Die Kreisleiter der NSDAP in Garmisch-Partenkirchen
 – „Politische Frontoffiziere der Bewegung“

 

 

 

 

 

Johann Hausböck - „Wir siegen, weil Gott es will!“

 

„Garmisch-Partenkirchen muss von Juden frei werden“

Da hatte man mit Hausböck den Richtigen gewonnen. Er hatte die „Geheimnisse der Weisen von Zion“[1] gelesen, hielt sie für authentisch und „glaubte“, die Juden hätten 1883 die „Vernichtung Deutschlands beschlossen“. [2] Sein Plan zur Verhinderung der angeblichen „jüdischen Weltverschwörung“ war einfach: „Ausmerzen“ musste man die Juden. Was „die Wanze unter den Tieren“, das sei „der Jude unter den Menschen.“[3] Diese Denkweise war die Ausgangsbasis für Hausböcks Aktion für ein „judenfreies Garmisch-Partenkirchen“.

In den Tagen vor den Olympischen Winterspielen 1936 waren die Parteigewaltigen in München und Berlin zwar hektisch bemüht gewesen, jeden Anschein von Anti­semitismus im Olympiaort zu vermeiden. Vor der Entzündung des olympischen Feuers ordnete Adolf Wagner als Bayerischer Innenminister die „Beseitigung der Judenschilder und Stürmer-Kästen“ an. „Unverzüglich“ mussten alle Schilder, Tafeln und Transparente mit der Aufschrift „Juden sind hier unerwünscht“ abgenommen werden.[4] Aber der olympische Scheinfrieden dauerte ge­rade einmal zwei Wochen, dann begannen die Schikanen gegen jüdische Bürger und Gäste in Gar­misch-Partenkirchen aufs Neue.

Jakob Liebenstein, jüdischer Schuhhändler in Partenkirchen, der schon einmal kurz vor Beginn der olympischen Zäsur zusammen mit seiner Ehefrau Leonie von Kreisleiter Hartmann in Schutzhaft genommen worden war, wurde im Dezember 1936 abermals zum Objekt antijüdischer Gemeinheit. „Wegen unlaute­ren Wettbewerbs“ wurde Strafanzeige gegen ihn erstattet – weil er vor seinem Laden ein Plakat mit der Aufschrift „Reparaturen: Schnell, gut und billig“ angebracht hatte.[5]

Mitte August 1937 informierte der Reichsausschuss für Fremdenverkehr die Kurverwaltung des Marktes darüber, dass „gegen die Aufstellung von Ortschildern in Garmisch-Partenkirchen, die auf das Unerwünschtsein von Juden im Orte aufmerksam machen, keine Bedenken bestehen.“[6] Der olympi­sche Schutzdamm war endgültig geborsten.

Auch Hausböck hatte keine Bedenken. Im September 1937 hielt er anlässlich der Neuorganisation der NSDAP in Garmisch-Partenkirchen eine erste öffentliche Drohrede „gegen das Zerstörungswerk des ewigen Juden.“ [7] Die NSDAP-Ortsgruppen Wank, Kramer und Zugspitze feierte er als „uneinnehmbare Festun­gen des Nationalsozialismus“, an denen das „jüdische Parasiten- und Verbrechertum“[8] schei­tern werde. Alle, deren Haltung in der sogenannten „Judenfrage“ noch schwankte, die „zwischen den sogenannten fleißigen und anständigen Juden und den unan­ständigen Juden“ unterscheiden wollten, rüffelte er gnadenlos.[9]

 

 

 

Kreisappell der NSDAP im April 1937 vor und im Olympiafestsaal Garmisch-Partenkirchen. Am Rednerpult NS-Kreisleiter Johann Hausböck. (Fotos: Johann Beckert / Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 14.04.1937)

 

Hausböck ließ es nicht bei Worten, sondern legte in diesen Tagen bei seinem Kampf gegen alles Jüdische auch selbst mit Hand an. Bei einer Ortsgruppenfeier der NSDAP in Unterammergau ließ er es sich nicht nehmen, einen jüdischen Reise­vertreter ganz persönlich „aus einem hiesigen Geschäft“ zu verjagen.[10] Die große erste „Judenaktion“, die Hausböck zu dieser Zeit vorbereitete, rechtfertigte er im November 1937 bei einem Besuch der NSDAP-Ortsgruppe Ettal damit, dass es „uns niemals auf bürokratischem Wege gelingen werde, Deutschland vom Einfluss des Juden zu befreien.“ Nur „die revolutionäre Bewegung des Nationalsozialismus“ könne dieses Ziel erreichen.[11] Das war eine kaum überhörbare Programmankündigung für die „Aktionen“ am 18. Februar 1938 und am 10. November 1938. Am Tag von Hausböcks Rede in Ettal rief auch der Leiter der NSDAP-Ortsgruppe Kramer, Engelbert Freudling, in einer Parteiveranstaltung aus, „Garmisch-Partenkirchen muss von Juden frei werden!“.[12] Die Parteimaschine funktionierte. Zunächst wurden die jüdischen Gäste vertrieben, dann folgten die jüdischen Bürger.

 

„Fremdensaison ohne Juden“ – 18. Februar 1938

An diesem Tag versammelte Hausböck in einer „spontanen Volkskundgebung“ im Olympia-Festsaal im Zentrum von Garmisch-Partenkirchen alles, was in der örtlichen NSDAP Rang und Na­men hatte. Alle Register der Propaganda wurden gezogen. Gastgewerbe und Einzelhandel mussten ihre Mitglieder zur Teilnahme verpflichten. Ein Propagandamarsch quer durch den Doppelort mit SA und SS und mit allen „politischen Leitern“ ging der Versammlung als „Kampfansage an die Juden und die Ju­denfreunde im Kreis Garmisch-Partenkirchen“ und als „machtvolles Bekennt­nis zur Rassenfrage“ voraus[13]. Der Schriftleiter des Garmisch-Partenkirchner Tagblatts fühlte sich „an die Kampfzeit“ erinnert.

