Burgrain - der "Dritte Ortsteil" von Garmisch-Partenkirchen 1939-1989

 

 


Vom "Farchanter Gröben" zur "Siedlung Burgrain"
– Aus- und Umsiedlung zwischen 1939 und 1948


Auf der Suche nach Bauland

Seit 1930 und früher schon wurde in den Gemeinden Garmisch und Partenkirchen nach Bauland für eine „Randkleinsiedlung" gesucht, und zwar für Familien, die sich keinen „normalen" Baugrund leisten konnten. Die Einwohnerzahlen waren seit der Jahrhundertwende sprunghaft gestiegen – knapp 2500 Einwohner lebten um 1900 in beiden Dörfern, am Beginn der dreißiger Jahre waren es schon 13000. Der stark wachsende Tourismus und die Aussichten auf olympische Winterspiele 1936 gaben Anlass für den Zuzug. Viele Frauen und Männer waren aus Niederbayern und anderen Teilen des Landes und des deutschen Reiches ins Hotelgewerbe und in verschiedene Handwerkszweige zugezogen.

Noch 1937 lehnte Bürgermeister Scheck in einem Schreiben an Landrat Dr. Wiesend den Bau einer „Kleinsiedlung" allerdings ganz entschieden ab: „In der Gemeinde Garmisch-Partenkirchen ist im Jahre 1937 die Schaffung einer Kleinsiedlung nicht geplant. Kleinsiedlungen sind hier unwirtschaftlich. Die teuren Grundstückspreise und die örtlich hohen Baukosten bringen bei Erstellung von Einzelhäusern Belastungen und damit Mieten, die von dem einzelnen Siedler nicht mehr getragen werden können. Ebenso erscheint die Gewinnung von Bodennahrung fraglich, zumindest aber infolge des Hochgebirgseinflusses gefährdet. Geeignetes Siedlungsgelände steht nicht zur Verfügung."

Was den Umschwung herbeigeführt hat, ist nicht aktenkundig. Aber 1938 ordnete der nationalsozialistische Kreisleiter Hans Hausböck eine „Gemeinschaftsaktion" zur Rodung des Baugebiets auf dem „Farchanter Gröben" an. Für etwa 400 Frauen, Männer und Kinder wurde im Jahr darauf auf Farchanter Flur gebaut. Im Vorfeld dieser Geschehnisse können keine Gespräche oder Verhandlungen zwischen der Gemeinde Farchant, dem Markt Garmisch-Partenkirchen oder der NS-Kreisleitung nachgewiesen werden.

Dem Aufruf zur Rodungsaktion hatten SA-Mitglieder aus Garmisch-Partenkirchen und Umgebung Folge geleistet, Beamte und Angestellte staatlicher und nationalsozialistischer Organisationen waren beteiligt - und verschiedene Geschäftsleute, die die Brotzeiten spendierten.

Im Juli 1939, die ersten Siedlungshäuser waren eben bezugsfertig, gab der Farchanter NS-Bürgermeister Wilhelm Kemitz zu verstehen, dass er und sein Gemeinderat mit der notwendig gewordenen Änderung der Grenzen des Gemeindebezirks Farchant einverstanden waren. Man beschloss, „die südöstlich der Olympiastraße nach Garmisch gelegenen Pl.Nr. 511 und 510 an die Gemeinde Garmisch-Partenkirchen abzutreten" und war sogar bereit, für eine „spätere Erweiterung der Siedlung" die Plan-Nummern südlich des Lahnewiesgrabens bis zur jetzigen Gemeindegrenze abzutreten.


Flurplan Gemarkung Farchant um 1900 - mit Loisach und Lahnewiesgraben
(Quelle: Bayerische Staatsbibliothek)

Blick auf das Loisachtal mit Garmisch, Farchanter Gröben und Farchant um 1925


Kleingärten mit „besonderer Bedeutung auch in diesem Krieg"

Im Dezember 1939, wenige Wochen nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges, setzte sich das Bayerische Wirtschaftsministerium für die Förderung von Kleingärten ein – wenn dies dem Krieg diente. In einem Schreiben an die Kreisverwaltungsbehörden hieß es:

„Wie seinerzeit im Weltkrieg kommt der Förderung des Kleingartenwesens auch in diesem Krieg eine besondere Bedeutung zu. Wenn zwar in dem gegenwärtigen Kampf von vorneherein eine ausreichende Versorgung mit den die Grundlage der Ernährung bildenden Lebensmitteln gesichert ist, so sind gleichwohl auch jetzt die Erzeugnisse des Kleingartens und der vielfach dort betriebenen Kleintierhaltung für die Versorgung der Kleingärtnerfamilien und damit für die gesamte Ernährungslage des deutschen Volkes von nicht zu unterschätzendem Wert. Die Neuanlage von Kleingärten ist deshalb mit größerem Nachdruck zu betreiben als dies im Frieden geschehen ist."


