Garmisch-Partenkirchen und seine jüdischen Bürger  -  1933-1945

 

 

 

 

 

Museum Aschenbrenner - Sonderausstellung Clemens Fränkel

 

   
   

 

 

 


 

 

Clemens Fränkel (1872-1944)

 

Clemens Fränkel, geboren am 11.06.1872 in Frankfurt am Main, lebte zeitweise in Ohlstadt. Am 28.04.1937 meldete der Bürgermeister der Gemeinde Ohlstadt dem Bezirksamt Garmisch, dass „der Jude Kunstmaler Clemens Fränkel ... mit seinem Sohne Kurt Oskar Fränkel, geb. am 23.02.09 zu Sibichhausen heute nach Italien abgemeldet worden" war.[1]

Im „Künstlerlexikon des Werdenfelser Landes“ von Ralf Benkert (Teil 2, S. 49 f, Garmisch-Partenkirchen Vorabdruck 2001) finden sich zu Clemens Fränkel die folgenden Hinweise: „Maler, Landschaften, auch Gouachen und Pastelle... 1899-1901 Studium an der Malschule Knirr in München, 1901 an der ABK München bei L. v. Löfftz und L. Schmid-Reutte; 1903/04 Studienreise nach Italien; 1906 gründet F. eine Schule für Landschaftsmalerei in Leoni / Starnberger See; 1916-1929 lebt F. in München, seit 1929 in Partenkirchen; Mitglied im Deutschen Künstler-Verband „Die Juryfreien“ München und im RK; „1937 mußte er emigrieren und fand in Cortina d´Ampezzo einen neuen Wohnsitz. Hier entstanden seine schönsten Freilichtstudien. Von Cortina wurde er 1944 von der deutschen SS verschleppt und ist seitdem verschollen.“ (BMM, Hans-Peter Bühler); Ausstellungen 1904-1909 im Frankfurter Kunstverein, 1912, 1914, 1919-21 und 1926 im Münchner Glaspalast.“[2]


[1] Staatsarchiv München - LRA Garmisch-Partenkirchen 63049

[2] Ralf Benkert, Künstlerlexikon des Werdenfelser Landes (Garmisch-Partenkirchen, Vorabdruck 2001, Teil 2, S. 49)

 

 


 

Clemens Fränkel – und die Malkunst in Garmisch-Partenkirchen
Alois Schwarzmüller

Clemens Fränkel – jüdischer Herkunft, „freireligiös“ - kam 1929 aus Urspringen in Unterfranken über München nach Partenkirchen[1], verliebte sich wie viele Maler in die Gebirgslandschaft und schuf Bilder wie „Berglandschaft im Winter“ (mit Alpspitze), „Blick auf das Wettersteingebirge“, „Kreuz am Dorfweg in Partenkirchen“, „Spätherbst im Hochgebirge“ (mit Alpspitze), „An der Pfeifferalm“, „Gebirgstal“ (mit Alpspitze und Zugspitze) – klassische Motive wie die von Heinz Theis, Oskar Mulley, Carl Reiser, Alexander Kanoldt …

Im Unterschied zu ihnen konnte Fränkel seine Bilder ein letztes Mal 1930[2] in einer lokalen Ausstellung des Künstlerbundes Werdenfels zeigen. Seit 1933 nie wieder – als hinge ein Fluch über seinem Werk.

Woran das lag? Seine Farben waren doch die gleichen wie die der anderen Maler, seine Motive die gleichen wie die seiner Kollegen?

Seit Januar 1933 galten in Garmisch und in Partenkirchen aber nur noch die „Farben der nationalen Erhebung“ - Schwarz, Weiß, Rot. Nicht dabei waren Farben, wie man sie für treue Wiedergabe der Natur, für ein empfindsames Menschenbildnis brauchte.

Einfarbig und tief braun war das Programm, das Adolf Wagner, NS-Gauleiter für München und Oberbayern, späterer Namensgeber für den Garmischer Marienplatz, bei einer Gedenkveranstaltung im Mai 1933 mit unverhohlener Rücksichtslosigkeit vortrug: „Wir, die Nationalsozialisten, hätten das Recht, alle zu vernichten, die gegen uns waren, die uns verfolgt haben.“ Heute wisse jeder, dass „Deutschland allein unser Vaterland ist. Wir brauchen nichts Fremdes. Darum wollen wir nicht ruhen, bis all das ausgerottet ist, was nicht zu unserem Deutschtum gehört.“[3] Ein verstörender, ein schrecklicher Satz!

