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Burgrain - der "dritte Ortsteil" von Garmisch-Partenkirchen 1939-1989 |
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Georg Mangold
Kaplan, Kurat, Pfarrer, Direktor, Monsignore - einfach nur „Arbeiterpriester“ hätte auch gepasst. Im Bauerndorf Saulgrub zur Welt gekommen und groß geworden, hat er diese Welt mit seinem Tatendrang und mit seiner Herzlichkeit 82 Jahre lang durchpflügt und Spuren hinterlassen bei allen, denen er begegnet ist. Die Welt ist durch ihn heller geworden. Im Dezember des vergangenen Jahres hat sich sein Lebenskreis geschlossen - auf dem Friedhof zu Saulgrub fand er seine letzte irdische Ruhestätte. Mehr als zehn Jahre seines Lebens stand für Georg „Schorsch“ Mangold der Garmisch-Partenkirchner Ortsteil Burgrain im Mittelpunkt seines Lebens. Man könnte auch sagen, er selbst war in dieser Zeit so etwas wie die personifizierte Mitte der „Siedlung Burgrain“. Mit ihm ist Burgrain eigentlich erst so recht zum selbstbewussten Ortsteil von Garmisch-Partenkirchen geworden. Die Siedlung auf dem ehemaligen „Farchanter Gröben“, erster Spatenstich 1939, Eingemeindung nach dem Zweiten Weltkrieg, seit 1948 offiziell mit der Bezeichnung „Burgrain“ versehen, war ja noch lange kein „Dorf“. Da gab es die „Alte Siedlung“, die „Neue Siedlung“, die „Heimkehrersiedlung“. Und unentwegt wurde weiter gebaut - ein Siedlungsprojekt folgte dem anderen. Stolze Rechenschaftsberichte der verschiedenen Genossenschaften und kommunalen Unternehmungen künden davon. Und mit den Wohnungen kamen nicht nur Möbel, Hausrat, Teppiche, sondern Menschen. Es kamen Frauen und Männer, Kinder und Jugendliche, die erst lernen mussten, miteinander zu leben. Heimatvertriebene und Kriegsveteranen waren es, Hotelpersonal aus allerlei Ländern, kleine Handwerker und einige haben sogar ein Geschäft eröffnet. Die meisten von ihnen waren vom Tourismus der zwanziger und dreißiger Jahre und von den Kriegs- und Nachkriegszeiten der vierziger Jahre in die Region gespült worden. Georg Mangold und sein Weg: Kaplan, Kurat, Pfarrer, Direktor, Monsignore – einfach nur „Arbeiterpriester“ hätte auch gepasst. Im Bauerndorf Saulgrub zur Welt gekommen und groß geworden hat er diese Welt mit seinem Tatendrang und mit seiner Herzlichkeit 82 Jahre lang durchpflügt und Spuren hinterlassen bei allen, denen er begegnet ist Ein Merkmal war fast allen zu eigen: Sie waren keine „Einheimischen“ im Sinne derer, die seit hundert und mehr Jahren stolz und satt in Garmisch und in Partenkirchen Grund und Boden mit Haus und Hof besaßen. Sie mussten sich mit einem Stück Land oder einer Wohnung bescheiden, soweit sie am Fuße der Burgruine Werdenfels auf dem Schwemmland des Lahnewiesgrabens erschwinglich waren. Nicht selten kamen sie aus krankmachenden Kellerwohnungen, aus Notquartieren in den Loisachauen, in den meisten Fällen aus der Enge und den untragbaren Zuständen der Wohnraumbewirtschaftung in Folge des Zweiten Weltkrieges. Von Zufällen und Schicksalsschlägen des Lebens zusammengewürfelt und nicht über Jahrhunderte gewachsen wie die alten Dörfer Partenkirchen und Garmisch. Von dort blickten nicht wenige unverhohlen misstrauisch auf die Burgrainer Neubürger. „Nazisiedlung“ hieß es, „Glasscherbenviertel“.
