Werdenfels-Gymnasium Garmisch-Partenkirchen - 1933-1945 - Schule in der Diktatur

 

 


1942/43 - 359 Schüler

Am 21. April 1943 verabschiedete sich Studiendirektor Josef Höllerer als Leiter der Schule – er stand seit 1926 an der Spitze der Anstalt - in einer Lehrerratssitzung vom Kollegium. Der Abschied war nicht freiwillig. Höllerer musste „auf Befehl des Bayeri­schen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus“[9] aus politischen Gründen zum 1. Mai 1943 aus dem Amt scheiden. Seit Jahren war er der NSDAP in dieser Funktion ein Dorn im Auge. Ein Mitglied des Kollegiums hatte schon seit 1939 versucht, Höllerer bei den NS-Macht­habern anzuschwärzen und bei NS-Kreisleiter Hausböck den Vorwurf erhoben, „dass an unserer Schule nicht der richtige Geist herrsche.“[10] Seine offene kritische Kommentie­rung vieler Entwicklungen im Schulwesen seit 1933 mag Anlass für seine jetzt erfolgte Entfernung aus dem Amt gewesen sein. In einem Brief an die Regierung von Oberbay­ern schrieb Höllerer 1948: „Mir erklärte der Referent des Ministeriums, ich müsste mich daran gewöhnen, dass hier nicht nach Recht, sondern nach Klugheit entschieden werde. Vermutlich bestand die Klugheit darin, dass man nach den Weisungen des Reichsführers SS handeln musste.“[11] Und Höllerer war weder Mitglied der NSDAP noch sonst in irgendei­ner Weise bereit gewesen, sich dem NS-Regime politisch zur Verfügung zu stellen. Abschied nahm er mit den Worten, „dass er für die deutsche Jugend seine Ge­sundheit geopfert, für sie gearbeitet habe, sei ihm der einzige Dank, aber auch der Trost in seiner Veränderung... Er habe sozial zu wirken gesucht: in Notensitzungen und bei der Schulgeldfestsetzung habe er stets verlangt, die persönlichen, wirtschaftlichen Ver­hältnisse zu berücksichtigen; auf diese Weise habe er der Gerechtigkeit zu dienen ge­sucht, die der Grundpfeiler auch seiner erzieherischen Tätigkeit gewesen sei.“ Und cou­ragiert  setzte er hinzu, „er werde den Fußtritt, den man ihm ver­setzt habe, ruhig tra­gen.“[12] Höllerer hatte in seiner 17-jährigen Tätigkeit als Schulleiter die innere Entwick­lung der Schule von der „Realschule mit Progymnasium“ über die „Oberrealschule mit Humanistischem Gymnasium“ bis zur „Oberschule für Jungen“ ganz unabhängig von der jeweiligen Bezeichnung so geprägt und gestaltet, dass ihr Ansehen in der Öffentlichkeit stetig wuchs.

Hotel Zugspitze in der Klammstraße - eines der zahlreichen KLV-Lager in Garmisch-PartenkirchenNachfolger Höllerers wurde am 1. Mai 1943 der Oberstudiendirektor Dr. August Seif­fert. Geboren 1892 in Nürnberg, kam er von einer Oberschule in Aschaffenburg, wo er NS-Ortsgruppenleiter war. In Ettal hatte er sich bereits ganz im Sinne der NS-Schulpoli­tik betätigt, die Klosterschule der Benediktiner aufgelöst und sie in eine „Oberschule für Jungen mit Deutschem Schulheim“ umgewandelt.[13] Ein Schüler erinnerte sich später an Seiffert: „War am Morgen in der hiesigen Penne, die in einer alten Bruchbude unterge­bracht ist. Hatte etwas Angst, dass die­ser alte Kasten noch während meiner zukünftigen Anwe­senheit zusammenbrechen würdeBremer Schüler bei der Ankunft in Garmisch-Partenkirchen - 1943. Der Direktor war ein alter PG mit goldenem Parteiabzeichen. Dies hätte mich nicht so sehr gestört, wenn er nicht so einen unange­nehmen Kommiss- oder besser SA-Ton an sich gehabt hätte. Komisch, dass alle diese Leute, die doch sonst oft so ver­nünftig sind, sobald sie in irgendeiner Organisation sind, leicht überschnappen. Trotzdem mir alles nicht sehr sympathisch war, wurde ich dann in die 7. Klasse aufgenommen.“[14]

Im Rahmen der Kinderlandverschickung musste seit Januar „an 2 Klassen aus Bre­mer Oberschulen von nun an der Physik- und Chemieunterricht mit 30 Wo­chenstunden von eigenen Lehrkräften in den Räumen unserer Schule erteilt werden.“[15] Auch Schüler aus Bottrop waren inzwischen mit ihren Lehrern nach Garmisch-Partenkirchen ausgela­gert worden. Angaben über Zahlen und Namen von Schülern und Lehrern fehlen bisher.

