1936 - Anmerkungen zu den Olympischen Winterspielen in Garmisch-Partenkirchen

 

 

 

 

 

Karl Ritter von Halt (1891-1964)

 

Im Juli 1958 erhielt das Garmisch-Partenkirchner Fußball- und Leichtathletikstadion am Gröben in feierlicher Zeremonie den Namen „Dr.-Ritter-von-Halt-Stadion". Die sportliche Wettkampfstätte war 1935 errichtet worden. Bis 1945 trug sie die Bezeichnung „Schlageter-Kampfbahn". Albert Leo Schlageter kämpfte als Mitglied eines Freikorps gegen die französische Ruhrbesetzung, wurdeDr. Karl Ritter von Halt im Mai 1923 hingerichtet und galt den Nationalsozialisten als einer der ersten Märtyrer ihrer „Bewegung". Schon im September 1923 wurde – auf Initiative der Garmisch-Partenkirchner Ortsgruppe des republikfeindlichen Bundes Oberland – auf dem Ostgipfel der Zugspitze eine Gedenktafel für Schlageter angebracht. 1935 erhielt das Garmischer Stadion seinen Namen. Von 1945 bis 1958 war es dann wieder das „Stadion am Gröben". Der „Gröben" – das war vor der Regulierung der Loisach ein Überschwemmungsgebiet mit viel grobem Geschiebe.

Den Festakt im Juli 1958 hatte man ganz geschichtsbewusst gewählt. Er fand genau 25 Jahre nach der Vergabe der Olympischen Winterspiele an Garmisch-Partenkirchen statt.

Von Hanns Kilian, Alpenhof-Hotelier, erfolgreicher Bobfahrer, Präsident des Garmisch-Partenkirchner Sportkomitees – und Teilnehmer an Adolf Hitlers Putschversuch 1923 in München – war die Anregung gekommen, das Stadion am Gröben nach Karl Ritter von Halt zu benennen. Halt selbst, 1950 aus sowjetischer Haft im Lager Buchenwald zurückgekehrt, hatte es abgelehnt, einer der olympischen Sportanlagen in Garmisch-Partenkirchen seinen Namen zu geben. Der „Gröben" passte ja auch ganz gut zu ihm. Karl Halt hatte sich in frühen Jahren einen guten Namen als Leichtathlet und Zehnkämpfer gemacht. Als Präsident des Organisationskomitees für die Olympischen Winterspiele 1936 und 1940 betrat er für kurze Zeit die Bühne von Garmisch-Partenkirchen. Das Leben führte ihn dann wieder nach München und Berlin. Bürger von Garmisch-Partenkirchen wurde er erst 1956.

Es ist hier nicht der Ort, das Leben Karl Ritter von Halts in allen Facetten darzustellen. Das haben seine Biographen Peter Heimerzheim und Frank Thiemann (Literaturhinweise) kenntnisreich getan. Ich möchte den Schwerpunkt auf die Frage legen, ob das Stadion am Gröben noch weiter den Namen von Halts tragen soll.
 

Krieg und Sport

Geboren wurde Karl Halt im Jahre 1891 als Sohn eines Münchner Kunstschlossermeisters. Seine sportliche Begabung zeigte sich früh in der Königlichen Turnschule Oberwiesenfeld. 1908 fand er den Weg zur Deutschen Turnerschaft, einem deutschnationalen Verband, der das Turnen, ganz in der bürgerlichen Tradition, als Teil der „vaterländischen Pflichten" sah – gegen „Überfremdung", für „deutsche Größe". Seine sportlichen Leistungen im Zehnkampf waren herausragend. Bei den Olympischen Spielen 1912 in Stockholm traf er erstmals auf Avery Brundage, dem US-Meister in der Mehrkampf-Disziplin. Brundage setzte bei den olympischen Spielen 1936 als Chef des Nationalen olympischen Komitees der USA die Teilnahme seines Landes gegen die Boykottbestrebungen der amerikanischen Athletik-Union durch.

Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges löste bei den nationalistischen Sportverbänden Freudenkundgebungen aus. Karl Halts Kriegstagebücher sind Zeugnisse einer ambivalenter Haltung: Zwischen berauschter Kriegszieleuphorie („Belgien muss deutsch werden!"), bedingungsloser Hingabe („… die heilige Sache, für die wir kämpfen."), kriegsbedingter Rücksichtslosigkeit („Meine Kompanie hat ohnehin nur wenige Gefangene gemacht. Beim nächstenmal machen wir gar keine.") nachdenklicher Distanz („So morden wir dahin…"), und erbarmungsloser Siegesgewissheit („Wehe euch, ihr falschen Feinde, dann wird der deutsche Zorn furchtbare Rache nehmen an allem Unheil, das ihr angezettelt habt.") bewegten sich seine Gedanken. Von den Soldaten verlangte Halt „Gewandtheit, Kraft und Ausdauer". Der Sport war ihm die wichtigste Voraussetzung für die Wehrerziehung. Im Feldzug gegen Italien erwarb Halt im Oktober 1917 den Bayerischen Militär-Max-Joseph-Orden, verbunden mit dem Recht, sich Karl „Ritter von" Halt zu nennen. Das Kriegsende erlebte er in englischer Gefangenschaft.
 