Zu diesem Deutschland gehörte Clemens Fränkel nicht. Er war kein Fremder, wurde aber zu einem Fremden gemacht. Er spürte das und verließ deshalb Garmisch-Partenkirchen im Juni 1936 – nach Ohlstadt. Nicht weit genug.

 Fränkel war ja lange Zeit in bester Gesellschaft. Lorenz Quaglio, Heinrich Bürkel, Christian Morgenstern, Ernst Kreidolf, Wilhelm Balmer ("Partenkirchen war in jener Zeit noch recht abgelegen.") entdeckten das Werdenfelser Land, liebten die Berge, den kleinen Markt und seine Bewohner, wanderten im Wettersteingebirge, spazierten durch Straßen und Gassen des Marktes Partenkirchen, saßen in seinen Gasthöfen und hielten ihre Eindrücke mit Worten und Farben fest.

Edward Elgar komponierte hier 1895 seine „Songs from the Bavarian Highlands“, dem Münchner Generalmusikdirektor Hermann Levi wurde vor 1900 von Emanuel von Seidl und Adolf von Hildebrand eine Villa erbaut. Der Schriftsteller Josef Ruederer nahm für „Die Fahnenweihe“ das Posthotel Partenkirchen als Motiv, der Maler Max Beckmann kam zum Skifahren nach Garmisch. Der Philosoph Ernst Bloch wohnte in der Höllentalstraße und formulierte dort die Grundgedanken für sein „Prinzip Hoffnung“. Walther Siegfried ließ sich in Partenkirchen nieder, Richard Strauss 1908 erbaute sich in Garmisch vom Erlös seiner Oper Salome eine Villa.

Kurt Tucholsky, Karl Kraus, Erich Kästner oder Lion Feuchtwanger - sein Schlüsselroman „Erfolg“ spielt in München und Garmisch-Partenkirchen – wohnten in Hotels und Pensionen unter der Alpspitze. In der Pension Nirvana verkehrten Heinrich Mann und Edgar Ende – Vater des 1929 in Garmisch-Partenkirchen geborenen Schriftstellers Michael Ende.

 Prominente NSDAP-Funktionäre kamen ab 1933 zur Sommerfrische und zum Winterurlaub in den mondänen Olympiaort.

Mit der NS-Zeit begann aber auch die Zerstörung der lokalen Kultur. Die örtliche Presse wurde gleichgeschaltet – an die Stelle des Werdenfelser Anzeigers, der Mittenwalder Grenzpost und der Ammergauer Zeitung trat quasi als Monopolist das Garmisch-Partenkirchner Tagblatt, in den drei Kinos „Lamm“, „Kurlichtspiele“ und „Hochland-Kino“ wurden vorwiegend NS-Propagandafilme gezeigt. Die Musik wurde „gesäubert“: Der Gemeinderat Garmisch beschloss auf Antrag der Fraktionen der NSDAP und der Kampffront Schwarz-weiß-rot, die Hotel- und Gaststättenbesitzer von Garmisch zu veranlassen, „dass bei Spielen der Kapelle im Freien nur mehr Deutsche Musik geboten wird unter Hinweglassung von Saxophon und derartigen Instrumenten."[4]

1934 wurde mit der Reichskulturkammer ein politisches Instrument geschaffen, mit dessen Hilfe alle „Kulturschaffenden“ aus politischen und rassischen Gründen mit einem Berufs- und Veröffentlichungsverbot konfrontiert waren – Fränkel traf es als Maler und als Jude. Ausgeschaltet wurden Personen, die für Kultur im Sinne des NS-Regimes nicht geeignet erschienen. Nichtaufnahme bedeutete Berufs- und Ausstellungsverbot – vor allem für Nichtarier.[5]

„Entartete Kunst“ - mit dem Kunstverständnis und Schönheitsideal der Nationalsozialisten nicht in Einklang zu bringen waren: Expressionismus, Impressionismus, Dadaismus, Neue Sachlichkeit, Surrealismus, Kubismus oder Fauvismus. Moderne Kunst wurde als "entartet" und als Verfallserscheinung verstanden. Die Präsentation "kranker", "jüdisch-bolschewistischer" Kunst war auch ein Weg zur Legitimierung und zur Verfolgung "rassisch Minderwertiger" und politischer Gegner.

