte. Täte er die nicht und zwar sofort, bliebe
nichts übrig, als ihn nach einem Konzentrationslager abzuführen auf eine
3jährige Strafe. Außerdem und auf jeden Fall müsse mein Mann Deutschland
sofort verlassen. Er wurde bis zu seiner Abreise ständig bewacht. Unser
Haus wurde übernommen.
Ich bat meinen Mann, seine Unterschrift ohne weiteres zu geben, und hatte
nur den einen Gedanken - nach England. Wir hatten aber, da Dr. Richard
Ladenburg seit Ende des letzten Krieges Invalide gewesen war, keinen Paß
für ihn, nur einen kleinen Ausweis. Am 10. November, als wir in Cleve
ankamen, wurde mein Mann sofort wieder von Nazis verhaftet und ins
Gefängnis geführt, wo es unserem treuen Pfleger und mir erst nach 24
Stunden gelang ihn zu befreien. Er war am Ende seiner Kräfte. Es gelang
mir, ihn in ein katholisches Krankenhaus unterzubringen, wo er von Arzt
und Nonnen gütig behandelt wurde. Aber am 14. November 1938 früh morgens
starb er am Herzschlag. gez. Mrs. M. Ladenburg, Upland, Mayfield,
Sussex/England"
Maria
Veronika Ladenburg, Tochter des Ehepaars Ladenburg, gab am 7.1.1949 zum
Judenpogrom in Garmisch-Partenkirchen im November 1938 eine
eidesstattliche Erklärung ab:
"Am 8. November 1938 befand ich mich in Augsburg zu Besuch. Ein
Telefonanruf eines Freundes der Familie rief mich nach München, wo ich
meinen 75jährigen Vater Richard Ladenburg - ein Invalide des ersten
Weltkrieges - fünf Minuten vor Abgang seines Zuges nach der
holländischen Grenze zum letztenmal sah. Meine Mutter begleitete ihn.
Alles, was sich vorher in Garmisch abspielte, erfuhr ich durch meine
Mutter.
Bewaffnete SS-Männer drangen um 6 Uhr morgens am 8. November 1938 in unser
Haus in Garmisch ein und zwangen meinen Vater, sich sofort auf dem
Bezirksamt zu melden. Obwohl mein Vater ein schwer kranker Mann war und
selten das Haus verließ, befolgte er den Befehl. Dort wurde er, wie alle
anderen jüdischen Familien, gezwungen, eine Erklärung zu unterschreiben,
daß er Garmisch bis 12 Uhr mittags und Deutschland bis Mitternacht
desselben Tages verlassen haben würde. In der selben Erklärung
verpflichtete er sich - gezwungenerweise unser Haus "Haus am Fiecht",
Riesserseestr. 20 Garmisch zum Verkauf anzubieten. Während dieser
Pflichtverhandlung wurde natürlich mein Vater - wie auch alle anderen
jüdischen Familien in gemeinster Weise verspottet und beschimpft. Ebenso
meine Mutter, die ihn begleitete. Als meines Vaters Pfleger - Jakob
Ofenloch (verschieden) anfragte, wohin er denn ohne Paß reisen könnte,
wurde ihm vom Kreisleiter Hausböck spöttisch geantwortet "nach Palästina
natürlich". Da kein Widerstand möglich war, besonders für einen kranken
schwachen Mann, nahm mein Vater in Begleitung meiner Mutter und seines
Pflegers den Mittagszug nach München. In der Zwischenzeit hatte man
meinem Bruder Johannes davon berichtet, und er versuchte dann mit Hilfe
von guten Freunden, meinen Vater in einem Krankenhaus unterzubringen.
Alle Krankenhäuser lehnten die Anfrage ab, da die Partei scheinbar einen
Befehl an alle Hotels und Krankenhäuser erlassen hatte, keine Juden
aufzunehmen. Mein Vater verbrachte den Nachmittag in meines Bruders
Zimmer in München u. nahm den Abendzug nach Holland mit dem
offensichtlich hoffnungslosen Vorhaben, nach England zu flüchten, wo
meine Mutter gebürtig ist und wir viele Verwandte haben. Meine Mutter
und meines Vaters Pfleger begleiteten meinen Vater. An der Grenzstadt
Cleve angekommen, wurde mein Vater als Reisender ohne Paß natürlich
sofort verhaftet. Sogar die Behörden in Cleve konnten nicht verstehen,
wie eine solche Erlassung - als die des Garmischer Kreisleiters Hausböck
möglich war. Trotz aller Bitten, meinen Vater in einem Hotel oder in
einem Krankenhaus unterzubringen, beschlossen die SS-Behörden, ihn ins
Gefängnis zu bringen. Am nächsten Tag gelang es meiner Mutter
anscheinend einen halbwegs menschlichen Beamten des
nationalsozialistischen Deutschlands zu finden, der Erlaubnis gab,
meinen Vater vom Gefängnis in ein katholisches Krankenhaus zu
überführen. Dort verstarb mein Vater am 11. November 1938. Todesursache
war ein Herzschlag, herbeigeführt durch die unmenschliche und grausame
Behandlung.