„Herrenvolk" und „Siegfriednaturen"

Wie er schon 1917 die Friedensresolution des Deutschen Reichstages entschieden abgelehnt hatte, so hielt er auch 1919 am Beginn der Weimarer Republik wenig von der neuen demokratischen Ordnung. Die Beziehung zwischen Sport und Militär wurde dagegen immer enger. Halt wurde Sportlehrer an der Münchner Infanterieschule. Er trainierte den Offiziersnachwuchs. Beruflich wandte er sich wieder dem Bankwesen zu. Schon vor dem Ersten Weltkrieg hatte er bei der Deutschen Bank in München eine Lehre absolviert. Am Hitlerputsch im November 1923 war er wohl nicht beteiligt. Seine politischen Hoffnungen richtete er in dieser Zeit mehr auf die Wiederherstellung der Monarchie. An der Universität München – einem Szenetreffpunkt der völkisch-nationalistischen Professoren und Studenten nach dem Krieg – promovierte er 1922 mit dem Thema „Die Pflege der Leibesübungen an Hochschulen. Ein Beitrag zur regenerativen Bevölkerungspolitik." Die Quintessenz lautete „Aufrüstung durch Sport". Halt kam zu folgenschweren Aussagen: „Gesund, kräftig, ausdauernd und leistungsfähig machen uns die Leibesübungen… Die Griechen haben wir uns dabei zum Vorbild genommen… Dann unsere Ahnen, jene blonden Germanenrecken, vor deren Kraft im riesenstarken Leib das große weltbeherrschende Rom zitterte… So übten unsere Väter ihren Körper. Darum waren sie auch das Herrenvolk Europas. Und wir sollten es ihnen gleich tun und Leibesübungen betreiben." Der Weg zum Herrenvolk nach Hitlers Vorstellungen war nicht mehr weit. Dazu passten auch die Gedankengänge über die Rolle der Frau im Sport: „Ich verurteile keinesfalls die Damenleichtathletik als solche…. Denn wir brauchen ein starkes Geschlecht, eine gesunde deutsche Rasse … dann schenkt uns die Zukunft Siegfriednaturen." Aber auf Wettkämpfe sollten die Frauen verzichten: „Der Kampf verzerrt das Mädchenantlitz… Der Kampf gebührt dem Manne, der Natur des Weibes ist er wesensfremd. Darum weg mit den Damenmeisterschaften."

Schön, möchte man hinzufügen, dass Christl Cranz und Käthe Grasegger trotzdem 1936 in Garmisch-Partenkirchen teilnehmen durften.
 

Sport und Versöhnung

Nach diesem fragwürdigen Ausflug in die Wissenschaft von der Leibesertüchtigung wurde Dr. Karl Ritter von Halt 1922 Personalchef des jüdischen Bankhauses H. Aufhäuser in München. 1929 wählte ihn das Internationale Olympische Komitee als persönliches Mitglied – neben ihm waren noch Dr. Theodor Lewald und der Herzog Adolf Friedrich zu Mecklenburg als deutsche Vertreter mit Sitz und Stimme im IOC. In den folgenden Jahren engagierte von Halt sich nachdrücklich im internationalen Sportbetrieb, auch für die Begegnung zwischen französischen und deutschen Wettkämpfern. 1926, ein Jahr nach dem Vertrag von Locarno, schrieb er anlässlich eines Länderwettkampfes: „Dem Sport war es vorbehalten, die politischen Gegensätze zu überbrücken, und im fairen, ritterlichen Kampfe begegnen sich die beiden Nationen."
 