 
 
NS-Gauleiter Adolf Wagner nimmt beim NS-Kreistag 1937 auf dem nach ihm benannten Adolf-Wagner-Platz (seit 1945 wieder Marienplatz) den Vorbeimarsch ab. (Foto: MAGAPA)   Programm des „Kampfbundes der Deutschen Kultur –
Ortsgruppe Garmisch-Partenkirchen“ (GPT 12.12.1933)

 

„Kampfbund für Deutsche Kultur“

Der 1928 von Alfred Rosenberg gegründete „Kampfbund für Deutsche Kultur“ sollte als Organisation gewährleisten, dass auf allen Ebenen die NS-Grundsätze verwirklicht wurden. Hier entfaltete er die völkisch-nationale Kunsttheorie und schuf mit ihr die erste kunstpolitische Organisation der Nationalsozialisten.

Im selben Jahr wurde von Zahnarzt Dr. Frank Heinz der „Kampfbund für Deutsche Kultur – Ortsgruppe Garmisch-Partenkirchen" gegründet. Den „Ewigkeitswert unserer Rasse und unseres Volkstums" wollte er damit auch in Garmisch-Partenkirchen sicherstellen, Liberalismus und Marxismus „bekämpfen". „Kampf" wurde überhaupt zum Inbegriff aller kulturellen Programme der NS-Zeit.

Einig war man sich darin, dass deutsches Kulturschaffen arisiert werden musste, dass alles Jüdische als „entartet“ zu gelten hatte. Es folgte die Verurteilung jeder moderner Kunst und ein Rückzug ins 19. Jahrhundert.

Im Garmisch-Partenkirchner Tagblatt wurde die „Arbeit des Kampfbundes der Deutschen Kultur“ im Dezember 1933 mit diesem Kommentar begrüßt: „Es gibt letztlich nur zwei Weltanschauungen: Die der Minderwertigkeit und die des Wertbewusstseins… Weltanschauungen sind rassegebunden. Nur eine hochwertige Rasse kann Trägerin einer klaren und selbstbewussten Weltanschauung sein. Für uns Deutsche kann nur das Wertbewusstsein des nordischen Menschen Gültigkeit haben. So ist es im Grunde das Ringen um den Sieg des nordischen Rassegeistes über das schleichende Gift der Rassevermischung, das unseren Kampf ausmacht.“[6]

 

Der „Kampfbund“ stellt aus

Im April 1933 wurde die erste lokale Kunstausstellungen unter Führung des „Kampfbundes“ ausgerichtet.

Das Garmisch-Partenkirchner Tagblatt kommentierte: „In der bildenden Kunst machten sich Nichtskönner breit - ehrliche, talentierte und bekannte Künstler mit nationaler Gesinnung, nationalem Geist und Empfinden wurden einfach ausgeschaltet… Der jüdische Geist machte die deutsche Seele und den deutschen Charakter morsch… Adolf Hitler, unser Volkskanzler, ging voran und versuchte, die Feinde an der Kehle zu packen… Aufgabe der hiesigen Ortsgruppe ist es, mit allen Mitteln zu erstreben, das Alte zu erhalten, das deutsche Spießbürgertum zu bekämpfen… Der KdfK ist ein Mittel, eine Waffe, den Deutschen wieder zu sich selbst zurückzubringen.“[7]

Fränkel war mittellos und unbewaffnet.

