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Die Kreisleiter der NSDAP in
Garmisch-Partenkirchen |
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Jakob Scheck: „Lassen wir das, was zurückliegt“!
Entnazifizierung – Vom Hauptschuldigen zum Mitläufer Seit 4. Oktober 1945 wurde Jakob Scheck mit der Interniertennummer 31 G 6345013 in verschiedenen Internierungslagern der US-Militärregierung festgehalten – in Ludwigsburg, in Regensburg, in Moosburg, in Dachau und im Interniertenkrankenhaus Garmisch (Artilleriekaserne).[1] Von einem ehemaligen Lagerinsassen des Camp 8 in Garmisch-Partenkirchen wurde im März 1959 behauptet, dass Scheck sich im September 1945 als Jurist und als lediger Mann ausgegeben habe - wohl um Spuren zu verwischen.[1a] Im September 1947 ersuchte Schecks Frau Agnes beim Lager Moosburg um vorübergehende Beurlaubung ihres Mannes. Sie klagte über „Nachkriegsauswirkungen“ – das Haus der Familie Scheck war nach Kriegsende durch die US-Militärregierung requiriert worden und nach der Rückgabe kaum noch bewohnbar, Wertvolles war geplündert. Bürgermeister Georg Schütte befürwortete „eine 10tägige Beurlaubung des Internierten Jakob Scheck.“[2] Am 14. April 1948 wurde Scheck auf Weisung des Bayerischen Staatsministeriums für Sonderaufgaben aus dem Krankenhaus des Internierungslagers Garmisch nach Hause entlassen,[3] vier Wochen später begann sein Spruchkammerverfahren. Am 13. Mai 1948 beantragte der Öffentliche Kläger bei der Spruchkammer Garmisch-Partenkirchen, den „Betroffenen“ Jakob Scheck auf Grund des Gesetzes zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus vom 5. März 1946 in die Gruppe I / Hauptschuldiger einzureihen.[4] Im September erging der Spruch: Der ehemalige Bürgermeister, Kreisleiter und SA-Brigadeführer wurde in die Gruppe IV / Mitläufer eingereiht. Als Sühne wurde ihm die Zahlung von 100.- DM auferlegt. Er hatte die Kosten des Verfahrens zu tragen.[5] Im Verfahren bekannte Scheck, ein überzeugter Nationalsozialist gewesen zu sein und „sich für ihm gut scheinende Ziele eingesetzt“ zu haben. Seine Mitgliedschaft in der NSDAP und in der SA wurde als möglicher „Beweis für die Gesamthaltung“ gewertet.[6] Scheck fand im Spruchkammerverfahren viele Fürsprecher. Von Vertretern der katholischen Kirche wurde ihm zu Gute gehalten, dass er „die kirchenfeindlichen Tendenzen des NS-Regimes abgelehnt“, dass er als Bürgermeister „in der ersten Zeit“ an kirchlichen Veranstaltungen wie Prozessionen teilgenommen habe, dass seine Frau und die Kinder sich am kirchlichen Leben beteiligt hätten. Der Partenkirchner Pfarrer Karl Lorenzer bestätigte, dass Scheck „in früheren Jahren“ offiziell an Gottesdiensten teilgenommen, sich dann aber zurückgezogen habe. Seine Kinder seien aber christlich erzogen worden.[7] Maria Rodriguez Prechtl, die Oberin der Armen Schulschwestern im Lyzeum, gab zu Protokoll, dass auch nach der Übergabe des Schul- und Heimbetriebes an weltliches Lehrpersonal „die religiöse Betätigung der Schülerinnen“ möglich geblieben sei. Scheck sei es auch zu verdanken, dass die Schwestern bleiben konnten und das Haus Eigentum des Ordens blieb.[8] Hans Stegmair, Kämmerer des Marktes Garmisch-Partenkirchen, schrieb, Scheck habe dazu beigetragen, „dass sich kirchenfeindliche Maßnahmen dahier nicht in ihrer vollen Schärfe auswirken konnten.“[9] Ministerialrat Hans Ritter von Lex, ehemals im Reichsinnenministerium tätig, erinnerte sich daran, dass in Garmisch-Partenkirchen die Kruzifixe „trotz des ausführlichen Befehls der Gauleitung nicht aus den Schulen gekommen“ seien.[10] Pater Johannes Albrecht vom Kloster Ettal teilte mit, dass „Herr Scheck sich durch sein Verhalten von den kirchenkämpferischen Bestrebungen der Partei distanziert“ habe.[11] Die verschiedenen Garmisch-Partenkirchner „Judenaktionen“, an denen Scheck in einer seiner vielen Funktionen beteiligt war, wurden von der Spruchkammer kaum zum Thema gemacht. Weder wurde seine Rolle als Kreisamtsleiter Kommunalpolitik bei der Erfindung und Verbreitung der „Judenzettel“ durch die Kurverwaltung im Februar 1938 geklärt, noch kam sein Handeln oder Nichthandeln als Bürgermeister und SA-Standartenführer am 10. November 1938 zur Sprache. Carl Diem, führender Sportfunktionär in der NS-Zeit, wollte mit der Feststellung zur Entlastung Schecks beitragen, „dass die auch in Garmisch vorhandenen gegen die Juden gerichteten Schilder auf meine Forderung sofort verschwunden sind.