Mitglied der NSDAP - „Führerprinzip" und „Disziplin"

Drei Monate nach Hitlers Machtergreifung wurde Dr. Karl Ritter von Halt Mitglied der NSDAP und der SA. Fairness und Ritterlichkeit im Umgang mit den benachbarten Nationen gehörten nicht zu ihrem Stil. Vielleicht hatte ihm ja sein Kamerad und Freund aus Kriegs- und Freikorpstagen Ritter Franz von Epp, von Hitler am 10. April 1933 zum Reichsstatthalter in Bayern ernannt, die Mitgliedschaft schmackhaft gemacht, vielleicht gab seine generelle Distanz zur Demokratie und die Nähe zum Autoritären den Ausschlag, oder er begrüßte als Personalchef der Bank, der er diente, ein Ende der gewerkschaftlichen Machtstellung. Auch die Hoffnung, der NS-Staat werde den Sport stärker fördern als die Weimarer Republik, mag ein Motiv gewesen sein. Beim Entnazifizierungsverfahren 1950 erinnerte er sich, dass er „nur als Parteimitglied der Bank in ihrer damaligen politischen Schwierigkeit helfen" konnte.
 

Erste Ergebnisse der „politischen Neuordnung"

Bereits zwei Wochen vor seinem Beitritt zur NSDAP hatte er einen Aufruf des Deutschen Fußballbundes (DFB) unterzeichnet, in dem es hieß, dass „Angehörige der jüdischen Rasse" nicht mehr in führenden Positionen des Sports tätig sein könnten. Der ersten breit organisierten antisemitischen Boykotthetze der NSDAP am 1. April 1933 folgte die Drohung aus dem Ausland, vor allem aus den USA, die Olympischen Spiele 1936 in ein anderes Land zu verlegen. Konkreter Anlass war der Tennisspieler Daniel Prenn, der, weil er Jude war, aus dem deutschen Davis-Cup-Team ausgeschlossen worden war.

Die Verhaftung und Ermordung zahlreicher Gegner der Diktatur, die Errichtung des Konzentrationslagers Dachau vor den Augen der Öffentlichkeit, die Emigration vieler Künstler und Wissenschaftler, die rigorose Knebelung der Presse, die kirchenfeindliche Agitation – dies alles konnte von Halt nicht zu Vorsicht und Distanz bewegen. Im Gegenteil: Er stellte sich bei der Einführung des „Führerprinzips" zur Gleichschaltung des Sports in Deutschland als williger Helfer zur Verfügung. Die seit 1933 „in Deutschland herrschende Disziplin" bewunderte er, beschönigend sprach er von der „politischen Neuordnung in Deutschland". Der „internationalen Presse" und „ausländischen Journalisten" warf er vor, das Bild von Deutschland zu verzerren und die „Durchführung der Spiele in Berlin zu hintertreiben." Im IOC stellte sich von Halt immer wieder auf die Seite der Nationalsozialisten.
 

Von Bank zu Bank

Die Nationalsozialisten hatten 1935 mit den Nürnberger Gesetzen in kalter Offenheit demonstriert, dass der Antisemitismus ein Dogma ihrer „politischen Neuordnung in Deutschland" war. Von Halt, führender Repräsentant der nationalsozialistischen Sportbewegung, hielt es deshalb für geboten, sich von seinem Arbeitgeber, der in jüdischem Besitz befindlichen Aufhäuser-Bank, zu trennen. Es nimmt nicht Wunder, dass ihre Geschäfte seit 1933 „schwieriger" geworden waren, wie er sich 1950 beim Entnazifizierungsverfahren ausdrückte. Die Deutsche Bank bot ihm an, die Leitung der Personalabteilung in Berlin zu übernehmen und von Halt nahm an.
 

Antisemitismus – „… es handelt sich ausschließlich um die olympische Idee"

Kälte und menschenverachtendes Funktionärsdenken zeigte sich im Vorfeld der Winterspiele 1936. In und um Garmisch-Partenkirchen wucherte die antisemitische Atmosphäre besonders stark seit dem Sommer 1935. Von Halt registrierte diese Entwicklung sehr genau, erkannte die Gefahr, die davon für die Spiele in Garmisch-Partenkirchen und in Berlin ausging und warnte in bewegten Worten – nicht vor dem Antisemitismus, sondern vor der Offenheit, mit der er praktiziert wurde: „Herr Staatssekretär", schrieb er, „ich bitte davon überzeugt zu sein, dass ich diese meine Sorge nicht deshalb äußere, um den Juden zu helfen, es handelt sich ausschließlich um die olympische Idee und um die olympischen Spiele, denen ich seit Jahren meine ganze freie Zeit ehrenamtlich widme." Von Halt plädierte ganz offenkundig dafür, Diskriminierung und Verfolgung der Juden in Deutschland zu verschleiern, damit die olympischen Spiele nicht in Gefahr gerieten. Die „ausländischen Journalisten" sollten Lügen gestraft werden. Dass er mit dieser Haltung den olympischen Geist verriet, ist ihm nie zum Problem geworden.
 