 

Kunstausstellung „Der Kreis“ in Garmisch

Die Münchner Künstlervereinigung „Der Kreis“ eröffnete im August 1933 ihre Ausstellung in der Garmischer Knabenschule. Bürgermeister Thomma begrüßte. Der Sprecher des „Kampfbundes“ verkündete, „dass mit dem 9. März 1933 die deutsche Kultur von der Gefahr des Bolschewismus erlöst worden sei.“ Bisher seien das Ausland, die Mode und der jüdische Geschmack ausschlaggebend in der Kunst gewesen. „Dem Führer Adolf Hitler haben wir es zu verdanken, dass sich das Gute heute wieder durchzusetzen beginnt.“ Die hier ausstellenden Künstler betonen bewusst die deutsche Kunst: „Kunst ist nicht international; jedes Volk hat seine eigene Kunst. International sind wir, wenn wir im Ausland unsere Werke ausstellen.“[8]

Professor Kaiser zeigte Gebirgslandschaften, Schönchen Bilder mit Hafen, Moor und Hochseestimmungen, Sattler Blumenbilder, Märchenmaler Bayerlein Wolken- und Wasserstimmungen.

Fränkel - nicht dabei.

 

Der "Kampfbund" und seine Kunstausstellung in Garmisch-Partenkirchen

Die „Fachgruppe für bildende Kunst“ in der Ortsgruppe des „Kampfbundes“ zeigte im Januar 1934 Werke ortsansässiger Künstler, „die als vorbildlich gelten konnten.“ Paul Ehlers von der Landesleitung, Karl Fell von der Reichsleitung und Dr. Heinz als Leiter der Ortsgruppe des „Kampfbundes eröffneten.

Gezeigt wurden Bilder und Plastiken von Preißler, Bickel („gewaltige Höhe pathetischen Ausdrucks“), Carl Reiser („Bilder von bedeutender Sicherheit, des Könnens und Größe der Anschauung“), Schels, Henel, Hoffmann („Charakterköpfe“), Uhlich („gute Graphiken“), Prof. Georg Schreyögg („Büste des Führers für Bronze“), K.B. Kraus (Plastiken), Dusch (Holzschnitzereien).

Es sei ein Zug der Zeit, so hieß es zur Eröffnung, dass sich das Gewicht des Lebens von der Stadt auf das Land verschiebe. Es gebe völlig verschiedene Stile, es sei „überhaupt keine Einheit festzuhalten.“ Gesehen wurden „geheime Mächte der Landschaft und der Heimat.“ Die „lebenspendende und kunstspendende Atmosphäre des Landes“ komme zu ihrem Recht.

Sich befehdende Künstlergruppen sollten, „aufbauend auf dem nationalsozialistischen Kulturgedanken“, die Auseinanderstrebenden zusammenzuführen und sie „zum Wohl des deutschen Volkes und der deutschen Kunst nach dem einen großen Ziel auszurichten: Deutschland!“[9]

Kein Platz für Fränkel!

 

Kunst des Werdenfelser Landes

Ein halbes Jahr später, im Juli 1934, begrüßte der „Völkische Beobachter“ angesichts einer „besonders großen Besucherzahl während der Sommersaison“ eine Ausstellung im Bezirksmuseum Partenkirchen, „an der sich mit wegen Ausnahmen sämtliche im Kreise Werdenfels ansässigen Maler und Bildhauer beteiligten. Es ist zu begrüßen, dass es der Ortsgruppe gelungen ist, diese gemein-same Ausstellung zustande zu bringen.“

Ausgestellt wurden Paul Massow (Alpenbilder, „kraftvoll, frisch und karg“), F. J. Haindl (Wettersteinmotiv), Theis (Alpenmotive, Mädchenakt, Hitlerporträt „das leider die photographische Vorlage nicht leugnen kann“), Hellmann, F. Uhlich (Gebirgsmotive), Schneider-Dörffel, Kittmann, Bickel, Preißler („Porträts romantischer Gesinnung“), Dusch („zwei Holzplastiken, die zwar aus der Tradition der Gegend stammen, jedoch deren Schulung vermissen lassen“),   Henels „Bauernkinder“ … dürfte van Gogh Pate gestanden haben“, Salvini-Plawen („Bergseelandschaft“, deren Farbigkeit echt ist und rein klingt, eins der besten Bilder der Ausstellung“).[10]

Für Fränkel kein Platz!

   
  „Erfolgsmeldung“ des Garmisch-Partenkirchner Tagblatts vom 31. Dezember 1938 – Einmarsch in Österreich und im Sudetenland, Austreibung der Juden - die „Künstlerschaft“ gehörte dazu!