Vereinbarungsvertrag zwischen Farchant und Garmisch-Partenkirchen

Im Herbst 1941 wurde überraschend ein offizieller Vereinbarungsvertrag zwischen den Gemeinden Farchant und Garmisch-Partenkirchen beschlossen und genehmigt. Für Garmisch-Partenkirchen unterzeichnete NS-Bürgermeister Jakob Scheck am 16. September 1941 und für Farchant am 8. Oktober 1941 NS-Bürgermeister Wilhelm Kemnitz. Das Sechs-Punkte-Papier war vordatiert auf den 1. September 1939 – den Tag des Kriegsbeginns.

Aus dem Wortlaut der Vereinbarung:

„In der Erkenntnis, dass einerseits eine auf den geltenden Gesetzen beruhende Eingemeindung des Siedlungsgebietes im sogenannten "Farchanter Gröben" und damit die Schaffung klarer Rechtsverhältnisse wegen der infolge des Krieges ruhenden Bearbeitung des Eingemeindungsantrages in absehbarer Zeit nicht möglich ist, andererseits die bisher unterschiedliche verwaltungsrechtliche Behandlung dieses Gebietes unerwünschte Folgen für die Nachbargemeinden hatte und weiterhin, insbesondere nach Eintritt der Grundsteuerpflicht der Siedlungsgrundstücke, in Zukunft haben wird, sind der Markt Garmisch-Partenkirchen, vertreten durch dessen Bürgermeister und die Gemeinde Farchant, vertreten durch deren Bürgermeister, übereingekommen, zum Zwecke der Schaffung grundsätzlich klarer Verhältnisse bis zur rechtskräftigen Eingemeindung dieses Gebietsteiles folgende Vereinbarung unbeschadet der tatsächlichen Rechtslage abzuschließen:…

Das Siedlungsgebiet ist begrenzt - im Norden durch die alte Reichsstraße (PI.Nr. 510) - im Westen durch den Lainewiesbach bis zur Reichsstraße Nr. 23 - im Süden durch die Loisach - und im Osten durch den Bahnkörper zwischen Loisach und alte Reichsstraße (PI.Nr. 510)

Der Bürgermeister des Marktes Garmisch-Partenkirchen und der Bürgermeister der Gemeinde Farchant erkennen an und verpflichten sich, das Siedlungsgebiet im sogenannten "Farchanter Gröben" rechtsgeschäftlich, verwaltungstechnisch, öffentlich- und privatrechtlich so zu behandeln, als ob es in das Gebiet des Marktes Garmisch-Partenkirchen eingemeindet wäre."


Erneuerung der Vereinbarung im Krieg

Am 28. Juli 1943, mitten im Krieg, aber ohne erkennbaren Anlass, wurde eine Vereinbarung vorgeschlagen, wie es hieß, „aus Gründen der Dringlichkeit zur Durchführung der Ausgemeindung von Grundstücken der Siedlung am „Farchanter Gröben" von der steuer- u. politischen Gemeinde Farchant an die Steuer- und politische Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen beantragt und zum Vollzug befürwortet." Praktische Folgen hatte aber auch dieser Anlauf nicht.


Pläne zur Erweiterung der Siedlung und ein erster Versuch nach dem Ende des Krieges

Im Frühjahr 1946, ein gutes Jahr nach Kriegsende, stand die Aus- und Umgemeindung des Farchanter Gröbens wieder auf der Tagesordnung der Gemeinderatsgremien beider Orte.

Am 21. April 1946 trafen sich Vertreter der Kollegien. Sowohl der Landrat und als auch die Vertreter der Gemeinden betonten die Notwendigkeit der Umgemeindung vor allem auch jener Flächen, mit deren Bebauung zur Erweiterung der Siedlung zu rechnen war.

Für die mehrjährige Verzögerung wurden drei Gründe genannt - die „Änderung der Verhältnisse" durch Ende und Untergang des Dritten Reiches, die Änderung der „beteiligten Amtspersonen", neu gewählte Bürgermeister und Gemeinderatsmitglieder standen in der Verantwortung, und die „Vernichtung der früheren Akten durch Fliegerangriff", obwohl weder die beteiligten Rathäuser in Farchant und in Garmisch-Partenkirchen noch das Landratsamt Garmisch-Partenkirchen von Fliegerangriffen betroffen waren.