Einer, der diesen Menschen eine Wohnstatt geben konnte, eine innere und eine äußere, auch eine Portion Selbstachtung, das war der junge Kaplan Georg Mangold. Er nahm sich ihrer Alltagsanliegen genau so an wie ihrer seelischen Nöte und Kümmernisse. Er war ihr Priester am Sonntag und an den Werktagen. Er wollte zusammenführen. Die erste Burgrainer Fronleichnamsprozession zog im Juni 1962 durch die alte und die neue Siedlung und später von der Heimkehrersiedlung zu den Wohnblöcken am Kirchweg. Im März 1962 wurde der Kaplan Georg Mangold von seinem Bischof zum Kuraten ernannt und damit beauftragt, die Seelsorgsgemeinde St. Michael Burgrain zu errichten. Da war er 35 Jahre alt und stürzte sich mit Feuereifer und jeder Menge Nächstenliebe in seine Aufgaben. Er hatte immer ein Lachen auf den Lippen, ein ansteckendes, ermunterndes Lachen war es, dem man sich kaum entziehen konnte. Eine Haarsträhne hing ihm ins Gesicht, die den Schwung unterstrich, mit dem er ans Werk ging. Im April 1962 erfolgte der erste Spatenstich für das neue Gotteshaus, am 8. September 1963 wurde die Kirche von Julius Kardinal Döpfner dem Heiligen Michael geweiht. In dem Heftchen „Zur Weihe der Kirche“ schrieb Georg Mangold: „Wie unser Kirchbau gleich einem Schiff nach Osten weist, soll der Blick der betenden, opfernden Gemeinde Christus, dem wiederkommenden Herrn, entgegengerichtet sein. Nicht der Vergangenheit verhaftet, in der Gegenwart stehend, für die Zukunft lebend, wird ER, Christus, Gegenwart und Zukunft unserer Gemeinschaft sein müssen.“ Nur ein Jahr später, im Oktober 1964, erhielt die Pfarrei St. Michael und mit ihr der Ortsteil Burgrain einen neuen, lichten, geräumigen Kindergarten, in dem 120 Kinder aufgenommen werden konnten. Der seit 1946 bestehende kleine Gemeindekindergarten im Anschluss an die „Notkirche“ in der Grubenkopfstraße wurde geschlossen und der Kurat setzte sich erfolgreich dafür ein, dass die kommunalen Finanzmittel auch dem neuen Pfarrkindergarten zur Verfügung gestellt wurden. Vielleicht war das der erste Schritt des Georg Mangold in die Kommunalpolitik ohne selbst ein Mandat anzustreben. Bei der Erhebung der Kuratie St. Michael zur Pfarrei und bei der Ernennung von Kurat Mangold zum Pfarrer bedankte sich jedenfalls Bürgermeister Philipp Schumpp für die gute Zusammenarbeit der beiden Gemeinden, der politischen und der Pfarrgemeinde. Nach dem Neubau der Pfarrkirche und des Pfarrkindergartens steuerte Georg Mangold ein drittes Objekt an, wichtig fürs Burgrainer „Dorf“ - eine eigene Schule für den Ortsteil. Das war heftig umstritten. Im Juni 1968 ergriff er die Initiative und lud die „Elternschaft der volksschulpflichtigen Kinder von Burgrain“ zu einer Debatte mit den Rektoren der Schule von Garmisch und Partenkirchen ins „Rasthaus Burgrain“ ein, kritisierte deren Widerstand gegen eine Burgrainer Grundschule, äußerte den Verdacht, dass die Burgrainer Kinder in den Schulen des Ortes benachteiligt würden und sprach ein unmissverständliches „Ja“ zu einer Burgrainer Schule. Fünf Jahre zog sich die Auseinandersetzung um diese wichtige Einrichtung für Burgrain noch in die Länge - im Juli 1973 wurde Pfarrer Mangold aus Burgrain verabschiedet, im September öffnete die Grundschule Burgrain ihre Pforten für 172 Kinder. Da er den Verdacht nicht los wurde, dass die Interessen „seines“ Ortsteils im Gemeindegremium zu wenig berücksichtigt würden, setzte er sich vor der Gemeinderatswahl 1972 für die Bildung einer eigenen „Burgrainer Liste“ ein. Der Erfolg gab ihm recht. Mit Karl Volkmer, Kirchenpfleger der Pfarrei St. Michael seit den Anfängen, eroberten die parteifreien Burgrainer einen Sitz im Gemeinderat, freilich nur für kurze Zeit. Es nimmt nicht wunder, dass bei der Verabschiedung von Pfarrer Mangold im Juli 1973 neben den Verdiensten für seine Pfarrgemeinde auch die kommunalen Leistungen gewürdigt wurden. 2. Bürgermeister Toni Neidlinger überreichte ihm die Ehrenplakette des Marktes Garmisch-Partenkirchen mit den Worten: „Er hat das kommunale Leben des Ortsteils Burgrain viele Jahre entscheidend mitge-prägt.“ Landrat Wilhelm Nau nannte ihn den „heimlichen Bürgermeister von Burgrain“. Sein Werk wäre kaum möglich geworden, wenn er es nicht auch verstanden hätte, auf Menschen zuzugehen, vorurteilsfrei und unkompliziert. Er war eine Integrationsfigur, überzeugend, glaubwürdig in der persönlichen Lebensweise. Für Burgrain ein Segen. Viele hat er für die junge Pfarrgemeinde begeistert und zum Mitmachen bewegt. 1968 wurde der erste Pfarrgemeinderat gewählt, eine hoffnungsfrohe Gemeinschaft gläubiger Menschen im Dienst ihrer Kirche. 42 Mitglieder zählte die Katholische Jugend Burgrain, mit der ihr Pfarrer Aufführungen der Staatsoper München besuchte, die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Dachau besichtigte oder Beispiele moderner Sakralbauten studierte. Und wenn es beider Zeit zuließ, hat er Julius Kardinal Döpfner auf die Gipfel der Werdenfelser Bergen geführt. Von dort aus hat man einen besonders schönen Blick auf die Schöpfung Gottes. Bei der Abschiedsfeier im Juli 1973 stand noch einmal die Schule im Mittelpunkt. In einem Gedicht der Kleinsten heißt es:
Aus dem Burgrainer „Herrn Pfarrer“ wurde jetzt der „Herr Direktor“ des Spätberufenen-Seminars St. Matthias in Wolfratshausen/Waldram und einige Jahre später der „Herr Monsignore“ in der Rolle des Regens im Münchner Priesterseminar St. Johannes der Täufer. Wenn alle, die bei ihm in Waldram und in München „in d`Lehr“ gegangen sind, auch vom „Arbeiterpriester“ etwas mitgenommen haben, dann kann es um die Seelsorge in unserer Erzdiözese München und Freising nicht schlecht stehen.
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Alois Schwarzmüller
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