Unser Haus in Garmisch wurde in dieser Zeit von SA- und SS-Männern besetzt
und nur unter strengster Bewachung durften unsere Familienmitglieder die
notwendigsten Kleidungsstücke aus dem Haus nehmen. Alle Post wurde
beschlagnahmt.
Ich, Maria Veronika Ladenburg, wohnhaft in New York, 128 Lexington Avenue
- klage hiermit den damaligen Kreisleiter Hausböck an, als am Tode
meines Vaters direkt verantwortlich zu sein, durch seine Erlassung des
8. November 1938.
Ich schlage vor, meine Mutter Maude M. Ladenburg - Uplands Mayfield,
Sussex, England - um einen brieflichen Augenzeugenbericht zu bitten,
falls dies noch nicht veranlaßt wurde." Unterschrift Maria Veronika
Ladenburg
Der Garmisch-Partenkirchner Kunstmaler Carl Reiser
begleitete und beschützte Frau Ladenburg auf ihrem Weg zur
NSDAP-Kreisleitung. Dr. Richard Ladenburg musste sich von einer
Garmisch-Partenkirchner Bürgerin gefallen lassen, dass sie „mit einem
stumpfen Straßenbesen, den sie vorher in einen Misthaufen getaucht
hatte, Herrn Ladenburg ins Gesicht gefahren ist."
Am 25.04.1939 teilte Landrat Wiesend der
Ortspolizeiverwaltung Garmisch-Partenkirchen mit:
„Arisierungsangelegenheiten Ladenburg / Kohn sind hier nicht bekannt.
Eine Abwicklung kommt vorerst nicht in Frage, da es sich nicht um einen
gewerblichen Betrieb, auch nicht um landwirtschaftliches Grundvermögen
handelt. Eine zwangsweise Enteignung von Villenbesitz ist vorerst nicht
möglich."
Im „Verzeichnis der in Garmisch-Partenkirchen
vorhandenen Anwesen jüdischer Besitzer" wurde am 17.8.1939 festgehalten:
„Ladenburg, Dr. Richard, Wohnhaus an der Riesserseestrasse Nr. 20 - Dr.
Richard Ladenburg ist am 14.11.1938 in Cleve a. Niederrhein verstorben.
Erben sind die arische Witwe Maud Ladenburg, geborene Batchelor, und die
Kinder Hubert, Maureen, Johannes und Maria Veronika."
Auszug aus
der „Chronologie des Hauses 1911 - 1995" – geschrieben im Auftrag der
Bundesvermögens-verwaltung München:
„... Am 14.11.1938 verstarb Dr. Ladenburg in Kleve am Niederrhein;
ein Testamentsvollstrecker übernahm die Vermögensangelegenheiten. Mit
Kaufvertrag vom 4.9.1940 ging nunmehr „Wohnhaus Nr. 20 an der
Riesserseestraße mit Veranda und Terrasse, Wurz- und Grasgarten, Wiese"
und einige Kleinbauten in das Eigentum des Reichsfiskus (Heer) über, als
dessen Vertreter der Leiter der örtlichen Heeresstandortverwaltung,
Stabszahlmeister Schwab, handelte. Witwe und Kinder des verstorbenen Dr.
Ladenburg lebten, wie aus dem Kaufvertrag hervorgeht, zu dieser Zeit in
England bzw. in den USA, drei Enkelkinder einer früh verstorbenen
Tochter in Rottenbuch.
Am 4.1.1940 gelangt das Haus in das Eigentum des Deutschen Reiches und
dient nach einigen Umbauten bis zum Zusammenbruch des Dritten Reiches im
Jahr 1945 dem Heeresbauamt und der Heeresstandortverwaltung
Garmisch-Partenkirchen als Domizil. Danach wurde es durch das Bayerische
Landesamt für Vermögensverwaltung und Wiedergutmachung interimistisch
übernommen und privat vermietet.
Am 1.10.1955 gelangte das Haus und Grundstück an den Bund als
Rechtsnachfolger des deutschen Reiches zurück. Hausverwaltende Behörde
wurde die Bundesvermögensstelle München, Ortsverwaltung
Garmisch-Partenkirchen."
Aus: „Chronologie des Hauses 1911 - 1995" - Idee und Realisation:
Architekturbüro Wülleitner, Friedastr. 22, 81479 München - Quelle
1911-1990 StOV Mittenwald - Manuskript, 11 Seiten, München 1995
Frau
Bernstein, Ehefrau des Leiters des Marshall Centers in
Garmisch-Partenkirchen 1995-1997, fügte dieser beschämend
unvollständigen Geschichte des Hauses den Bericht von Frau Ladenburg
über die Vorgänge am 10. November 1939 in Garmisch-Partenkirchen und
über den Tod von Dr. Richard Ladenburg hinzu.
Am 9.12.1948
forderte der Abwesenheitspfleger Rechtsanwalt Dr. Karl Roesen den
Marktgemeinderat Garmisch-Partenkirchen zur Hilfestellung bei der
„Verfolgung der Spuren, die zur Feststellung von Objekten führen
könnten, welche der Rückerstattung unterliegen."
Staatsarchiv München - LRA
Garmisch-Partenkirchen 61668, 61665
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