Die Verhandlungen zur Gemeindegrenzänderung Farchant / Garmisch-Partenkirchen mussten daraufhin noch einmal neu aufgerollt werden. Mithilfe früherer Schriftsätze wurde zusammenfassend festgestellt:

„Angrenzend am Gemeindegebiet Garmisch-Partenkirchen, im sogenannten Farchanter Gröben, steuer- und politische Gemeinde Farchant, wurde im Jahre 1939 eine Wohnsiedlung, bestehend aus 34 Siedlungshäusern, 12 Eigenheimen, 3 Ladenbauten, 50 Volkswohnungen, zusammen 99 Wohnungseinheiten durch die Oberbayerische Heimstätten GmbH. München zur teilweisen Behebung der örtlichen Wohnungsnot in Garmisch-Partenkirchen errichtet. Die Siedlung wurde im September 1939 von zirka 400 Einwohnern bezogen. Der .Markt Garmisch-Partenkirchen leistete zu den Grunderwerbskosten, Baureifmachung und Uferschutzbau namhafte Zuschüsse. Von der Marktgemeinde wurde auch die Wasser- und Stromversorgung, die Kanalisation und die Müllabfuhr eingerichtet…

Die fast 100 volksschulpflichtigen Kinder der Siedler sind zum Schulbesuch in Garmisch-Partenkirchen zugelassen, da die Volksschule in Farchant nicht in der Lage ist, sie räumlich aufzunehmen. Die Siedler haben die übrigen Sozialeinrichtungen des Marktes, Kinderbewahranstalten, öffentliche Anlagen und Anstalten bisher stets benutzt und haben großes Interesse, dass ihnen diese erhalten bleiben. Da die gesamten Lebensbeziehungen der Siedler nach Garmisch-Partenkirchen gravitieren, war die Siedlung, solange eine Möglichkeit bestand, durch eine Omnibuslinie verbunden."


Rodungsaktion auf dem Farchanter Gröben 1938

Bebauung des Farchanter Gröbens um 1941


Farchant zögert - Garmisch-Partenkirchen fordert

Die Vertreter der Gemeinde Farchant waren damit jedoch nicht einverstanden und stellten sich auf den Standpunkt, dass sie dem Gemeinderatsbeschluss vom 21. April 1946 nicht beipflichten könnten.

Die Garmisch-Partenkirchner Gemeinderäte beschloss daraufhin einstimmig:

„Es wird die Änderung der Gemeindegrenzen von Garmisch-Partenkirchen und die Eingliederung des Siedlungsgebietes Farchanter Gröben entsprechend den beiliegenden Plänen beantragt. Das Gebiet umschließt die vom Gemeinderat Farchant zur Eingemeindung vorgeschlagene Fläche, darüber hinaus das für die Erstellung weiterer Siedlungshäuser notwendige Gelände nördlich der Straße von Garmisch nach Farchant von Plan Nr. 507 mit Plan Nr.1425 und bis mit Plan Nr.502.

Die Einbeziehung des bezeichneten Geländes erweist sich als notwendig, zunächst, weil mit einer Erweiterung der Siedlung in Bälde zu rechnen ist, die sich aber zur planmäßigen Abrundung in baulicher Hinsicht nur nach Norden gegenüber den bereits erstellten Häusern erstrecken kann, dann aber auch um ein 2.Umgemeindungsverfahren auszuschalten."


1948 – Garmisch-Partenkirchen macht Druck mit Schulkindern und Wählerstimmen

Die Uneinigkeit der beiden Gemeindegremien kam auch noch zwei Jahre später in einem Beschluss des Gemeinderates Garmisch-Partenkirchen vom 24.02.1948 zum Ausdruck. Unter Tagesordnungspunkt 503 „Gegenstand: Änderung der Gemeindegrenzen Farchanter Gröben" wurde festhalten:

„Falls die Gemeinde Farchant diesem Beschluss nicht zustimmen kann, wird diese ersucht, sofort Schritte zur endgültigen Übernahme der Siedlung Farchanter Gröben zu unternehmen. Die Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen ist unter den gegebenen Verhältnissen nicht mehr in der Lage, eine Verpflichtung zu übernehmen, dass die Bewohner der Siedlung an den gemeindlichen Einrichtungen der Marktgemeinde, insbesondere am Schulbesuch, teilnehmen können. Es sind Vorbereitungen zu treffen, dass die Wahlberechtigten der Siedlung bereits bei der kommenden Gemeinderatswahl in der Gemeinde Farchant wählen können."


