Garmisch-Partenkirchen und seine jüdischen Bürger  -  1933-1945

 

 

 

 

 

Hedwig Blum

Hedwig Blum, Schauspielerin (*21.4.1883 in Kassel; Eltern: Heinrich Zwi Dispeker, Kaufmann in Kassel, und Klara Dispeker, geb. Würzburger). Sie heiratete am 13.08.1904 in Hannover den Theaterdirektor Johann Blum (geb. am 12.04.1878 in Karlsruhe). Tochter Erika wurde am 23.02.1907 in Konstanz geboren und Sohn Willi Cäsar kam am 30.05.1908 in Konstanz zur Welt. Frau Blum ging am 28.03.1917 von Straßburg (Elsass) nach München

Mit dem Ersten Weltkrieg endete die Ehe der Blums; Johann Blum heiratete 1924 in
Karlsruhe Elisabeth Preisendanz. Hedwig Blum zog mit Tochter Erika und Sohn Willi nach München und später nach Garmisch-Partenkirchen, wo sie in der Archstraße 17 oder 19 ein Haus erwarb.
Seiner Mutter scheint der Sohn viele Sorgen bereitet zu haben: Er beendete früh die Schule und machte eine Lehre als Graphiker. Eigentlich wollte er Kunstmaler werden, doch die einsetzende Weltwirtschaftskrise zwang auch ihn wie viele andere Menschen zu einem unsteten Leben mit wechselnden Berufen, Aushilfsjobs und Unterkünften. Vielleicht heiratete Willy Cäsar Blum deshalb im Mai 1931 in München die sechs Jahre ältere Filialleiterin Anna Noichl. Ihre Familie betrieb in Schwabing mehrere Lebensmittelgeschäfte. Der Verbindung war kein Glück beschieden, da Willi Cäsar Blum seine Frau mehrfach betrog. 1933 oder 1934 verliebte er sich in die junge Haustochter Maria Behle, eine Liaison, die nicht ohne Folgen blieb. Anna Noichl reichte die Scheidung ein. Die erzürnte Ehefrau zeigte ihren Mann darüber hinaus im November 1934 als angeblich hochverschuldeten Betrüger beim Passamt an: Willi Cäsar Blum wolle sich deshalb ins Ausland absetzen. Die Münchner Polizei begann zu ermitteln. Aus dem privaten wurde ein politisches Drama: Denn Willi Cäsar Blum galt als sogenannter „Halbjude“, die geplante Ehe mit Maria Behle war nach den Nürnberger Gesetzen nicht mehr möglich.

München, Jägerstr. 2, verließ Hedwig Blum am 12.12.1934 und zog nach Garmisch-Partenkirchen in die Archstraße 19 oder 17a. Sie kehrte am 14.12.1938 nach der Garmisch-Partenkirchner Reichskristallnacht wieder nach München zurück und wohnte dort seit 31.12.1938 zunächst in der Nussbaumstraße 12/III bei Freundlich und seit 18.07.1939 in der Georgenstraße 99/II bei Freundlich.

Im Adressbuch der Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen aus dem Jahre 1937 ist Erika (?)  Blum als Hausbesitzerin in der Archstraße 17a verzeichnet (Fl.Nr. 1448 1/7 a,b).

Am 27.11.1938, wenige Tage nach der „Reichskristallnacht", wandte sich Herr von Meyerin(c)k aus Jüterbog an die Ortspolizei Garmisch-Partenkirchen mit dem Ersuchen, ihm bei der Beschaffung eines Ölbildes („Madonna mit Kind") behilflich zu sein, das er Frau Blum 1924 in München – er war in den Jahren 1923/24 ihr Untermieter in der Jägerstraße 2 - zur Aufbewahrung übergeben habe.

Am 27.01.1939 verkaufte Hedwig Blum das Garmisch-Partenkirchner Grundstück (Archstraße 19, Wohnhaus mit Garten, Fl.Nr.1448 1/7 a,b) an Rechtsanwalt Dr. Otto Leibrecht aus Krailling. Der Kaufvertrag, der von dem Notar Wilhelm Gutbrod (München, Kaufingerstraße 29) beurkundet wurde, wurde gemäß § 8 der Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens vom 3.12.38 R.G.Bl. I S.1709 unter der Auflage genehmigt, dass sämtliche Zahlungen aus dem Kaufvertrag auf ein für den Verkäufer zu errichtendes Sonderkonto zu leisten waren, über das nur mit Zustimmung des Oberfinanzpräsidenten München (Überwachungsabteilung) sowie des Finanzamtes München Süd verfügt werden durfte. Außerdem musste Frau Blum umgehend auf das Treuhänderkonto des Beauftragten des Gauleiters und Regierungspräsidenten Wagner (Bayerische Vereinsbank in München No. 208007) den Betrag von 713.- RM für die Bewachung ihres Anwesens bezahlen. Landrat Dr. Wiesend und Bürgermeister Scheck wurden vom Regierungspräsidenten in Kenntnis gesetzt.

 

Hedwig Blum wurde am 20. November 1941 von München in das Ghetto Kowno (Kaunas) deportiert und dort am 25. November 1941 (05. Kislev 5702) ermordet.

 

Quellen:

Staatsarchiv München - LRA Garmisch-Partenkirchen 61668, 61665

Bundesarchiv: Gedenkbuch - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945

Stadtarchiv München - Gedenkbuch der Münchner Juden 1933-1945

 

 

 

Literatur:

Susanne Meinl, Pullacher Lebenswege. Geschichte der antisemitisch verfolgten Bevölkerung (München 2018)

 

 

© Alois Schwarzmüller 2006