Die Kreisleiter der NSDAP in Garmisch-Partenkirchen
 – „Politische Frontoffiziere der Bewegung“

 

 

 

 

 

Johann Hausböck - „Wir siegen, weil Gott es will!“

 

Internierung als „Exponent der Naziideologie“

Fünf Tage später war das Versteckspiel zu Ende. Die CIC-Agenten A.W. Hartl und Werner E. Stark nahmen Hausböck am 17. Juli 1945 fest. Er kam in das Gefängnis Stadelheim. „Reason for arrest: Kreisleiter 1933-39“. Auch wenn das noch nicht ganz korrekt war, aber die Militärregierung ahnte, wer da wochenlang in der Münchner Kaulbachstraße als Elektriker für den AFN gearbeitet hatte.

Beim CIC wurde vermutet, dass Hausböck 1943 wegen sexueller Vergehen aus dem Amt des Kreis­leiters entlassen und in die Wehrmacht eingezogen worden sei. Über seine Tätigkeit als Kreisleiter wurde notiert: “Subject was a notorious Jewbater and has in his possession con­siderable amount of property which originally belonged to residents of Garmisch-Partenkirchen still living here.” Die Eschenloher Bäuerin Anna Höck hatte wohl nicht zu Unrecht davon gesprochen, dass Haus­böck nach der Reichskristallnacht kräftig zu seinen Gunsten „arisiert“ hatte.[1] Und noch etwas erkann­ten die CIC-Offiziere bei den Vernehmungen Hausböcks – seine Begabung als Redner und als natio­nalsozialistischer Ideologe: „He is a smooth talker, but his re­cord is that of a notorious Nazi.“[2]

Zu einem ähnlichen Urteil kam auch Bernhard Lödermann, 1. Bürgermeister des Marktes Garmisch-Partenkirchen von 1946 bis 1948. Dem Öffentlichen Kläger bei der Lagerspruchkammer Moosburg schrieb er im März 1947, Hausböck sei „ein Exponent der Naziideologie“ gewesen. Er habe „Garmisch durch den Judenpogrom 1938 in den schlechtesten Ruf gebracht“, ein „unreifer, arroganter Mensch“ sei er gewesen.[3]

Die weiteren Untersuchungen gegen Johann Hausböck begannen am 15. Oktober 1945, als er von Stadelheim in das Internierungslager Moosburg gebracht wurde. Dort blieb er bis zum 24. August 1948. Endgültig aus der Internierungshaft entlassen wurde er am 1. Juli 1949. Bis dahin war er auch noch kurzfristig in den Lagern München, Eichstädt, Nürnberg Langwasser und Dachau interniert.[4]

 

Hausböck verteidigt sich: „Unsere Führer waren Schufte“

Das Spruchkammerverfahren wurde am 16. Juni 1948 mit der Einreichung der Klageschrift durch den Öffentlichen Kläger bei der Lagespruchkammer Dachau eröffnet.[5] Der Antrag lautete auf Einreihung des Betroffenen in Gruppe I / Hauptschuldige. Im Herbst des Jahres 1948 protestierte der Vorsitzende der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes Garmisch-Partenkirchen dagegen, dass die Ver­handlung nichtöffentlich geführt wurde und nicht vor der Spruchkammer Garmisch-Partenkirchen, also am Wirkungsort Hausböcks, stattfand. Koch begründete seine Forderungen in einem Brief an den Öffentlichen Kläger der Spruchkammer Garmisch damit, dass „durch das Verhalten Hausböcks allein 4 Selbstmorde, schwere Körperbeschädigungen und Plünderungen vorgekommen“ seien.[6] Hausböck sei „schwerstens belastet und war wohl einer der Ersten und Erfolgreichsten der sogenannten Reichs­kristallwoche 1938."[7] Dachau habe es versäumt, belastendes Material aus Garmisch-Partenkirchen anzufordern.

Der erste Verhandlungstag war der 22. September 1948.[8] Der Öffentliche Kläger Helmut Breiding beantragte, die Verhandlung gegen Hausböck abzubrechen und sie der Spruchkammer Garmisch-Partenkirchen zu übergeben. Hausböcks Verteidiger, Rechtsanwalt Adolf Miehr, stellte den Antrag, das Verfahren gegen seinen Mandanten nicht nach Garmisch-Partenkirchen abzugeben und Haus­böck sofort aus der Haft zu entlassen. Verhandlungsort blieb Dachau, Hausböck blieb in Haft.

Hausböck verteidigte sich damit, dass er nicht wusste, „dass unsere Führer Schufte waren, die das nicht verantworten konnten, was sie anrichteten.“ Die Gauleitung habe ihm nie verziehen, dass er „Befehle nicht so strikte (sic) durchführte, … dass in Garmisch das oder jenes auf dem Gebiet des Nationalsozialismus nicht in Ordnung“ gewesen sei.[9] Der Öffentliche Kläger spottete: „Wenn man Sie anhört, muss man sich wundern, dass Ihnen in Garmisch noch kein Denkmal gesetzt wurde."

