Pfarrer Hermann Mencke
und die Pfarrei St. Martin Garmisch zur Zeit des Nationalsozialismus

 

 

 

 

 

3. Erste Auseinandersetzungen mit den Nationalsozialisten

 

a) 1930 - Kaplan Aloys Dick weist die Garmischer Nazis in die Schranken

Drei Jahre vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten kam es zu einer ersten Konfrontation zwischen dem Katholischen Pfarramt Garmisch und einem führenden Garmischer Funktionär der NSDAP. Dabei ging es um folgendes:

Aloys Dick (1901-1939), Kaplan in der Pfarrei St. Martin GarmischDie Garmischer Ortsgruppe der NSDAP hatte im Juli 1930 Kritik an einer Predigt von Kaplan Aloys Dick geübt, in der er „Sozialisten und Nationalisten“ als Feinde der Kirche und als „falsche Propheten“ mit „irrigen Auffassungen“ bezeichnet hatte. Wegen der „Aussichtslosigkeit einer sachlichen, ruhigen Auseinandersetzung“ hatte Mencke die Beantwortung nicht selbst übernommen, sondern sie seinem Kaplan überlassen. Und der wurde sehr deutlich. Zunächst wies er die nationalsozialistische Propagandaformel vom „positiven Christentum“ der Hakenkreuzbewegung als durchsichtige Wahlkampfrhetorik zurück, geißelte dann den „Ton, der in nationalsozialistischen Versammlungen oft gewählt wird, sobald von Papst, Bischöfen und Priestern die Rede ist“, nannte ihn „beschämend für Menschen, die sich zu einem positiven Christentum bekennen wollen,“ und warnte „in aller Öffentlichkeit“ vor dem „Wolf in Schafskleidern“: „Wer Hitler neben Christus und über die Kirche stellt, ist kein Christ.“ Allen Annäherungsversuchen erteilte Dick am Schluss seiner Philippika mit dem Satz „Eine Gesamtumstellung der Bewegung, so dass auch treue Katholiken ohne Gewissenskonflikt ihr angehören können, wird nicht zu erreichen sein.“ Das war eine unüberhörbare Abfuhr für die durchsichtigen Annäherungsversuche der Nazis – ausdrücklich auch im Namen Pfarrer Menckes.

Der zornige Brief des Garmischer Kaplans entsprach zu dieser Zeit der Haltung der Katholischen Kirche in Deutschland gegenüber der Hitlerbewegung. Diese Haltung zeigte sich auch in einem offenen Brief, den der Garmischer Gesellenverein 1932 an die NSDAP richtete. Da heißt es am Schluss: "Unsere Zentrale ist nicht das Braune Haus in München, sondern die Minoritenkirche in Köln, unser Führer ist nicht Adolf Hitler, sondern Adolf Kolping."

Katholiken, die der NSDAP beitraten, drohte zu diesem Zeitpunkt noch die Exkommunikation durch ihre Kirche. Nur ein gutes Jahr später freilich kam es, wie es der bayerische Historiker Johann Bekh formulierte, „zur Hochzeit der Kirche mit dem Geist der Welt.“ Geistliche wie Dick und Mencke sollten das schon recht bald zu spüren bekommen.

 

b) 1933 - Pfarrer Mencke und Kardinal Faulhaber

Ein letztes Mal warnte Mencke kurz vor der Reichstagswahl am 5. März 1933 öffentlich vor der politischen Heilslehre der Nationalsozialisten und „ihren Irrtümern“. In einer Versammlung des Katholischen Männervereins Garmisch warb er für die Bayerische Volkspartei „in Erwartung, dass die katholischen Männer am 5. März ihre Pflicht als Staatsbürger und Christen erfüllen.“ Und man darf sicher sein, dass Mencke damit die Hoffnung verband, das Hitler-Regime, das seit dem 30. Januar an der Macht war, wieder los zu werden.Kardinal Faulhaber bei der Einweihung der Bayerischen Zugspitzbahn - 1931

Kardinal Michael Faulhaber, Menckes Münchner Oberhirte, wählte eine andere Sicht der Dinge. Im Fastenhirtenbrief 1933, zitiert nach dem Werdenfelser Anzeiger vom 2. März 1933, also ebenfalls wenige Tage vor der Schicksalswahl vom 5. März 1933, heißt es: „In allen Staatsformen ist die Obrigkeit des Staates von Gott angeordnet. Auch wenn ein Pilatus oder Nero auf dem Thron sitzt. Es gibt keine Gewalt, außer von Gott, und die, welche besteht, ist von Gott angeordnet… Der Satz im 1. Artikel der Verfassung des Deutschen Reiches: ‚Die Staatsgewalt geht vom Volke aus.’ ist eine Irrlehre, ein Fälschung des biblischen Satzes: ‚Es gibt keine Gewalt außer von Gott.’… Für das staatsbürgerliche Gewissen wäre es aber ein Verbrechen, durch Revolution oder Staatsstreich eine bestehende Staatsform gewaltsam umzustoßen.“ Das war eine Aufforderung zur Resignation, zur Anerkennung Hitlers als der von Gott angeordneten staatlichen Gewalt, es war ein Verbot zur gewaltsamen Befreiung aus dem Würgegriff Hitlers und es war eine Verurteilung des legitimen demokratisch-parlamentarischen Regierungssystems der Weimarer Republik. Wie schwer musste sich da der Priester Hermann Mencke tun, seiner religiösen und vielleicht auch seiner politischen Gemeinde ein überzeugendes, ein glaubwürdiges Vorbild zu sein.

Wir wissen, mit welchem Ergebnis diese Wahl am 5. März 1933 endete: In Partenkirchen erhielt die NSDAP 38,11 Prozent der abgegebenen Stimmen, in Garmisch 49,97 Prozent, in Bayern 43,08 und im ganzen Reich 43,91 Prozent. Menckes Bayerische Volkspartei blieb mit 20,98 Prozent in Garmisch weit hinter seinen Erwartungen zurück. Der überwiegende Teil der Garmischer Wählerinnen und Wähler stand jetzt eindeutig im Lager Hitlers und der Deutschnationalen.

 

© Alois Schwarzmüller 2007