Farchant fordert Erhaltung der Weiderechte und zehn Prozent der Wohnungen

Farchant erklärte sich am 25. Februar 1948 bereit, „als neue Gemeindegrenze links des Lahnewiesbaches die vermessene Grenze nach Vorschlag des Forstamts Partenkirchen und rechts des Lahnewiesbaches die Forstamtsgrenze von Plan Nr. 501 bis zur Straßenbiegung in der Nähe der Plan Nr. 1050 anzuerkennen." Zwei Bedingungen wurden von Farchanter Seite gestellt: Das Weiderecht darf nicht beeinträchtigt werden. Außerdem fordert die Gemeinde Farchant einen zehn Prozent Siedlungsanteil.

Jetzt war es endlich soweit: Auch von Garmisch-Partenkirchen wurde die Änderung der Gemeindegrenzen zum Farchanter Gröben am 25.02.1948 genehmigt, desgleichen die Vereinbarung vom 24.02.1948 zwischen Bürgermeister Schütte und Bürgermeister Bader: Zugesagt wurde insbesondere das Weiderecht der Gemeinde Farchant bis zur Bebauung sowie ein Vorschlagsrecht der Gemeinde Farchant für die Einweisung der Siedler bis zu 10%. Bei der weiteren Behandlung des Projektes war darauf zu achten, dass 90% der Siedler ausschließlich von der Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen eingewiesen werden.


Farchant gefährdet Wohnungsneubau zur Siedlungserweiterung

Der Hochland-Bote berichtete unter dieser Überschrift am 27. Februar 1948 über die Vorgänge:

„Auf der letzten Gemeinderatssitzung erklärte Bürgermeister Schütte, dass der Siedlungsbau am Farchanter Gröben, der den Neubau von 400 Wohnungen projektiert, gefährdet ist, da zwischen den Gemeinden Garmisch-Partenkirchen und Farchant keine Einigung über die Eingemeindung der Siedlung bzw. über die neu zu regelnden Gemeindegrenzen erzielt werden kann. - Nachdem eine von den beiden Bürgermeistern der Gemeinden kürzlich besprochene Kompromisslösung wiederum vom Farchanter Gemeinderat nicht anerkannt wurde, obwohl eine Entscheidung drängt, damit nicht über die vom Arbeitsministerium zur Verfügung gestellten Baumaterialien anderweitig verfügt wird, entschied sich der Gemeinderat Ga-Pa., Farchant folgenden Beschluss zu übermitteln:

Die Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen kann einer Eingemeindung der Siedlung Farchanter Gröben nur zustimmen, wenn die Grenzlinie eingehalten wird, die in der Abmachung vom 24. Februar in der Besprechung zwischen Bürgermeister Schütte und Bürgermeister Bader festgelegt worden ist. Falls die Gemeinde Farchant diesem Beschluss nicht zustimmen kann, wird diese ersucht, sofort Schritte zur endgültigen Übernahme der Siedlung zu unternehmen.

Die Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen ist unter den gegebenen Verhältnissen nicht in der Lage, eine Verpflichtung zu übernehmen, dass die Bewohner der Siedlung an den gemeindlichen Einrichtungen der Marktgemeinde, insbesondere am Schulbesuch, teilnehmen können. Es sind Vorbereitungen zu treffen, dass die Wahlberechtigten der Siedlung bereits bei den kommenden Gemeindewahlen in der Gemeinde Farchant wählen können.

Die Fortführung des Bauvorhabens läge aber nicht nur im Interesse der beiden Gemeinden, sondern vor allem im Interesse der Gröbener Siedler, die sich bei einer Vergrößerung ihrer Siedlung auf 4000 Köpfe durch Errichtung einer eigenen Schule, eigener Geschäfte usw. von den beiden Gemeinden unabhängig machen könnte. Farchant steht also mit seiner unnachgiebigen Haltung einer erheblichen Entlastung der beiden Gemeinden und einer Besserung der Lage der Gröbener Siedler im Weg.

