Achau – Wambach
"Weil sie beide eine Post und einen Bahnhof haben, meint
man, daß sie eins sein könnten? Doch der Bindestrich dazwischen ist ein
frommer Wunsch, ein Trennungsstrich der Bergstrom zwischen ihre Fluren,
der heute wie Schalmeien säuseln kann und morgen drüben einem Acker den
Gerölleib aufreißt und herüben polternd eine Wies’ vermuhrt.
Daß sie drüben „Katherl“ sagen und herüben „Kathrinala“, schöpft den
Gegensatz nicht aus. Ich weiß noch gut die fremdenlose Zeit, wo es für
einen Sepp von drüben ein Messer zwischen der dritten und vierten Rippe
bedeuten konnte, wenn ihm eine herübene Zenzi gut war. Wo ich neidvoll
fragte: „Wie, ihr getraut euch, euer Hab und Gut ganz unverschlossen -
?“ „Was glaub´n S´ denn, Herr, bei uns herüb´n wird doch nix g´stohl´n –
drüb´n freili is´s scho besser, balst dein Hosensack fest zunaahst,
Bua.“
Derweil sie mir drüben versicherten, herüben würde die Scheintodprobe
mittels eines Talers ausgeübt, den man neben den Toten auf den
Nachttisch lege – läge der nach einer Viertelstund´ noch dort, dann erst
handle sich´s um eine Leiche von herüben, wohin gegen drüben - - -
Das ist heute noch nicht anders, wo sie herüben einen großen neuen
Friedhof haben, derweil die Toten drüben um die alte Kirche vierfach
aufgeschichtet liegen. „Kinder,“ sagte der herübere Pfarrer, „wollt ihr
eure Toten nicht bei uns -?“ „Ja freili, dass ihr von unsre Gräber
d´Bleamerln über Nacht verschwinden lassen taatets, ös Hallodri!“
Den einen Bahnhof konnten sie dann freilich nicht vermeiden. Mir
scheint jedoch, er ist als Pendelbahnhof konstruiert, denn vor einem
dutzend Jahren stand er drüben, jetzt herüben und nach einem weiteren
Jahresdutzend, wett´ ich meinen Kopf - .
Übrigens, die Köpfe sollen drüben alte Germanenschädel sein, und noch
ältere Keltenköpfe herüben - oder umgekehrt – ich wird´ mich
hüten, zu entscheiden, wer den ältesten Kopf hat oder gar den härtesten
– sie könnten plötzlich einig werden und gemeinsam mir den meinigen
verschlagen.
Inzwischen war man Weltkurort geworden. „Man“ sag´ ich mit Bedacht, denn
die Drüberen sowohl wie die Herüberen behaupten, ihnen käme die
Vorschlagssilbe „Welt“ zu, derweil die anderen sich mit „Landes“ zu
begnügen hätten. Und so geht der Wettstreit weiter.
Geruht hat er nur einen Tag lang, als die Kurstatistik einmal drüben und
herüben mathematisch gleichviel Fremde aufwies. Aber schon am nächsten
Tage ist der angestammte Berghaß neu entflammt durch einen Plus von
anderthalb Fremden.
Diese Fremden sind nicht immer von erfreulichster Art, so daß es den
Herüberen „Selzügelten“ mit ihnen manchmal gehen soll, wie dem „echten
deutschen Mann, der keinen Franzmann leiden kann“, aber ihre Weine – in
unserm Fall den „Diridari“ – nicht verachtet. Was den Drüberen
Veranlassung gab, den Herüberen einen Gemeinderatsbeschluß anzudichten,
beim täglichen Weidabtrieb sei den Kühen hinten ein Sackerl
unterzubinden im Interesse der geschleckten Sauberkeit der Straßen.
Wobei ich allerdings bekennen muß, daß bei Regenwetter sich der
Straßenzustand beider außer Wettbewerb erweist.
Naturwüchsig, sagten die Besucher, seien freilich die Herüberen, wo der
obere Wirt über seinem Bette einen silbergestickten Spruch hängen habe:
„Kummer und Sorgen – steigts mir am Buckel nauf bis morgen!“ Was den
drüberen Oberwirt nicht ruhen ließ, bis er über seinem Bette
goldgestickt erglänzte und der Buckel durch seine untere Fortsetzung
noch übertroffen wurde.
Nun wird man entgegenhalten, daß es, Gegensätze auszugleichen, Brücken
gäbe. Vor dieser Brücke aber zwischen beiden Orten kehren drüben und
herüben die diesbezüglichen Gemeindesprengwägen seit Menschengedenken
knapp um, denn – „Kreuzteufel no amal, mir werden doch dene Schlack` net
ihr Brücken spritzen!“
Und die Bergführer beider Gemeinden werden in einem besonderen
Auseinanderhaltungskurse angewiesen, die Fremden bei der Gratwanderung
immer schiedlich-friedlich zu belehren: „Da balst abifallst, Bua, werst
herüb´n begrab´n, aber da balst abifallst, armer Deifi, werst drüb´n
begrab´n!"