 Links: Karl Ritter von Halt begrüßt Hitler am 6. Februar 1936 zur Eröffnungsfeier der IV. Olympischen Winterspiele in Garmisch-Partenkirchen (Foto: Amtlicher Bericht der Olymp. Winterspiele 1936, S. 56 - Hoffmann)

Rechts: Berlin 16. Februar 1941, Sportpalast - vlnr: Dänischer Polizeioberst Dahl, Dr. Karl Ritter von Halt, Reinhard Heydrich, Heinrich Himmler, Kurt Daluege, Karl Wolff (Foto: Bundesarchiv Bild 146-1973-058-04

 

Von Halt gibt Garmisch-Partenkirchen einen Bürgermeister

Die Winterspiele von Garmisch-Partenkirchen wurden zu einem großen Erfolg für die Organisatoren, für die Wettkämpfer – und für die NS-Propagandisten, die sich keine Sorgen mehr wegen der Berliner Sommerspiele machen mussten. Der Garmisch-Partenkirchner Test erbrachte dank Ritter von Halt den Beweis dafür, wie effizient „die neue politische Ordnung" war. Selbst den 1. Bürgermeister des zum 1. Januar 1935 zwangsweise vereinten Marktes Garmisch-Partenkirchen hatte von Halt ausgesucht und vorgeschlagen, „da er alle Voraussetzungen für eine gute Zusammenarbeit und auch größtes Interesse für die olympische Idee besaß," wie von Halt 1961 in einem Brief an das IOC formulierte.
 

In der Deutschen Bank ganz auf „Parteilinie"

Nach dem Wechsel von der Aufhäuser Bank zur Deutschen Bank signalisiert von Halt auch im beruflichen Bereich seine absolute Linientreue. Die Deutsche Bank sollte ein nationalsozialistischer Musterbetrieb werden: „Ich stelle an die Spitze meiner Ausführungen, dass sich jedes Gefolgschaftsmitglied zum Nationalsozialismus zu bekennen hat und zwar mit innerer Überzeugung und … dass man jetzt auch von den Zögernden verlangen kann, ihr Lippenbekenntnis in ein Herzensbekenntnis umzuwandeln…. Der Name ‚Deutsche Bank’ verpflichtet. Deutsch sein, heißt nationalsozialistisch sein. Und ohne Nationalsozialist zu sein, kann man nicht mehr den Namen ‚deutsch’ tragen."
 

„Freundeskreis Heinrich Himmler"

Der „Freundeskreis Heinrich Himmler", hervorgegangen aus dem 1931 gegründeten Keppler-Kreis zur Planung der NS-Wirtschaftspolitik, erhielt von der Deutschen Bank Jahr für Jahr 75000.- Mark. Die Rolle des Bankboten spielte, als Mitglied des „Freundeskreises", Ritter von Halt. Himmler ließ es sich nicht nehmen, seine Freunde mehrfach zu einem Besuch in einem Konzentrationslager einzuladen. 1936 nahm von Halt an der Besichtigung des Konzentrationslagers Dachau teil, 1939 war er als Besucher im KZ Sachsenhausen. Es waren Spaziergänge durch die Hölle. Der edle Ritter hat zeitlebens darüber geschwiegen – auch über seine Mitgliedschaft in diesem ganz unritterlichen „Freundeskreis" – und überließ es dem Staatssicherheitsdienst der ehemaligen DDR, Erkenntnisse darüber zu sammeln.

Der Dank Himmlers für die großzügigen Spenden aus dem „Freundeskreis" zeigte sich nach Kriegsbeginn – der Deutschen und der Dresdner Bank wurde von der SS über eine gemeinsame Aktiengesellschaft die Nutzung aller Ölerzeugnisse in den östlichen Besatzungsgebieten übertragen.
 

Vorstandsmitglied bei der Deutschen Bank

Von Halts Tätigkeit bei der Deutschen Bank, deren Vorstandsmitglied er 1938 wurde, galt nicht nur der Personalführung des Hauses. Die Bank bediente sich seiner auch als „Betriebsführer" und SA-Oberführer mit besten Kontakten zur NSDAP und zur SS und bezahlte ihn gut dafür. Der Leiter der Reichswirtschaftskammer meinte 1939: „Er hat sich im Jahre 1933 dem Dritten Reich sofort zur Verfügung gestellt, um den Interessen des Vaterlandes im In- und Ausland zu dienen… und zu versuchen, die Atmosphäre des Auslands Deutschland gegenüber zu verbessern."