In diesem Falle hätte Farchant die Sorge um die Siedlung Gröben zu übernehmen. So müssten z. B. die Gröbener Kinder fortan in Farchant zur Schule gehen - eine Belastung, der die Gemeinde Farchant zweifellos nicht gewachsen wäre. Darüber hinaus hätte Farchant auch die Verantwortung dafür zu tragen, dass diese 400 Wohnungen für rund 2400 Menschen nicht gebaut werden könnten. Hoffen wir, dass Farchants Gemeinderäte ihre lokalen Interessen dem Gemeinwohl Aller unterordnen werden!"


„Alte" Siedlung: Siedlerhaus mit Nutzgarten 1939

„Alte" Siedlung: „Volkswohnungen" an der Wilhelm-Wolf-Straße 1941, seit 1945 Schlosswaldstraße


Farchant beugt sich

Diese Drohungen aus dem Garmisch-Partenkirchner Rathaus wurden in Farchant zwar ungern gehört, aber letztlich doch ernst genommen. Am 3. März 1948 informierte der Hochland-Bote über die Sitzung des Gemeinderats Farchant:

„Der Gemeinderat beschließt, die Umgemeindung des Grundstücks am Farchanter Gröben an die Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen nach Maßgabe der Vereinbarung der Bürgermeister Garmisch-Partenkirchen und Farchant vom 24.2.1948 zu genehmigen.

Der Bürgermeister weist hierbei den Gemeinderat darauf hin, dass die Lasten, die sich bei einem Verbleib der Siedlung am Farchanter Gröben bei der Gemeinde Farchant für die Gemeinde ergeben würden (Schulbedarf, Fürsorgelasten, verwaltungsmäßige Betreuung, Übernahme in die Wahlberechtigung), untragbar wären. Der Gemeinderat möge sich dabei bewusst sein, dass sich die Annahme des vorgeschlagenen Beschlusses aus den im Dritten Reich durch die damalige Gemeindevertretung geschaffene Lage zwangsläufig ergibt, damit jetzt noch größere Nachteile von der Gemeinde ferngehalten werden.

Weiter schließt der Gemeinderat auf Vorschlag des Bürgermeisters: Das bestehende Weiderecht muss bis zur Bebauung zugunsten der Gemeinde Farchant unberührt bleiben. Der Oberbayerischen Heimstättensiedlung muss von der Gemeinde Garmisch-Partenkirchen bei der Baugenehmigung die Auflage gemacht werden, dass die Gemeinde Farchant das Recht hat 10 % der Wohnungen zu belegen…"


Das Landratsamt Garmisch-Partenkirchen begrüßt die Einigung

Am 12. März 1948 berichtete der Hochland-Bote von der endgültigen Einigung über das Siedlungsprojekt:

„Am 8. März 1948 fand in Farchant eine Gemeinderatssitzung statt, bei der auch die beiden Bürgermeister Garmisch-Partenkirchens sowie der Landrat zugegen waren. Dabei wurde nach langer Debatte eine Einigung über die Siedlung am Farchanter Gröben erzielt. Der Gemeinderat Farchant hat mit Stimmenmehrheit die Umgemeindung der Grundstücke am Farchanter Gröben zur Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen genehmigt, und zwar auf der Grundlage der Vereinbarung der Bürgermeister vom 24. Februar 1948…

Andererseits musste folgende Erwägung den Ausschlag geben: Die Siedlung steht nach einer in der Nazizeit getroffenen Regelung innerhalb der Farchanter Gemeindeflur. Garmisch-Partenkirchen hat seinerzeit den Bau der Siedlung nur unter der Bedingung begonnen, dass Farchant ein entsprechendes Gelände an Garmisch-Partenkirchen zur Eingemeindung überlässt, damit die Siedlung so groß gemacht werden kann, dass sie überhaupt als Siedlung lebensfähig wird. Wenn jetzt Farchant der Eingemeindung dieses Geländes in die Marktgemeinde widerspräche, müsste es die Konsequenz ziehen, die in seiner Flur gelegene Siedlung in ihrem unfertigen, nicht lebensfähigen Zustand in jeder Beziehung praktisch als zu Farchant gehörig zu behandeln.

Das würde bedeuten: Betreuung in schulischer, fürsorgerechtlicher, polizeilicher und verwaltungsmäßiger Hinsicht sowie Einbeziehung der Siedlungsbewohner in die Wählerschaft zum Gemeinderat Farchant.