“[12] Aber das war ein „Persilschein“ – die „Judenabwehrschilder“ standen noch wenige Tage vor Beginn der Winterspiele 1936 und wurden erst auf Grund einer zornigen Anweisung von Gauleiter Adolf Wagner entfernt. Anders liegt der Fall bei Hannes Schneider (1890-1955). Der Gründer der ersten österreichischen Skischule in St. Anton am Arlberg rief 1928 zusammen mit Sir Arnold Lunn (1881-1974) das erste Arlberg-Kandahar-Rennen ins Leben. Schneider wurde beim „Anschluss“ Österreichs an Hitler-Deutschland verhaftet, weil er sich „mehrfach öffentlich gegen das Nazi-Regime und seine Methoden ausgesprochen und jüdischen Freunden beigestanden“ hatte.[13] Nach drei Wochen wurde er aus dem Gefängnis Landeck entlassen und wohnte für ein Jahr bei dem Garmisch-Partenkirchner Rechtsanwalt Dr. Karl Roesen und im Gasthof „Melber“ in der Ludwigstraße. Scheck habe sich in dieser Zeit ihm gegenüber freundlich verhalten und bei der späteren Ausreise in die USA geholfen, obwohl er im Oktober des Jahres 1938 im „Schwarzen Korps“, einer radikalen SS-Zeitschrift, angegriffen und als „Jude“ bezeichnet worden sei.[14] Roesen war auch der anwaltliche Vertreter Schecks im Spruchkammerverfahren. In seinem Plädoyer zur Entlastung des „Betroffenen“ wies er besonders auf das gespannte Verhältnis zwischen dem SA-Mann Scheck und der SS hin. Scheck sei bei der SS so verhasst gewesen, dass beim sogenannten „Röhmputsch“ auch für ihn Gefahr bestanden habe.[15] Bürgermeister sei er geworden und geblieben, weil andere Kandidaten wie von Hagen, Thomma und Hartmann sich gegenseitig gelähmt hätten, weil er kein Parteifanatiker gewesen sei und weil er seine Stellung mit dem Erfolg der Olympischen Winterspiele habe festigen können. Sein wichtigstes Handlungsmotiv sei der „Schutz der Allgemeinheit vor der typischen NS-Entwicklung“[16] gewesen. So habe er die „Judenaktion“ der NSDAP für verfehlt gehalten, sei der Aufstellung von „Judenschildern“ an den Ortseingängen entgegengetreten und habe am 10. November 1938 einen Angriff auf die jüdische Schwiegertochter von Richard Strauss verhindert. Das reklamierte freilich auch der damalige Kreisleiter Johann Hausböck für sich. Scheck habe sogar, so Roesen weiter, eine Verhaftung von Georg Schütte, dem ehemals führenden Garmisch-Partenkirchner Sozialdemokraten, verhindert. Auch seine eigene, von Kreisleiter Hartmann beabsichtigte Verhaftung, habe Scheck abgebogen. Roesen kam zu dem Schluss, der „Betroffene“ sei zwar „Angehöriger einer verbrecherischen Organisation“ gewesen, habe sich aber nicht persönlich an verbrecherischen Taten beteiligt und von diesen Verbrechen auch nichts gewusst. Er plädierte dafür, Scheck in die Gruppe III / Minderbelasteter einzureihen.[17] Die Spruchkammer Garmisch-Partenkirchen entschied am 9. September 1948,[18] der „Betroffene“ sei in die Gruppe IV / Mitläufer einzureihen und habe einen Sühnebeitrag in Höhe von 100.- DM zu entrichten. Die Kammer blieb damit sogar unter dem Antrag des Verteidigers. Zur Begründung hieß es, Scheck sei nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft 30 Monate in verschiedenen Lagern interniert gewesen und habe sich erhebliche gesundheitliche Schädigungen zugezogen.
[1] StA München Spruchkammern - Karton 1588 Jakob Scheck [1a] 03.03.1959: Fundstück aus den Unterlagen von Toni Höger (1904-1964) - dem Autor zur Verfügung gestellt im Dezember 2014 [2] ebd. 19.09.1947 Schütte an Lager Moosburg [3] ebd. 14.04.1948 [4] ebd. 18.05.1948 [5] ebd. 09.09.1948 [6] StA München Spruchkammern - Karton 1588 Jakob Scheck [7] StA München Spruchkammern - Karton 1588 Jakob Scheck / Karl Lorenzer 19.11.1946 [8] ebd. 20.04.1948 [9] ebd. 18.11.1946 [10] ebd. 21.12.1946 [11] ebd. 31.05.1948 [12] ebd. 13.01.1948 [14] StA München Spruchkammern - Karton 1588 Jakob Scheck / Hannes Schneider 16.08.1947 [15] StA München Spruchkammern - Karton 1588 Jakob Scheck / Karl Roesen 15.03.1948 [16] ebd. [17] StA München Spruchkammern - Karton 1588 Jakob Scheck / Karl Roesen 15.03.1948 [18] StA München Spruchkammern - Karton 1588 Jakob Scheck / AZ: A4-1629/2889/48, 09.09.1948
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