Die Deutsche Bank spielte eine führende Rolle bei der Aufrüstung von Hitlers Wehrmacht und bei der wirtschaftlichen Ausbeutung der von deutschen Truppen besetzten Gebiete in ganz Europa. Sie profitierte erheblich von den Arisierungsaktionen in diesen Gebieten. Die Verantwortung für die Geschäftspolitik trugen die Vorstandsmitglieder. Im November 1946 kam eine Untersuchung des „Office of Military Government for Germany, United States" – die so genannte OMGUS-Kommission – zu folgendem Ergebnis:„Es wird vorgeschlagen, dass 1. die Deutsche Bank liquidiert wird, 2. die verantwortlichen Mitarbeiter der Deutschen Bank angeklagt und als Kriegsverbrecher vor Gericht gestellt werden, 3. die leitenden Mitarbeiter der Deutschen Bank von der Übernahme wichtiger und verantwortlicher Positionen im wirtschaftlichen und politischen Leben Deutschlands ausgeschlossen werden."

1951, ein Jahr nach seiner Entlassung aus sowjetischer Lagerhaft und nur fünf Jahre nach dem OMGUS-Bericht, kehrte von Halt bei der Wiener Session in das IOC zurück. Im gleichen Jahr wurde er auch Präsident des Nationalen Olympischen Komitees der Bundesrepublik Deutschland.
 

„Reichskristallnacht" 1938

Martin Aufhäuser, Chef der Münchner Aufhäuserbank, bei der von Halt bis 1935 als Personalchef gearbeitet hatte, wurde am 9. November 1938 in das KZ Dachau geschleppt, sein Mitinhaber wurde dort getötet. Aufhäuser konnte sich nach Holland retten, sein Besitz wurde ihm weggenommen. Ob und wie von Halt sich für Aufhäuser eingesetzt hat, konnte bisher noch nicht abschließend geklärt werden.

Sechs Wochen nach dem Pogrom erwarb von Halt in Berlin von der jüdischen Witwe Cläre Levy ein Grundstück samt Haus neben seiner Grunewalder Villa. Frau Levy brauchte das Geld, um für sich und ihre zwei Kinder die Auswanderung nach Südamerika zu finanzieren. Der Betrag, den von Halt bezahlte, entsprach dem Preis, den Levy 1925 für das Grundstück ohne Haus beglichen hatte. 1951 musste von Halt das Grundstück an die Familie Levy zurückgeben, weil er es von der zum Verkauf gezwungenen Cläre Levy zu einem Bruchteil des wahren Wertes erworben hatte.
 

Sport und Krieg

Das Undenkbare denken – die olympischen Spiele sind keine Dekade des Friedens, sondern spannende Unterhaltung im Krieg. Von Halt war noch im September 1939 überzeugt davon, dass der Krieg kein Hindernis sei für die Durchführung olympischer Spiele im Jahre 1940 in Garmisch-Partenkirchen: „Ich zähle … auf die Möglichkeit eines schnellen Friedens, oder, wenn dies nicht möglich ist, einen Krieg in einer anderen Form als zur Zeit. Wenn der Krieg in einer versteckten Form fortgeführt wird, könnten die sportlichen Aktivitäten, wenn auch eingeschränkt, fortgeführt werden."

Als dann im Januar 1940 erkennbar wurde, dass der Krieg sich nicht so leicht verstecken ließ, schlug von Halt in einem Brief an Avery Brundage vor, die zweiten Garmisch-Partenkirchner Winterspiele einfach in das Jahr 1944 zu verlegen. Dem Amerikaner machte er dann noch kurz klar, warum Deutschland nach dem Überfall auf Polen auch noch gegen England und Frankreich in den Krieg ziehen müsse: „Die beiden Länder zwingen uns dies so gründlich zu tun, dass sie endgültig lernen müssen, sich Deutschland anzupassen." Seinen Kolleginnen und Kollegen von der Deutschen Bank sprach er Mut zu: „Wenn die ganze deutsche Nation in diesem totalen Krieg wie ein Block zusammensteht, der durch nichts zerschmettert werden kann, dann werden den Gegnern bald die Augen aufgehen… Die deutschen Schläge werden sich immer mehr erhärten, bis der Feind geschlagen am Boden liegt. Dieser Tag wird der glücklichste Tag unseres deutschen Volkes sein…" Diese Rede kam von einem Mann mit fast fünfzigjähriger Lebenserfahrung, der das Elend des Ersten Weltkrieges miterlebt hatte.

Im Februar 1943, kurz nach dem Untergang der 6. Armee in Stalingrad, wurde in einer „Anordnung über den Sport im totalen Krieg" der internationale Sportverkehr eingestellt. Am 1. Oktober 1944 wurde von Halt nach dem Tod von Reichssportführer von Tschammer und Osten zu seinem ehrenamtlichen Nachfolger ernannt.
 