Diese Konsequenzen hätten Farchant noch ungleich schwerer getroffen als der Fertigbau der Siedlung durch Garmisch-Partenkirchen und die Umgemeindung des entsprechenden Grund und Bodens. - Den jetzigen Gemeinderat Farchant trifft für das Ganze keinerlei Verantwortung, da die in der Nazizeit zwischen Farchant und Garmisch-Partenkirchen (zweifellos unter fühlbarem Druck der Kreisleitung) getroffenen Vereinbarungen auch rechtlich gar keinen anderen Ausweg zuließen, als die Umgemeindung formell zu genehmigen."


Freie Bahn für ein neues Siedlungsprojekt auf dem Farchanter Gröben

Die Oberbayerische Heimstätte setzte sich am 30. März 1948 wegen eines Projekts zur Erweiterung der „Siedlung Garmisch" mit der Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen in Verbindung:

„Der gesamte Bebauungsplan wird derzeit nochmals nach den Wünschen des Landessiedlungsamtes überarbeitet. Wenn der neue Plan fertig und genehmigt ist, wollen wir mit Ihnen über die vorstehende Frage uns besprechen und Ihnen bei dieser Gelegenheit die Art und Zahl der vorgesehenen Geschäfte bekannt geben. Grundsätzlich sind wir der Auffassung, dass dabei in erster Linie ortsansässige bzw. einheimische Interessenten bevorzugt werden sollen."


Aus der „Siedlung" wird „Burgrain"

Am 4. April 1948 setzte der Garmisch-Partenkirchner Gemeinderat einen Schlusspunkt unter die Entwicklung und beschloss: „Dem Umgemeindungsvertrag betr. Umgemeindung der Siedlung Farchanter Gröben wird zugestimmt. Die bisherige Siedlung bildet ab 1. April 1948 den Ortsteil „Burgrain" der Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen."

Der nächste Schritt, der dafür notwendig war, kam aus München: Am 29. April 1948 bestätigte das Registergericht München die Gründung der Gemeinnützigen Wohnungsbau-Genossenschaft Garmisch-Partenkirchen GmbH mit Geschäftsstelle in der Garmisch-Partenkirchner von Müllerstraße 11. Die Gründungsväter waren laut Gründungsprotokoll Kurt Fritsch (1. Vorstand), Ludwig Bauer (2. Vorstand) und Franz-Heinrich Neumann (3. Vorstand). Im August 1950 konnten die ersten Häuser und Wohnungen in der Schlossangerstraße und Riedwiesenstraße bezogen werden.

Der Vater des Verfassers, Alois Schwarzmüller sen., war im März 1947 aus acht Jahren Krieg und Gefangenschaft nach Hause zurückgekehrt. 1948 wurde er Mitglied der neuen Genossenschaft und am 1. August konnte er mit Frau und zwei Kindern dankbar sein neues Heim beziehen.

 

Die Beziehungen zwischen den Gemeinden Farchant und dem Garmisch-Partenkirchner Ortsteil Burgrain standen auch bei den beiden Burgrainer Gründungsjubiläen im Mittelpunkt des Interesses. Die Verbindung beider Gemeinden wurde durch Geschenke der Farchanter Bürgermeister besonders zum Ausdruck gebracht. 1989 zum 50. Burgrainer Gründungsfest brachte Bürgermeister Michael Lidl einen Ahornbaum mit. Und 2014 überreichte Bürgermeister Martin Wohlketzetter eine Föhre aus seiner Farchanter Drei-Föhren-Gemeinde. Welchen Baum die Farchanter beim 100. Gründungsfest dabei haben werden, das haben sie noch nicht verraten – man hat aber auch noch 25 Jahre Zeit zum Nachdenken.

Die Burgrainer wissen, dass die symbolischen Geschenke die Verbindungen zwischen den beiden Orten gestärkt haben. Mancher Burgrainer ist heute schon Farchanter geworden: Der Verfasser Alois Schwarzmüller jun. freut sich über den nahen Bahnhof, den Schreibwarenladen, den Supermarkt und den Dorfladen, die Apotheke, das Blumengeschäft, eine Tankstelle und nicht zuletzt über den Laden mit Garten- und Haushaltswaren. Das alles gibt´s nämlich bei uns in Burgrain nicht mehr. Und alles bleibt hoffentlich noch lange in greifbarer Nähe in Farchant erhalten!

 

Schriftliche Quellen:

Beschlussbücher der Gemeinde Farchant

Beschlussbücher des Marktes Garmisch-Partenkirchen

verschiedene Ausgaben des Hochland-Boten

 

Fotos:
Helga Schönauer
Marktarchiv Garmisch-Partenkirchen
Lokalgeschichtliches Archiv Alois Schwarzmüller

 

 

© Alois Schwarzmüller 2015