Als Zeuge wurde an diesem Tag Reinhold Kohtz gehört, dessen Mutter und Schwester durch Haus­böcks „Judenaktion“ am 10. November 1938 in den Selbstmord getrieben wurden. Der Zeuge kriti­sierte die unmenschliche und gewissenlose „Art und Weise, wie der Betroffene an jenem Unglückstag vorging.“ Bei der Münchner Polizei habe man ihm gesagt, „dass das Vorgehen des Kreisleiters in Gar­misch völlig gesetzlos“ gewesen sei. Das Verhalten des Weilheimer Kreisleiters Anton Dennerl, der gegen die Verfolgung der Juden opponiert und die Zerstörung eines jüdischen Kaufhauses in Weil­heim verhindert habe, sei ihm Beweis dafür, dass Hausböck sich auch anders hätte verhalten kön­nen.[10]

Die Spruchkammer ordnete am 23. September 1948 die weitere Festhaltung Hausböcks mit der Be­gründung an, dass der Betroffene „das Judenpogrom vom 8.u.9. November 1938 in krassester Form“ durchgeführt und „viele Menschen zum Freitod getrieben“ habe.[11]

Hausböcks Verteidiger erklärte zunächst einmal, dass sein Mandant „keinerlei Kenntnis von den Na­men und der Zahl der in Garmisch-Partenkirchen lebenden jüdischen Einwohner“ hatte.[12] Er habe deshalb Jakob Scheck, den 1. Bürgermeister von Garmisch-Partenkirchen, am frühen Morgen des 10. November 1938 um seine Hilfe bei der Beschaffung einer Namensliste gebeten. Auf Anordnung Schecks hätten dann der Leiter des Einwohnermeldeamtes Heinrich Schuster und der Gendarmerie-Hauptwachtmeister Willibald Volnhals dieses Adressenverzeichnis erstellt. Hausböck habe die Vorstände der jüdischen Familien durch Polizeibeamte der Gemeinde auf der Kreisleitung vorführen lassen und Anweisungen gegeben, keinesfalls „wilde Aktionen“ zu unternehmen. Rechtsanwalt Wil­helm Hiller habe eine Erklärung vorbereitet, durch die sich die jüdischen Familien verpflichteten, den Ort für immer zu verlassen und ihren Besitz zu verkaufen. Hiller habe angeboten, während der „Aus­sprache mit den jüdi­schen Familienvorständen in der Kreisleitung“ die Vorge­führten „in Vermögens- und Besitzangelegenheiten zu beraten.“ Hausböck habe den Juden „erklärt“, dass sie „mit Ihrer Ver­bringung in ein Konzentrationslager rechnen“ müssten, wenn sie seiner Empfehlung, „sofort abzufah­ren“ nicht nachkämen. Dann habe er ihnen noch geraten, Schmuck und Geld mitzunehmen, den Ort „mög­lichst schon bis Mittag“ zu verlassen, am besten „sofort über eine Grenze in das Ausland."[13]

Hausböcks Version der „Vorgänge“ hieß: Der 1. Bürgermeister hat mich unterstützt. Die Gemeindepo­lizei war verantwortlich für die Durchführung. Rechtsanwalt Hiller hat alles juristisch sauber vorbereitet und selbstlos geholfen. Er selbst habe den Juden wertvolle Ratschläge gegeben, wie sie sich am besten verhalten sollten.

 


[1] StA München Spruchkammern - Karton 642 Johann Hausböck / CIC 970/92 Det. APO 757 US-Army and CIC 220 Det. APO 340 - 06.09.1945 Edgar Baker Special Agent CIC

[2] Headquarters Civilian Internment Camp Nr. 8 - Subject Hans Hausböck Case Nr. 8-4745 - 15.02.1946

[3] StA München Spruchkammern - Karton 642 Johann Hausböck / 26.03.1947

[4] StA München Spruchkammern - Karton 642 Johann Hausböck

[5] ebd. Öffentlicher Kläger bei der Lagerspruchkammer Dachau - Az 3282 16.06.1948

[6] StA München Spruchkammern - Karton 642 Johann Hausböck / Öffentlicher Kläger der Spruchkammer Garmisch-Partenkirchen an die Lagerspruchkammer Dachau 21.09.1948

[7] ebd.

[8] StA München Spruchkammern - Karton 642 Johann Hausböck / 22.09.1948 Protokoll der öffentlichen Sitzung der Lagerspruchkammer Dachau Az. 3282

[9] ebd.

[10] ebd., s.a. Martin Broszat, Klaus-Dietmar Henke, Hans Woller (Hrg.).: Von Stalingrad zur Währungsreform. Zur Sozialgeschichte des Umbruchs in Deutschland (München, 1988) S. 279

[11] ebd. Festhaltebefehl der Lagerspruchkammer V des Arbeits- und Internierungs­lagers Dachau für Hans Hausböck 23.09.1948

[12] StA München Spruchkammern - Karton 642 Johann Hausböck / 14.03.1949 Rechtsanwalt Adolf Miehr an die Spruchkammer Außenstelle Garmisch-Partenkirchen - "Vorgänge bei den Judenpogromen am 10.11.1938"

[13] alle ebd.

 

 

© Alois Schwarzmüller 2012