Garmisch-Partenkirchen und seine jüdischen Bürger - 1933-1945 |
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Ludwig und Margarete Altschüler Ludwig Altschüler (*13.7.1885 in Neustadt, Kommerzienrat und Direktor bei der Dresdner Bank) und seine Frau Margarete (*24.02.1892 in Gera, geb. Halpert) lebten bis 1937 in Neustadt (damals: an der Haardt, heute: an der Weinstraße), Maximilianstraße 28. "Margarete war die älteste Tochter von Eugen Halpert (*1864 in Jutroschin bei Posen +1930 in Gera) und Elise, geb. Wolff (*3.4.1868 Bernburg +1932? in Gera). Anni (*31.3.1895 in Gera) und Erna (*28.10.1902 in Gera) hießen ihre Schwestern." (Matthias Weibrecht, Gera, 2015) Nach seiner Zwangspensionierung durch die Dresdner Bank in Gera bemühte sich Ludwig Altschüler, wohl in dem Glauben, er sei als Jude fern seiner pfälzischen Heimat und in ländlicher Umgebung besser vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten geschützt, im Bezirksamt Garmisch darum, ein Haus für die Familie zu erwerben. Der Kauf von Immobilien war jüdischen Bürgern im Bezirksamt Garmisch aber schon seit dem Beginn der Nazi-Herrschaft erschwert oder unmöglich gemacht worden. Nach zunächst erfolglosen Bemühungen in Oberammergau konnte das Ehepaar Altschüler schließlich im Jahre 1938 im Krüner Ortsteil Bärnbichel das Haus Nr. 91 mieten (Hauseigentümer war der Justizrat und Notar Ludwig Sailer aus Garmisch-Partenkirchen, Bahnhofstraße 62) und durfte dort bis zum 10. November 1941 wohnen. An diesem Tag wurden Ludwig und Margarete Altschüler von der örtlichen Polizei nach München in ein Kloster in Berg am Laim deportiert. Vier Monate später, am 12. April 1942, kamen sie von dort in ein Sammellager im Münchner Stadtteil Milbertshofen. An Ostern 1942 wurden sie von München in einem der großen Transporte nach Piasky bei Lublin in Polen gebracht. Im Lubliner Konzentrationslager Majdanek wurden mindestens 350000 Juden ermordet.
1. Aus den Aufzeichnungen von Heinz Altschüler „Schon früh, etwa 1935/36, suchten meine Eltern einen Wohnsitz im Bayerischen. Ein Grundstück in Oberammergau konnten sie nicht kaufen, da der Grunderwerb durch Juden nicht genehmigt wurde. So kamen sie dann etwa 37/38 auf Krün am Bärenbichel, eine Erdgeschoßwohnung. Das Haus gehörte einem Notar Sailer aus Garmisch-Partenkirchen. Es war der große Irrtum meiner Eltern, zu meinen, sie könnten sich auf dem Land verstecken. Gleichzeitig kam es zu Schwierigkeiten wegen der Adoption eines arischen Kindes durch Juden. Die Aufrechterhaltung dieses Adoptivverhältnisses war letztlich nur möglich, wenn das Kind die überwiegende Zeit des Jahres nicht im Elternhaus lebte. So kam ich in das Landerziehungsheim Schondorf am Ammersee... In den Ferien fuhr ich nachhause, 1937 und Anfang 1938, später dann nach Krün. Das Haus in Neustadt wurde unter dem Druck des Nazi-Regimes verkauft... Am Anfang hatten wird dort (in Krün) noch ein Hausmädchen, die Dina aus Neustadt. Sie war über 60 Jahre und durfte bei Juden arbeiten. Ihr war aber bald die Isolation zu groß und sie ging wieder in die Pfalz zurück. Eine Nachbarin, Frau Bartels, hat meinen Eltern sehr geholfen, speziell im Praktischen. Sie besorgte teils auf Umwegen Lebensmittel... Sofort bei Kriegsbeginn mußten meine Eltern das schöne Auto abgeben. Große Aufregung gab es und viel Ärger, als ich den Sohn des Ortsgruppenleiters mit dem Rad angefahren und verletzt hatte. Die Leute haben eine Menge Geld dafür von meinen Eltern erpreßt.... Wir haben sehr bald in Krün das obere Stockwerk des Hauses auch noch angemietet und möbliert. Meine Eltern suchten dann passende Mieter. Als Erstes zog Staatssekretär Zarten ein, der später im Zusammenhang mit dem Hitlerputsch liquidiert wurde. Anschließend hatte ein Herr Freudenberg aus Heidelberg die Wohnung als Feriensitz. Hier im ersten Stock stand ein Radio, an dem meine Eltern Nachrichten hören konnten. Juden war der Besitz von Rundfunkgeräten verboten. Meine Eltern hatten, wie ja schon zum Ausdruck kommt, viele mehr oder weniger große Schwierigkeiten. Hilfe kam von Freunden, so von Dr. Anton Pfeiffer, einem Pfälzer, damals Leiter des Elisabeth-Gymnasiums in München, und Dr. Sepp Müller, damals Rechtsanwalt in München, und natürlich Helene. So kam es, daß meine Eltern häufiger in München waren. Während sie Anfang der Dreißigerjahre immer im Parkhotel am Lenbachplatz gewohnt hatten (gibt es nicht mehr), wohnten sie später in der Pension Liesecke in der Widenmeyerstraße an der Isar. Nachdem die Situation für Juden sich immer mehr zuspitzte, versuchten meine Eltern auf verschiedenen Wegen die Lösung dieser Probleme. Sie wollten sich arisieren lassen, eine Möglichkeit, die durch die Zahlung von viel Geld - es ging um eine halbe Million, ursprünglich wollten die Leute eine Million - gegeben war. Durch die Flucht von Rudolf Heß nach England, der die letzte Unterschrift leisten sollte, hat sich dies zerschlagen. Mit Helene war ich 1940 bei Gauleiter Bürkel in Neustadt, er residierte 5 Häuser weiter neben unserem ehemaligen Haus in der Maximilianstraße. Er sollte meinen Eltern die Möglichkeit einräumen, in die Pfalz zurückzukehren, da die Juden von dort nach Frankreich deportiert wurden. Meine Eltern sprachen beide Französisch und erhofften sich so bessere Überlebenschancen. Bürkel lehnte ab. Noch vor Beginn des Krieges haben meine Eltern eine Ausreise nach Luxemburg vorbereitet... Ein weiterer Versuch war eine geplante Ausreise nach Südamerika. Da dort erster Klasse eingereist werden mußte und auch andere Garantien notwendig waren, suchten und fanden meine Eltern in der Schweiz eine Dame, Fräulein v. Waldkirch, die sowohl die Zahlung leisten wollte, als auch entsprechende Garantien gab. Ich sollte mit Helene eine Ferienreise auf die Kanarischen Inseln machen und von dort nachkommen. Letztlich war aber alles zu spät, meine Eltern wollten es einfach nicht glauben, daß rechtschaffenen alteingesessenen Bürgern ernsthaft etwas passieren könnte. Auch wollten sie sich nicht ohne weiteres ganz von mir trennen.