„Die Schlacht bei den Thermopylen"

Der Untergang der Reichshauptstadt Berlin stand kurz bevor, da wurde der SA-Oberführer von Halt mit der Führung eines Volkssturmbataillons auf dem Reichssportfeld beauftragt. Carl Diem wurde sein Adjutant. Am 18. März hielt Diem vor Rekruten im HJ-Alter und Volkssturmmännern seine „Thermopylenrede". Reinhard Appel, der spätere Chefredakteur des ZDF, hörte als Hitlerjunge diese Rede: "Schön ist der Tod, wenn der edle Krieger für das Vaterland ficht, für das Vaterland stirbt," so hatte Diem gelockt. Von Halt und Diem schickten halbe Kinder und alte Männer in den Kampfeinsatz gegen die Panzer der Roten Armee. Das sinnlose Unternehmen kostete in letzter Stunde viele Kindersoldaten das Leben. Diem hatte von Halt noch auf die militärische Aussichtslosigkeit aufmerksam gemacht: „Halt antwortete wie zu erwarten, dass er nicht ohne Befehl handeln könne."
 

Internierungslager Buchenwald

Am Tag vor Kriegsende wurde von Halt in Berlin von sowjetischen Soldaten festgenommen und 1945 in den Lagern Ketschendorf, Posen und Landsberg und ab 1946 im Lager Buchenwald interniert. Bis zum Januar 1950 wurde er dort unter elenden Bedingungen festgehalten. Die Haft in diesem Lager wurde von der Spruchkammer im Entnazifizierungsverfahren als Wiedergutmachung anerkannt.
 

Spruchkammer und Entnazifizierung

Das Verfahren zur Entnazifizierung von Halts wurde in Nordrhein-Westfalen geführt, weit entfernt von allen Orten, an denen man ihn genauer kannte. Eine Vielzahl von „Persilscheinen" entlastete ihn variationsreich von dem Verdacht, ein aktiver Nationalsozialist gewesen zu sein. Alle kamen zu dem gleichen Schluss: Von Halt sei nur im Interesse des deutschen Sports in die NSDAP eingetreten. Außerdem habe er aktiven Widerstand geleistet. Die Spruchkammer reihte ihn in die Kategorie V als „entlastet" ein.

Die Zusammenhänge zwischen den Spenden der Deutschen Bank an den Freundeskreis Himmler (Keppler-Kreis) und seine Mitgliedschaft in diesem servilen Gremium verschwieg er. In einer Aktennotiz vermutlich seines Rechtsanwaltes ist festgehalten, dass er dem „Himmler-Kreis" nur „formell" beigetreten ist: „Es war einstimmige Ansicht aller beteiligten Direktoren (der Deutschen Bank, d.V.), dass dies den wirkungsvollsten, vielleicht den einzig möglichen Schutz der Deutschen Bank vor Übergriffen der Nazis bedeutete. Aus diesem und nur aus diesem Grunde schloss sich dann Dr. von Halt tatsächlich dem „Himmler-Kreis" formell an und konnte in dieser Schlüsselstellung … weit mehr für die den Nazis nicht hörigen Kreise durchsetzen als es vielleicht außerhalb dieses Kreises möglich gewesen wäre." Es ist nicht bekannt, was Dr. von Halt für die Häftlinge in Dachau und in Sachsenhausen nach seinem „Informationsbesuch" in diesen beiden Konzentrationslagern durchsetzen konnte.

In einem Brief an seinen Rechtsanwalt rechtfertigte sich von Halt ausdrücklich dafür, dass er die Zahlungen der Deutschen Bank an den Freundeskreis Himmler nicht angegeben hatte, damit, dass „erstens diese Beiträge von der Deutschen Bank auf Grund eines einstimmigen Beschlusses des Vorstandes geleistet wurden und zweitens der Keppler-Kreis keine Organisation darstellt." Weil er wohl selbst das Gefühl hatte, dass diese Argumentation noch nicht überzeugen konnte, fügte von Halt dem Schreiben an seinen Rechtsanwalt noch einen dritten Grund für seine Unschuld hinzu: „Diese Beiträge wurden für die kulturellen Bestrebungen der SS (Ausgrabungen, Domerneuerungen, industrielle Anlagen) und die sozialen Bestrebungen gegeben." Finanzierung industrieller Anlagen – vielleicht in Auschwitz-Birkenau? Soziale Bestrebungen – vielleicht für den Lebensborn? Wen glaubte von Halt mit dieser Begründung überzeugen zu können?