„Judenzetttel“

der Kurverwaltung Garmisch-Partenkirchen 1937/38

(Marktarchiv Garmisch-Partenkirchen)

 

Willy Tiedjen

Mehr Glück hatte der aus Hamburg stammende „Entenmaler“ Willy Tiedjen. Er wurde gefeiert für seine typisch „deutsche Künstlernatur“. In seiner Landschaftsmalerei war „ein Ausdrucksmittel nordischer Seelenkunst!“ Für das Braune Haus in München hatte er das Bild „Minensuchflottille auf der Trave“ gestiftet. Er galt als „Kämpfernatur“ und war politisch anerkannt, denn „seit Jahren steht er bereits fest in der nationalsozialistischen Bewegung und trägt heute stolz das Freikorpszeichen. (Er war beim Freikorps Werdenfels.).“[11]

Damit konnte Fränkel nicht konkurrieren.

 

„Der 1. Mai in Garmisch-Partenkirchen“

Die Nationalsozialisten kaperten die Idee des 1. Mai und besetzten sie mit ihren eigenen Ritualen und Phrasen.

Ein bandwurmartiger Zug zog sich am 1. Mai 1935 von der Ludwigstraße in Partenkirchen bis zur Zugspitzstraße in Garmisch durch den gesamten, seit Jahresbeginn zwangsvereinten Ort: An der Spitze der Spielmannszug der Deutschen Arbeitsfront ging es bis zum Zimmerergewerbe – mittendrin die Künstler, umgeben von Rechtsanwälten und Revisoren.[12]

Für Fränkel - kein Platz!

 

„Werdenfelser Künstler im Haus der Deutschen Kunst“

Im Juli 1937, ein Jahr nach dem Ende der Olympischen Winterspiele in Garmisch-Partenkirchen, berichtet das Garmisch-Partenkirchner Tagblatt von den Werdenfelser Künstlern, die im Haus der Deutschen Kunst ausgestellt haben.

Paul Geißler war mit zwei Kunstwerken vertreten, „die in ihrer Art in der ganzen Ausstellung einzig sind. Nirgends war unserem Empfinden gemäß Licht so gesehen und gebannt wie hier. Licht, das im Schnee spielt und huscht und tanzt und doch abgeklärt ruhig, geheimnisvoll und wieder ganz natürlich erscheint - „Scheidende Wintersonne am Eibsee“, das andere stellt unsere liebe, idyllische Ballengasse in Partenkirchen dar mit Blick auf die Alpspitze.“

Oskar Mulley wird „als ein Meister besonderer Artung“ gewürdigt. „Empfindsam und fein in der Farbe, zeigt sich Oskar Mulley mit seinem Bild „Hochtal“. Gewaltig starren die Berge hoch.“ Professor Wackerle ist mit zwei Statuen vertreten, “Mädchen mit Krug“ und „Jüngling“. „Symbolhaft, weil der Künstler mit dem Mädchen das Volk, mit dem Jüngling die Erde ausdeuten will.“[13]

Fränkel gehörte nicht dazu.

 

„Unsere Künstler haben ausgestellt. Ein Gang durch das Kurhaus“

Im August 1937 zeigte die NS-Kulturgemeinde, Ortsgruppe Garmisch-Partenkirchen heimische Künstler, zusammengetrommelt zu einer Ausstellung im vielbesuchten Kurhaus Garmisch am Festsaal. Garmisch-Partenkirchen sei ein Eldorado für den Künstler der Farbe, Bilder aus der Alpenwelt. Hubert Breuer mit „Dreitorspitze“ und „Alpspitze“, Hellmann, Geißler, Theiß und Rosl Reiser, Lo Hiller „malt markant und knapp“, Oskar Schulz mit „Ballengasse“, Stöckl mit „Floriansplatz“. Abschließend heißt es: „Unsere Berge lassen nur eine gesunde und edle Malerei reifen.“[14]

Fränkels Berge waren die Falschen.

 

„Kraft-durch-Freude“-Grundsätze

Schon im Juni 1937 hatte eine Arbeitstagung der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ den Grund dafür genannt, warum Fränkel nicht dazugehörte: „Die Kultur ist total.“ KdF-Gauwart Härtel erklärte „die Totalität der kulturellen Lebensgestaltung“ sei erreicht.

