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Biographie des Autors
"Das
verkaufte Dorf" von Fritz Müller-Partenkirchen ist ein
autobiographischer Schlüsselroman über die Entwicklung von Partenkirchen
und Garmisch zum Herzstück des oberbayerischen Fremdenverkehrs um 1900:
Münchner Grundstücksspekulanten beauftragen den Ich-Erzähler Fritz mit
der Geschäftsführung einer Terraingesellschaft, deren Absicht es ist, in
und um Partenkirchen in großem Maßstab Grundstücke zu erwerben,
„Investoren“ zu finden, Hotels und Kurhäuser zu errichten und das Dorf
zu „entwickeln“.
Fritz hat leichtes Spiel mit den Dorfbewohnern - eines
Teils sind sie in Geld- und Grundstücksgeschäften unerfahren-naiv,
anderen Teils habgierig-gewinnsüchtig und blind für das, was sie
„verkaufen“. Zum Gegenspieler von Fritz („Bodenmörder“) wird schließlich
der Lehrer („Menschenmörder): Er löst eine Gesteinslawine aus, die vom
Wetterstein herunterbricht und die Früchte der Spekulation samt
Spekulanten unter sich begräbt: „Whupp! … da rutschte eine Berghalde
nach der anderen auf das Kurhaus, bis es bedeckt war um und um von einem
Riesentrümmerkegel… Und die Villen im Umkreis, die Gefilde, wo einst
Kühe grasten - alles, alles unter Schutt und Trümmern. Nur ein Dreieck,
ein mild begrüntes, schien inmitten der Verwüstung ausgespart - der
liebe Anger von der Obermühle? Der gerettete Anger? Ja, das war er!“
Aus dem Vorwort
„Das verkaufte
Dorf“ ist keine Phantasie, sondern ein Erlebnis. Ich erlebte es in
jungen Jahren. Leiter einer Bodengesellschaft war ich damals. Nicht
wenig bildeten sich meine fünfundzwanzig Jahre darauf ein, den Bauern
eines damals kaum berührten Hochgebirgstals ihren Grund und Boden
abkaufen zu dürfen. „Ströme des kulturellen Segens bringen wir den
Dörflern“, schrieb ich damals. Auf unserer Generalversammlung hieß es:
„Eine Goldmillion schenken wir den Bauern, sie könnten dankbarer sein…“
Es gab damals noch Bauern, die ihrer Väter Erde nicht verkaufen wollten,
die sich erkühnten, uns zu lehren, dass Mutter Erde keine Ware sei wie
jede andere. Sie unterlagen schließlich alle - ihrer ein paar Dutzend -
unsrem Geld. Mit tausend Mark das Tagwerk fing ich an, mit
fünfzehntausend schloss ich. Heute wertet dort das Tagwerk zwischen den
Hotelpalästen hunderttausend Mark und mehr. Fortschritt? Zwanzig Jahre
später bin ich den Geschicken jener ausverkauften Bauern nachgegangen
und - erschauerte vor Grauen.
„Daran hast du Mitschuld“, schrie´s in mir. Es ließ mir keine Ruhe mehr.
Bis ich niederschrieb, was ich erlebte, als das Dorf verkauft ward. Ein
Bekenntnis ist es. Ich habe mich nicht geschont.
Ein Wort noch über die Romanform. Von der gewohnten - einem breiten
Flusse, der behaglich „sich entwickelt“ - bin ich abgewichen. Das Leben
ist kein Strickstrumpf. Es besteht aus kurzen Blitzen. Was dazwischen
liegt, ist Nacht, Geröll und mag vergrollen, wie der Donner.
Darstellenswert, erheblich sind allein die Blitze. Sie versuchte ich in
Episoden aufzufangen, die in sich geschlossen sind und die -
herausgehoben von dem Ganzen - selbst ein Ganzes bilden. Ein Querschnitt
also durch ein aufgewühltes Dorf, dem Geld die Nabelschnur zur Mutter
Erde durchgeschnitten hat, von der es lebte.
„Achau“ ist ein Sammelname - viele Dörfer gehen heute jenen Weg des
Fluches. Wie es wirklich heißt - was liegt daran? Wenn du durch das Dorf
gehst, Wanderer und Leser, wirst du´s spüren: Dieses ist es. Und wenn du
durchgegangen bist und hinter ihm von steiler Berghöh auf den Villen-,
Menschen- und Hotelschutt unter deinem Bergschuh schaust, wirst du in
all dem Kulturgezeug da unten das sehn, was ich auch sah - ein Marterl
über einem Grab: „Hier ruht - ach nein, hier lebte einst ein liebes
Dorf. Herr , gib ihm die Ruh, und seinen Mördern Unrast immerdar!“
Fritz Müller
Aus: Fritz Müller-Partenkirchen, Das verkaufte Dorf (Leipzig 1928) S. 7
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