Die Kombination aus Entlastungszeugen, Verschweigen und Verdrängen war erfolgreich. Von Halt ging scheinbar vollkommen rehabilitiert aus dem Spruchkammerverfahren hervor.
 

Rückkehr auf den Olymp?

Die Frage blieb aber auf der politischen Tagesordnung: Taugen Sportfunktionäre wie Ritter von Halt, für die der militarisierte Sport in erster Linie ein Mittel zur Wehrertüchtigung war, als Lehrmeister für einen neues Verständnis sportlicher Tüchtigkeit in einem demokratischen Staatswesen?

Widerstand gegen von Halt kam aus dem IOC: Der Schweizer Albert Mayer vertrat die Auffassung, dass im neuen deutschen NOK niemand vertreten sein dürfe, der in der NS-Zeit Mitglied des Deutschen Olympiaausschusses gewesen sei. Damit wäre von Halt der Eintritt in das NOK der Bundesrepublik verwehrt geblieben. Mayer konnte sich nicht durchsetzen. Das IOC sprach sich dafür aus, das NOK 1951 anzuerkennen. Dafür durfte „Deutschland" zu den Winterspielen in Oslo 1952 keine Mannschaft entsenden, nur die Bundesrepublik war vertreten – immerhin erinnerte man sich daran, dass deutsche Gebirgsjäger und andere Truppenteile der Wehrmacht Norwegen von 1940 bis 1945 besetzt hielten.

Vor von Halts Rückkehr in das IOC häuften sich zwar – national und international – die Vorwürfe gegen ihn als „Nutznießer des Nationalsozialismus", als einer, der „nichts gelernt und nichts vergessen hat". Aber von Halt konnte sich darauf verlassen, dass es andererseits viele satt hatten, „die Vergangenheit aufzurühren." – weil da viel eigener Unrat hochgekommen wäre. Wieder einmal hieß es, Sport und Politik haben nichts miteinander zu tun. Weder das NOK noch das IOC wollten „die Vergangenheit aufarbeiten" und schon gar nicht die Vergangenheit der einzelnen Mitglieder, etwa den Grad ihrer Sympathie für Hitler und den Nationalsozialismus. Man hätte dann auch die Frage beantworten müssen, warum das IOC die Winterspiele 1940 nur wenige Monate nach der „Kristallnacht" am 9. November 1938 noch einmal an Garmisch-Partenkirchen vergeben hat. Im Olympiaort von 1936 waren im November 1938 alle jüdischen Bürgerinnen und Bürger verjagt worden, vier nahmen sich aus Verzweiflung das Leben. Unter der Schlagzeile „Nun sind wir wieder unter Deutschen" berichtete das Garmisch-Partenkirchner Tagblatt ausführlich darüber.

Im Januar 1951 wurde von Halt auf Vorschlag seines Vorgängers Herzog Adolf Friedrich zu Mecklenburg zum NOK-Präsidenten gewählt. Ohne Debatte übrigens, Kritik galt als „Nestbeschmutzung". Wer hatte eigentlich das deutsche Nest beschmutzt?

Und was das IOC anbetraf, da konnte sich von Halt auf seine zwei alten und mächtigen Freunde verlassen – IOC-Präsident Sigfrid Edström und sein einflussreicher Nachfolger Avery Brundage ermöglichten von Halt im Mai 1951 die Rückkehr in das IOC, zu dessen lebenslangem Mitglied er 1929 gewählt worden war. Acht Jahre später wurde von Halt bei der 55. Sitzung des IOC in München in das Exekutiv-Komitee des IOC berufen.

Von Halts Versuch, mit dem Rückenwind der olympischen Funktionen an die Spitze der deutschen Leichtathleten zurückzukehren, scheiterte. Es blieb beim Ehrenvorsitz ohne exekutive Befugnisse. Dr. Max Danz, der Vorsitzende des 1949 neu gegründeten Deutschen-Leichtathletik-Verbandes (DLV), verhinderte die personelle Kontinuität zu den NS-belasteten Sportfunktionären.

Im Alter von 73 Jahren starb Ritter von Halt 1964 in München.

Das Münchner Olympiagelände für die Sommerspiele 1972 trägt auf den Wegen und Gassen, die es durchqueren, bis heute die Namen deutscher Wettkämpfer und Sportfunktionäre. Der Name „Karl Ritter von Halt" befindet sich nicht darunter.
 

Stadion am Gröben oder Ritter-von-Halt-Stadion?

