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Der Wehrmachtsstandort Garmisch-Partenkirchen |
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Der Diktator handelte. Die Wehrverfassung wurde in nur drei Jahren mit einer Flut von Gesetzen und Verordnungen seinen ideologischen, politischen und militärischen Zielsetzungen angepasst. Das Wichtigste wurde am 16. März 1935 mit dem „Gesetz über den Aufbau der Wehrmacht“ geregelt. Ihm folgte das „Wehrgesetz“ vom 21. Mai 1935 und einen Tag später der „Erlass über die Dauer der aktiven Dienstpflicht in der Wehrmacht“. Bis Kriegsbeginn wurde mit einer weiteren Flut von Erlassen und Verordnungen die Führungsspitze der Wehrmacht neu konstruiert und das militärische Strafverfahren samt „Sonderstrafrecht im Kriege und bei besonderem Einsatz“ nach nationalsozialistischen Grundsätzen ausgerichtet. Das Hunderttausend-Mann-Heer der Weimarer Republik war im September 1939 zur Millionenarmee der „Wehrmacht“ hochgerüstet. Die infrastrukturellen Voraussetzungen für diesen gigantischen Um- und Ausbau zur „großdeutschen“ Armee waren mit gleicher Intensität geschaffen worden. Hitler und seine Generale konnten nun ihren Krieg führen.
Im Bezirk Garmisch und in seiner engsten Nachbarschaft wurden zu diesem Zweck von 1935 bis 1939 acht Kasernen errichtet - in Murnau, in Oberammergau, in Mittenwald und in Garmisch-Partenkirchen. Nie zuvor in der Geschichte gab es in dieser Region eine derartige Ballung befestigter militärischer Einrichtungen. Für die kleinen und strukturschwachen Gemeinden und Märkte des Werdenfelser Landes, die meist erst seit wenigen Jahren durch den Tourismus zu bescheidenem Wohlstand gekommen waren, war das Kasernenbauprogramm mit Aussicht auf dauerhafte Niederlassung zahlreicher Soldaten und Offiziere mit gesichertem Einkommen als neuer lokaler Wirtschaftsfaktor verlockend. Bei den Olympischen Winterspielen 1936 in Garmisch-Partenkirchen traten Soldaten als Teilnehmer des neuen olympischen Militär-Ski-Patrouillenlaufs erstmals öffentlich in Garmisch-Partenkirchen in Erscheinung. Gebirgsjäger der Gebirgsbrigade Kempten waren beim Spurkommando für die Langlaufwettbewerbe und im Tretdienst für die alpinen Skiwettbewerbe tätig. Soldaten der Nachrichtenabteilung München sorgten für die Telefonverbindungen an den Wettkampfstätten. Im März 1938, beim von Hitler erzwungenen Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich, spielten Gebirgsjäger schon eine andere Rolle: Das Garmischer Gebirgs-Artillerieregiment I/79 nahm aktiv am Einmarsch in Österreich teil, im Oktober 1938 auch an der Besetzung des Sudetenlandes. Bei der Rückkehr am 23. Oktober schwadronierte NS-Kreisleiter Hans Hausböck bei der Begrüßung von Regimentskommandeur Oberst Karl Wintergerst von den "siegreichen Soldaten des deutschen Volkes, die mit dem 29. September 1938 den Weltkrieg siegreich beendet haben." Wintergerst erwiderte gleichfalls blind, gläubig und gehorsam: "Wir waren zum letzten Einsatz bereit. Durch die Weisheit und die staatsmännische Kunst Adolf Hitlers ist uns der Krieg und eine blutige Auseinandersetzung erspart geblieben." Die Wehrmacht im Bann des Diktators, die Rethorik im Dienst des Krieges. Beim Marsch der IV. Batterie durch Garmisch-Partenkirchen zurück in die Artilleriekaserne wurden den Gebirgssoldaten viele Blumen zugeworfen - ein Jahr später werden Blumen auf den Gräbern dieser Soldaten liegen. Und nicht nur auf ihren Gräbern.
Quellen und Literatur: Archiv des Marktes Garmisch-Partenkirchen Bauamtsregistratur des Marktes Garmisch-Partenkirchen Garmisch-Partenkirchner Tagblatt Fredrick P.A. Hammersen, The Military Garrisons of Garmisch-Partenkirchen (Garmisch-Partenkirchen 1994) - Unveröffentlichtes Manuskript Heinz-Dieter vom Brocke, Soldaten in Garmisch-Partenkirchen (in: 60 Jahre Olympiaort Garmisch-Partenkirchen 1936-1996) 10 Jahre Standortverwaltung Mittenwald 5. Mai 1955 – 5. Mai 1966 - Ein Bericht (Zehnjahresbericht der Standortverwaltung Mittenwald) Villa Ladenburg, Chronologie des Hauses 1911-1995 (Architekturbüro Wülleitner, München 1995) Winfried Nerdinger (Hrsg.), Bauen im Nationalsozialismus. Bayern 1933-1945 - Ausstellung des Architekturmuseums der Technischen Universität München und des Münchner Stadtmuseums (München 1993) Ralf Benkert, Künstlerlexikon des Werdenfelser Landes (www.antiquariat-benkert.de) Roland Kaltenegger, Die deutsche Gebirgstruppe 1935-1945 (München 1989) Jakob Knab, Falsche Glorie. Das Traditionsverständnis der Bundeswehr (Berlin 1995) Christoph U. Schminck-Gustavus, Kephallonia 1943-2003. Auf den Spuren eines Kriegsverbrechens (Bremen 2004) Hermann Frank Meyer, Blutiges Edelweiß. Die 1. Gebirgsdivision im Zweiten Weltkrieg (Berlin 2008)
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© Alois Schwarzmüller 2009 |
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