Wie auf politischem, sozialem und auf allen anderen Lebensgebieten „alles zusammengefasst und unter die Hoheit der Partei gestellt worden ist“, so müsse es auch auf dem kulturellen Gebiet sein. „Wie das tägliche Brot braucht der Deutsche geistige Auffrischung und Aufrichtung, die ihm sittliche Stärke und Kraft geben, das Leben zu meistern.“[15]

 Fränkel wollte sich nicht „zusammenfassen“ lassen. Er war jetzt in Ohlstadt. Der „Zusammenfassung“ viel zu nahe. Cortina d`Ampezzo lockte.

 

NS-Kreisleiter Heinrich Schiede und die Kunst

Der Garmisch-Partenkirchner NS-Kreisleiter Heinrich Schiede – 1943 bis 1945 - überschrieb sein Programm mit dem Leitsatz „Erziehung der Willigen, Ausschaltung der Abseitigen.“ Seine Maxime hieß „Kunst – eine zum Fanatismus verpflichtende Mission“.[16]

Um die Wirklichkeit des Krieges und der Diktatur durch dreiste Phrasen zu verbergen - dafür wählte Schiede zum Ende des Jahres 1943 ein neues Agitationsfeld - die Kunst. Vor der Er-öffnung der jährlichen Kunstausstellung im Dezember 1943[17] begab er sich kurz auf das Feld der Kunstgeschichte, fragte nach dem örtlichen „Anteil an der Entwicklung der deutschen Kunst“ und vermisste eine „markante nationale Eigenart“ in der Werdenfelser Malerei, für ihn eine „bedenkliche Schattenseite“.

   
 

NS-Kreisleiter Heinrich Schiede

Olympia-Festsaal am Kurpark Garmisch –
Am 9. November 1938 wurden von hier aus alle jüdischen Frauen und Männer aus dem Ort gejagt. (Foto: Marktarchiv Garmisch-Partenkirchen)
 

Seine Rede zur Eröffnung der Ausstellung war ganz auf „nationale Eigenarten“ abgestimmt. „Es gibt keine internationale Kunst“, erklärte er, „international ist nur der Jude.“ Und „der Jude“, der „durch das Vorhandsein des deutschen Volkes an seine Minderwertigkeit erinnert“ werde, „möchte uns ausrotten.“ Die abstruse Agitation Schiedes und die mörderischen Aktivitäten seiner „Führer“ in Auschwitz zur gleichen Zeit waren kein Widerspruch, sondern ergänzten sich: Auch in Garmisch-Partenkirchen, weit weg vom täglichen Massenmord, aber vielleicht nicht weit genug, sollten die Rollen klar definiert sein: Juden als Täter, Deutsche als Opfer.

Dazu passte das zweite Thema Schiedes: Deutschlands Recht zum gegenwärtigen Krieg. Aus einem Volk der Dichter und Denker seien die Deutschen zu einem Volk geworden, das verstanden habe, „dass es auch Boden und Raum“ brauche – und Macht.

Bei einer Tagung des Kreiskulturamtes im April 1944 zog Schiede der Kunst und der Kultur im Werdenfelser Land neue, engere Grenzen. Bisher hatte er „nationale Eigenart“ vermisst, jetzt verbannte er auch noch alle in Garmisch-Partenkirchen „in Erscheinung getretenen internationalen Gepflogenheiten“ und entschied, „nur was echt, was wahr, rein und deutsch ist, kann für uns kulturellen Wert besitzen.“ Zur Begründung wies er auf die Probleme hin, „die sich unserer kulturellen Arbeit in einem Ort entgegenstellen, der bis zum Ausbruch dieses Krieges als international gegolten habe.“

Die Offenheit des internationalen Kur-, Erholungs- und Olympiaortes war ihm ein Gräuel. Dieser Treffpunkt schwer kontrollierbarer Gedanken war stets verdächtig. Die Kunst sollte sich jetzt endgültig seinen Vorgaben fügen. Bei der Eröffnung der Wanderausstellung „Kunst in der Zeit“ Anfang Mai 1944 drückte er es so aus: „Es hat einmal Kulturschaffende gegeben, die zu beweisen versuchten, dass Kunst etwa Unpolitisches wäre.“ Für ihn war das eine „völlige Verkennung der inneren Zusammenhänge.“ Die NSDAP habe eine selbstverständliche „Führungsaufgabe auch auf kulturellem Gebiet.“ Schiede berief sich auf den „Führer“, für den Kunst „eine zum Fanatismus verpflichtende Mission“ geworden sei.