1958 ehrte die Kommunalpolitik – Bürgermeister Georg Schütte hielt die Festansprache. Altbürgermeister Kaspar Ostler war als Ehrengast anwesend – mit Karl Ritter von Halt den erfolgreichen Organisator der Olympischen Winterspiele 1936 in Garmisch-Partenkirchen. Nach diesem Ereignis, das der Marktgemeinde sportlichen Ruhm und wirtschaftlichen Aufstieg bescherte, hatte sich von Halt wieder aus dem Horizont des Ortes entfernt, nur kurz unterbrochen von den Planungen für die Winterspiele von 1940. Seine Tätigkeit bei der Deutschen Bank, seine Rolle im Zweiten Weltkrieg, sein privates Leben hinterließen in Garmisch-Partenkirchen keine erkennbaren Spuren. Wenn doch, dann sind sie von den NS-Reißwölfen in den letzten Kriegstagen sorgfältig vernichtet worden. Zwischen 1945 und 1950 wurde von Halt von den Kommunisten interniert, nach 1950 waren die Quellen über von Halt von den Antikommunisten „interniert". Eine wissenschaftlich gesicherte Auseinandersetzung über die Rolle der deutschen Sportfunktionäre in der NS-Diktatur fand erst in den 70er-Jahren statt. Die ersten Biographien über Karl Ritter von Halt wurden in den 90er-Jahren geschrieben, 1997 von Frank Thiemann und 1999 von Peter Heimerzheim.

Es muss deshalb erlaubt sein, im 70. Jahr nach den Olympischen Winterspielen von 1936 und fast 50 Jahre nach der Umbenennung des Stadions am Gröben in „Ritter-von-Halt-Stadion" noch einmal darüber nachzudenken, ob Karl Ritter von Halt heute noch das öffentliche Vorbild sein kann, als das er im Jahre 1958 erschienen sein mag.

Geboren im Wilhelminischen Kaiserreich und in seinen autoritären Strukturen herangewachsen und erzogen, wurde der junge Karl Halt ein überragender „Sportsmann", der wie viele seiner Generation im Denken und Handeln vom Erlebnis des Ersten Weltkriegs geprägt wurde. Sein Weg als Sportfunktionär führte ihn schon in der Weimarer Republik bis ins IOC. Für den aufstrebenden Fremdenverkehrsort Garmisch-Partenkirchen spielte er als Organisator der Winterspiele 1936 eine wichtige Rolle.

Man darf aber nicht ausblenden,

  • dass er bereit war, für den Erfolg seiner Tätigkeit als nationaler und internationaler Sportfunktionär den Pakt mit dem Teufel zu schließen, Mitglied der NSDAP zu werden, das „Führerprinzip" im Sport nahtlos zu übernehmen und an herausragender Stelle Hitler loyal und widerspruchslos zu dienen.

  • dass er dabei den Prestigegewinn für das nationalsozialistische Deutschland höher stellte als den olympischen Grundsatz der rassischen, religiösen und politischen Gleichheit aller Sportler und sich gehorsam zum „willigen Vollstrecker" Hitlers für den Bereich des NS-Sports machen ließ.

  • dass er sich nicht scheute, 1936 als Präsident des Organisationskomitees in Garmisch-Partenkirchen jüdischen Besitz widerrechtlich einzusetzen und 1939 als Privatmann beim Erwerb eines Grundstückes in Berlin die Not einer jüdischen Familie auszunützen.

  • dass er sich als Vorstandsmitglied der Deutschen Bank in Hitlers Rassen- und Vernichtungskrieg einbinden ließ, obwohl er als Mitglied des „Freundeskreises Himmler" das wahre Gesicht des nationalsozialistischen Unrechtsregimes besser kannte als viele andere.

  • dass er selbst im Untergang des Hitler-Staates noch als kritikloser Befehlsempfänger handelte und das Leben der ihm anvertrauten jungen Soldaten und alten Männer opferte.

Heute kann Karl Ritter von Halt kein öffentliches Vorbild mehr sein. Deshalb wäre es richtig, dem Garmisch-Partenkirchner Sportplatz seinen alten Namen „Stadion am Gröben" wieder zurückzugeben.

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In seiner Sitzung am 13. Juli 2006 hat der Ältestenrat der Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen beschlossen, dass die Bezeichnung "Ritter-von-Halt-Stadion" "zukünftig nicht mehr verwendet wird und die Verwaltung beauftragt ist, alle einschlägigen gemeindlichen Dienststellen darauf hinzuweisen, dass in allen Druckschriften, Veröffentlichungen und im gesamten Schriftverkehr zukünftig nur noch die Bezeichnung "Stadion am Gröben" verwendet wird."

 

Literaturhinweise und Quellen

 

© Alois Schwarzmüller 2006