Am 10. November 1941 mußten sie sich in einem Lager in München-Milbertshofen melden. Unter außerordentlichem Einsatz, vor allem auch von Helene, wurde die Wohnung in Krün aufgelöst. Was mir überschrieben war, Möbel usw., kam nach Mittenwald in eine Garage. Alles Geschirr, Silber, Wäsche usw. wurde hauptsächlich von Helene verpackt und nach Schondorf geschafft, nichts ging kaputt. Die übrigen Sachen kamen nach Wallgau zu einem Bauern und wurden dort abgeholt. Ein Sofa erhielt ich nach dem Krieg zurück, das der Bauer für seinen eigenen Gebrauch „abgestaubt" hatte. Meine Eltern meldeten sich dann in Milbertshofen, wo das Wachpersonal als Erstes meinem Vater Füllfederhalter und Uhr abgenommen hat. Von Milbertshofen wurden meine Eltern schon nach wenigen Tagen in ein ehemaliges Kloster nach Berg am Laim verlegt. Dort ist heute eine Gedenktafel an das Lager angebracht. In Berg a. Leim konnte man Besuche machen. Männer und Frauen waren hier getrennt untergebracht, je in einem Raum 8 Personen in 4 Doppelstockbetten. Weihnachten 41 war ich mit Helene in der Pension Liesecke. Wir hatten einen kleinen Baum in einem Blumentopf. Von dort aus besuchten wir mehrfach meine Eltern. Die haben mir damals eine heiß gewünschte elektrische Laubsäge geschenkt, die sie mit Hilfe eines Baron Hirsch, jüdischer Bankier aus München, organisieren konnten. Schon Januar oder Februar sollten meine Eltern mit einem Transport nach Polen kommen. Aus irgendwelchen Gründen wurden sie aber zurückgestellt, nur ihr Gepäck, was sie mitnehmen durften, wurde verladen und war weg. Um Ostern 1942 wurden sie dann aber doch deportiert nach Piasky bei Lublin in Polen. Von dort erhielten wir noch ab und zu Post, bis Ende Oktober. Ab da erhielten wir keine Nachricht mehr, sie waren und blieben verschollen. Am 14. Juni 1948 wurden sie amtlich für tot erklärt."
2. Aus dem Tagebuch von Else R. Behrend-Rosenfeld
Isartal, Sonntag, den 6. Juli 1941
München, Sonntag, den 3. August 1941
Berg a. Laim, Sonntag, den 16. November 1941
Berg a. Laim, Sonntag, den 4. Januar 1942
Berg a. Laim, Sonntag, den 12. April 1942
3. Berichte der Gendarmerie Garmisch-Partenkirchen
und Wallgau
23.09.1940 /
GS-Wallgau
29.01.1941 / Gendarmerie Kreis Garmisch-Partenkirchen an das Bezirksamt
Garmisch:
29.05.1941 / Gendarmerie Kreis Garmisch-Partenkirchen an den Landrat:
28.11.1941/ Gendarmerie Kreis Garmisch-Partenkirchen an den Landrat:
Quellen: Aufzeichnungen von Heinz Altschüler, Adoptivsohn des Ehepaars Altschüler - Archiv des Verfassers Else R. Behrend-Rosenfeld, Ich stand nicht allein. Leben einer Jüdin in Deutschland 1933-1944 (München 1988) S. 137 ff - Tagebuch von Else R. Behrend-Rosenfeld, Leiterin des Wohnheimes im Kloster in Berg am Laim Staatsarchiv München: LRA Garmisch-Partenkirchen 61618 - Berichte der Gendarmeriestationen Garmisch-Partenkirchen und Wallgau Bundesarchiv: Gedenkbuch - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945
Ergänzende Literatur: Margarete und Ludwig Altschüler - Maximilianstraße 37 - in: Vorbei - Nie ist es vorbei. Beiträge zur Geschichte der Juden in Neustadt - Schriftenreihe der Bezirksgruppe Neustadt im Historischen Verein der Pfalz Nr. 13 - Herausgegeben von Paul Habermehl und Hilde Schmidt-Häbel (Neustadt an der Weinstraße 2005) S. 204 - 208 Rainer Winkler, 100 Jahre
Tennis Club Rot-Weiss e.V. Neustadt an der Weinstraße - 1896-1996.
(Neustadt an der Weinstraße 1996) S. 23 |
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