 

1943/44 - 395 Schüler

Die Unterrichtszeiten hatten sich seit September 1943 nach der „Luftlage“ zu richten. Vom Lehrerrat wurde am 6. September 1943 beschlossen, dass „bei allen Alarmen, die über 22 h dauern, die Unter­richtszeit eventuell 9.30 h beginnen“ sollte.[16] Im Januar 1944 fand „für sämtliche Angestellte unserer Schule“ ein ganztägiger Luftschutzkur­sus statt. Dabei wurde festgestellt, „dass Vorrat an Sand da ist, Was­ser und ein Minimax für den Ernstfall zur Verfü­gung steht.“ Klage wurde darüber geführt, „dass - gegenüber ande­ren öf­fentlichen Gebäuden - vor unserer Oberschule keinerlei Deckungsgräben etc. vor­handen sind.“ Nur „Tragbahre sowie Luftschutzapotheke sind im Keller.“ Es wurde auch festgestellt, „wer innerhalb 6 Min. nach Hause oder zu befreundeten Leuten radeln oder laufen kann.“[17]

 

1944/45 - 429 Schüler

Am 12. März 1945, knapp zwei Monate vor Kriegsende, wurden in der Lehrerratssitzung vom neuen Schulleiter Dr. Seiffert noch einmal alle Register der Heldenpropaganda ge­zogen. „Die Jugend muss zur Härte erzogen werden,“ so lautete der Kernsatz seines pädagogischen Beitrags zum Endsieg.[18]

In der Schule war es inzwischen bitter kalt, die Kohlevorräte waren verbraucht, neue Zuteilungen gab es nicht mehr. Der Vorschlag, die Schüler sollten einfach von zu Hause Heizmaterial mitbringen, wurde verworfen, vermutlich wegen mangelnder Realitätsnähe. Der Lehrstoff sollte trotz zahlreicher Fliegeralarmierungen und anderer Unterbrechungen noch bis August behandelt werden. In den Fächern Biologie, Geographie und Ge­schichte sollte es den Lehrkräf­ten überlassen bleiben, ob in diesem Trimester noch Schularbeiten durchgeführt würden oder ob man mit den mündli­chen Noten auskommen konnte. Schulaufgabenpapier konnte die Schule auch nicht mehr zur Verfügung stel­len. So wurde vorgeschlagen, „dass dies die Jungen möglichst selbst zu stellen haben, da unser Bestand zur Neige geht.“[19]

15 Lehrer befanden sich zu dieser Zeit als Soldaten bei der Wehrmacht: Anton Amber­ger, Albert Blatt, Ludwig Büttner, Dr. Christian Dehm, Dr. Oskar Englert, Alexander Filchner, Dr. Franz Fleischmann, Hermann Förter, Georg Dieter Hagendorn, Fritz Hagl, Anton Kist, Dr. Hermann Lipp, Karl Metz, Ferdinand Strauß, Otto Vallery. Gottfried Vo­genauer wurde als „Luftwaffen-Betreuungshelfer“ in München eingesetzt.[20]



[9] Niederschrift der Lehrerratssitzung am 21.04.1943

[10] Erklärung von zwei Lehrern der Schule am 12.02.1948

In dem schon unter Anmerkung 90 zitierten Schreiben an das Bayerische Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 27.03.1947, unterzeichnet von OStD Höllerer und StR Hagendorn, heißt es dazu: „In den 12 Jahren der nationalsozialistischen Mißwirtschaft hatte die Schule ganz besonders schwer zu leiden unter der Tatsache, daß der Direktor von damals vorgesetzter Stelle als politisch nicht tragbar bezeichnet wurde.“

[11] Brief Höllerers am 12.02.1948 an den Überprüfungsausschuss bei der Regierung von Oberbayern im Verfahren nach Art. 37 des Befreiungsgesetzes

[12] Niederschrift der Lehrerratssitzung am 21.04.1943

[13] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 14.04.1943

[14] Johann Albrecht Cropp, Bildpunkte 1927-1960. Texte und Bilder (Verlag alpha 9, Murnau, 1999) S. 29

[15] Niederschrift der Lehrerratssitzung am 22.01.1943 – s.a. Friedrich Juchter, Formeln, Fahnen, Flakgeschütze. Eine bewegte Schulzeit von 1934 bis 1947 (Bremen 1996) S. 118: „Dass Rudolph Stier (Lehrer der Bremer Schüler, d.V.) in Garmisch-Partenkirchen Chemie unterrichtet hat, im Aufenthaltsraum einer Pension, ist kaum anzunehmen... Erdkunde konnte er geben in Garmisch, besuchte auch eine Mineralien- und Fossiliensammlung in der dortigen Oberrealschule mit uns, riß aber alles in allem keine Bäume aus in seinen Stunden.“

[16] Niederschrift der Lehrerratssitzung am 06.9.1943

[17] Niederschrift der Lehrerratssitzung am 24.1.1944

[18] Niederschrift der Lehrerratssitzung am 12.03.1945

[19] Niederschrift der Lehrerratssitzung am 12.3.1945

[20] Übersicht über die Schülerzahlen 1944/45 - Handexemplar

 

 

 

 

© Alois Schwarzmüller 2006