Unter dem Motto „Fremdensaison ohne Juden“ versammelten sich im Festsaal an die tausend Zuhö­rer aus Garmisch-Partenkirchen und Umgebung. Redner waren Kurdirektor Anton Reitinger, Gauamtsleiter Walther Wüster[14] aus München, Dr. Hafner vom Berliner „Institut zum Studium der Juden­frage“ und Kreisleiter Johann Hausböck. Das Garmisch-Partenkirchner Tagblatt ließ am folgen­den Tag Wüster und Hausböck zu Wort kommen. Wüster verbreitete die offiziellen antijüdischen Phrasen („dass ein Jude durch die Taufe niemals seine Rasse verliert“), erklärte, dass „die Nürnberger Gesetze nur den Anfang einer Lösung der Judenfrage“ bedeuteten und schwor seine fanatisierte Zu­hörerschaft darauf ein, dass es „in dieser Frage nur ein ‚Entweder-Oder‘“ gebe.[15]

 

 

Oben: Aufruf zum Besuch der antijüdischen "Massenversammlung" mit NS-Kreisleiter Hausböck - Garmisch-Partenkirchner Tagblatt, 17.02.1938

Unten: Aus dem Bericht des Garmisch-Partenkirchner Tagblatts über die Kundgebung der NSDAP im Kreis Garmisch-Partenkirchen am 18. Februar 1938 gegen die Vermietung an jüdische Gäste - Quelle: Garmisch-Partenkirchner Tagblatt, 19.02.1938

 

Hausböck erläuterte seiner einheimischen „Gefolgschaft“ die Ziele seiner „Aufklärungswelle“: Die Ge­schäftswelt solle zu einer „eindeutigen Abkehr vom Juden“ bewegt, jüdische Gäste aus dem Frem­denverkehr ausgeschlossen und „Garmisch-Partenkirchen zu einem sauberen Kurort“[16] gemacht wer­den – „judenfrei“. Zwar, so betonte er, richte sich sein Vorgehen vor allem gegen jüdische Gäste, aber „auch die hier ansässigen Juden sollten wissen, dass sie bei uns unerwünscht sind.“[17] Die „Judenabwehrschilder“ müssten so angebracht werden, „dass sie sofort ins Auge fallen.“ Schließlich brüstete er sich damit, dass seine Vorgehensweise „die Billigung der höchsten Stellen“ gefunden habe.[18]

Zum Schluss wurde eine „Erklärung und Anordnung“ der 16 Bürgermeister des Kreises Garmisch-Partenkirchen verabschiedet, in der massive Drohungen gegen alle Geschäftsleute und Hoteliers aus­gesprochen wurden, „die sich der Kreisleitung in ihrem Kampf gegen die Juden entgegenstellen.“[19] Hausböck versicherte höhnisch, die Kreisleitung sei gerne bereit, „Ge­schäftsleute, die noch Bindungen mit Juden haben, entsprechend zu beraten.“[20]

Die Zuhörer dankten ihm mit „Beifall ohnegleichen“. Fritz Brunner, Schriftleiter des Garmisch-Parten­kirch­ner Tagblatts, schrieb von einer „historischen Stunde“ [21]

 


[1] Die „Protokolle der Weisen von Zion“ sind um 1900 vermutlich in Russland entstanden. Die Verfasser sind unbekannt, ihre fiktionalen Texte geben vor, geheime Dokumente eines Treffens von jüdischen Weltverschwörern zu sein.

[2] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 15.11.1937 – „Die Losung des Kreisleiters: Erkenne die Judenfrage!“

[3] ebd.

[4] StA München NSDAP 545 – Einschränkung der Aktionen gegen Juden 1935-1936 / Schreiben des Innenministeriums an das Bezirksamt Garmisch 15.01.1936

[5] StA München LRA 61614 – Monatsberichte Bezirksamt 1936 / Meldung des Gendarmeriebezirks Garmisch an das Bezirksamt Garmisch 02.12.1936

[6] MA Garmisch-Partenkirchen 940 – Mietverhältnisse mit Juden / 12.08.1937

[7] Werdenfelser Anzeiger 22.09.1937

[8] ebd.

[9] ebd.

[10] StA München LRA 61614 – Monatsberichte Bezirksamt 1936 / Gendarmeriestation Unterammergau an das Bezirksamt Garmisch 30.11.1937

[11] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 26.11.1938 – „Wir wollen keine Geschichtsfälschung“

[12] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 27.11.1937 – „So tarnt der Jude sein Zerstörungswerk. Aufklärungsvortrag in der Ortsgruppe Kramer“

[13] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 19.02.1938 – „Wir wollen keine Juden in Deutschland. Unser Bekenntnis zum Deutschtum“

[14] Walther Wüster (1881-+ unbekannt) - 1934 Mitglied der Propagandaleitung des Gaus München-Oberbayern, ab 1935 stellvertretender Gaupropagandaleiter, 1938 verantwortlich für die Wanderausstellung „Der ewige Jude

[15] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 19.02.1938

[16] ebd.

[17] ebd.

[18] ebd.

[19] ebd.

[20] ebd.

[21] Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 19.02.1938

 

 

 

© Alois Schwarzmüller 2012