Fanatismus war jetzt Staatstugend.

 

Fränkel aber flüchtete nach Cortina d´Ampezzo – und wurde dort 1944 Opfer einer politischen Vergiftung. Auschwitz ...

 


[1] Partenkirchen, Münchnerstraße 33 bei Voggenauer – Karteikarte des Marktes Partenkirchen

[2] Werdenfelser Anzeiger – 08.08.1930: Bericht von der Ausstellung des Künstlerbundes Werdenfels in der Schnitzschule Partenkirchen. Gezeigt wurden Bilder von Toni Ascherl, Frl. Bermann, Frau Doposcheg, Dusch, Eber, Ende, Fränkel, Geißler, Haindl, Hellmann, Horn, Kaiser, Matzen, Traub, Uhlich. Begrüßung durch den Vorsitzenden Paul Geißler. Ehrengäste: Bezirksamtmann von Merz und Bürgermeister Döllgast. „Ein Rundgang vermittelte gute Eindrücke.“ 

[3] GPT 26.05.1933 – Rede Wagners anlässlich der Schlageter-Gedenkfeier auf der Zugspitze

[4] Protokoll der Sitzung des Gemeinderats Garmisch am 12.06.1933

[5] Kurt Fränkel, Sohn von Clemens und Luise Fränkel, erhielt am 23.04.1936 vom Präsidenten der Reichskulturkammer diesen Bescheid: „Die Ausübung einer von den Bestimmungen der §§ 4 - 6 der ersten Verordnung zur Durchführung des Reichskulturkammergesetzes vom 1.11.1933 (RGBl. I. S.797) erfassten Tätigkeit im Kunst- und Antiquitätenhandel ist Ihnen somit untersagt…“ Die Durchführung war zu überwachen durch die „Staatspolizeistelle Partenkirchen.“ (Fränkel, Kurt O. -1 - MAGAPA_Nr_1179_Blutschutzgesetz_Auszüge Teil 8) Was für den Sohn galt, hatte mit Sicherheit auch Gültigkeit für den Vater.

[6] GPT 12.12.1933 – „Die Arbeit des Kampfbundes der Deutschen Kultur“

[7] GPT 03.05.1933 – „Kampfbund für Deutsche Kultur – Ortsgruppe Garmisch-Partenkirchen“

[8] GPT 06.06.1933 – „Kunstausstellung `Der Kreis` in Garmisch“

[9] GPT 17.01.1934 – „Kunstausstellung in Garmisch-Partenkirchen – Aus dem Kulturleben Südbayerns“

[10] GPT 03.09.1934 – „Kunst des Werdenfelser Landes“

[11] GPT 12.09.1934 – „Der Tiermaler und Mensch Willy Tiedjen“

[12] GPT 29.04.1934 – „Lokales: Zugaufstellung für den 1. Mai“

[13] GPT 24.07.1934 – „Werdenfelser Künstler im Haus der Deutschen Kunst“

[14] GPT 10.08.1937 – „Unsere Künstler haben ausgestellt. Ein Gang durch das Kurhaus“

[15] GPT 18.06.1937 – „Auch die Kunst ist total Gauwart Härtel über die Mitarbeit der Vereine in der NSG `Kraft durch Freude`“

[16] GPT 14.12.1943, 20.12.1943, 24.04.1944, 04.05.1944

[17] Ausgestellt wurden Werke von A. Bauriedl, Heinrich Betzold, Eugen Dekkert, Getrud Fabian, Franz Götze, Hans Heinzeller, Jakob Hellmann, Hugo Hodiener, Hans Holzner, Hans Horr, Klaus Huisgen, Erich Kittmann, Andreas Lang, August Maninger, Fritz Modell, Oskar Mulley, Hermann Peters, Carl Reiser, Salvini-Plawen, Max Sammet, Traudl Schreyögg, Luise von Schrenk, Raffael Schuster-Woldan, Carl Traub

 

 

 

  

 

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