Burgrain - der "dritte Ortsteil" von Garmisch-Partenkirchen  -  1956-1961

 

 

 

Von der "Heimkehrersiedlung" bis zum Wohn- und Geschäftszentrum am Kirchweg

 

1956

 Unstimmigkeiten gibt es beim Bauvorha­ben der Heimkehrersiedlung zwischen der Gemeinde Farchant und der Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen. Im Februar 1956 fordert Farchant gemäß dem Umgemeindungsvertrag für Burgrain aus dem Jahre 1948 „für das ohne je­den Gebietsausgleich an Garmisch-Par­tenkirchen abgetretene Gelände eine bil­lige Entschädigung in Form der zehnpro­zentigen Siedlungsbeteiligung“. Die ab­lehnende Haltung der Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen in der Frage der Überlassung von zwei Wohnungseinhei­ten an der neuen Heimkehrersiedlung in Burgrain für Farchanter Bewerber stößt im Gemeinderat Farchant auf Unver­ständnis. Die Gemeinde Garmisch-Parten-kirchen über-nimmt die Hälfte der Straßenherstel­lungskosten für die Zuführung zu den künftigen Siedlungen des VdK und VdH am Lahnewiesgraben, von 44000.— DM müssen die neuen Siedler also nur 22000.— DM selbst bezahlen.

 Wenige Wochen später, im April des Jah­res 1956, heißt es „Glück auf!“ zur Heimkehrersiedlung am Lahnewiesgraben: Für 26 Wohnungen erfolgt der erste Spatenstich. Der Vorsitzende des VdK-Kreisverbandes, Decker, betont, „daß es sich bei dieser Siedlung um eine soziale Tat handele; nicht nur, weil die Angehöri­gen der Siedlergruppe Wohnungen für sich selbst schaffen, sondern weil sie da­mit zugleich den immer noch schwer ein­geengten Wohnungsmarkt für die Allge­meinheit entlasten helfen“.

 Auch die Kriegsgeschädigten können jetzt ihre seit zwei Jahren geplante Sied­lung bauen. Dem Ortsvorsitzenden des Verbandes, Walter Knapp, ist es gelun­gen, die Finanzierung der VdK-Sied­lung sicherzustellen. In zehn Häusern sollen entlang der B23 20 Wohnungen gebaut werden. Vergeben werden die Wohnungen bzw. Häuser nach sozialen Gesichtspunkten, vor allem an Schwerstkriegsbeschädigte. Mit den beiden Kleinsiedlungen des VdK und des VdH dehnt sich Burgrain nun über die Bundesstraße hinweg nach Norden aus.

 Im gegenüberliegenden Teil Burgrains, in der „neuen Siedlung“ an der Schlossanger- und Riedwiesenstraße, atmen die Siedler auf: Die Gemeinnützige Woh­nungsbaugenossenschaft, die ihre Häuser und Wohnungen errichtet hat, gilt nun als endgültig saniert, man bemüht sich sogar um weiteres Baugelände nord­westlich der Bundesstraße auf der Ost­seite des Lahnewiesgrabens.

 

1957

 Das Richtfest für die nun insgesamt 44 Wohnungen der neuen VdK- und VdH­Siedlung am Lahnewiesgraben feiern die Siedler im Juli 1957 in Anwesenheit des damaligen Bundesverteidigungsministers Franz Josef Strauß, der als „Protektor und Förderer dieses Siedlungswerkes“ vom VdK-Ortsvorsitzenden Walter Knapp begrüßt wird. Der Minister gibt seiner Freude darüber Ausdruck, „daß das erste Richtfest, dem er auch als Bundesverteidigungsminister beiwohne, nicht einer Kaserne, sondern einer Sozialsied­lung gelte. Der Krieg habe unendlich viel menschliche und materielle Verluste ge­bracht, vor allem aber soviel Heimat draußen und zu Hause zerstört, daß man jede neugebaute Wohnung als einen Bei­trag begrüßen müsse, diese Wunden zu schließen“. Landrat Renk äußert die Hoffnung, daß diese Siedlung den Woh­nungsmarkt etwas entlasten helfe. Bür­germeister Schütte begrüßt die persönli­che Initiative der Siedler, die nicht mit dem Schicksal gehadert, sondern sich ein Heim geschaffen hätten. Wörtlich erklärt er: „Wir sind um jeden dankbar, der heute bemüht ist, die Fehler von einst auszumerzen“. Außerdem gibt er zu be­denken, „daß man örtlich mit dem sozia­len Wohnungsbau mehr oder weniger am Ende sei, wenn künftig Siedlungsgrund vom Staat nur noch zu den verkehrsübli­chen Preisen abgegeben werde“. 

Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß (CSU) beim Richtfest der Heimkehrersiedlung - 1957

Der Garmisch-Partenkirchner Bürgermeister Georg Schütte (SPD) beim Richtfest der Heimkehrersiedlung - 1957

Fazit gegen Ende des zweiten Jahrzehnts Burgrainer Siedlungstätigkeit: „Burgrain wächst sich zur Vorstadt aus!“ Neben der Heimkehrersiedlung sind sieben Privathäuser und ein Wohnblock der Gemein­dewerke seit längerer Zeit schon bezo­gen. An dieser Stelle entsteht auch der zweite Burgrainer Brückenschlag über den Lahnewiesgraben mit einer Verbin­dungsstraße zu den voraussichtlichen Baugebieten nordöstlich des Lahnewies­grabens. Dort ist „in Nähe der Überbrückung eine neue standfeste Jugendher­berge vorgesehen“.

 Am Jahresende ist die VdK-Siedlung bezogen — neue Heimat für 20 Familien. Sie sind alle glücklich, „aber kaum einer hatte vorher geglaubt, daß ein solches, aus dem Nichts geborenes Unternehmen glücken könnte“. Siedlerglück mit Zug­spitzblick“, so lautet der Ausblick des Jah­res 1957 aus Burgrainer Sicht.

 

1958

 Im Mai beschließt der Gemeinderat Gar­misch-Partenkirchen, bei der Regierung von Oberbayern eine Geschwindig­keitsbeschränkung auf der Bundes­straße 23 im Bereich der Burgrain-Sied­lung zu beantragen. Für ein Straßenstück von 800 Metern soll eine Beschränkung auf 50 Kilometer in der Stunde einge­führt werden. Das rasante Wachstum der Garmisch-Partenkirchner „Vorstadtsied­lung“ und sich häufende schwere Ver­kehrsunfälle auf diesem Abschnitt der B23 haben zu diesem Antrag geführt, dem schon bald darauf stattgegeben wird.

 An der Lahnewiesbrücke mit Buswartehäuschen - 1957Im September vor zehn Jahren wurde die Katholiken und Protestanten gleicherma­ßen für ihre Gottesdienste zur Verfügung stehende „Notkirche“ St. Michael ge­weiht. Inzwischen ist das Burgrain-Kirch­lein zu klein geworden, und man plant die Errichtung „eines neuen, stabileren Gotteshauses“. Erhebliche Probleme be­reitet dabei vor allem der Erwerb eines geeigneten Grundstücks.

 Zum ersten Mal veranstaltet die Burgrai­ner Ortsgruppe des Siedler- und Eigen­heimerbundes im November 1958 in der Raststätte Burgrain eine Obst- und Ge­müseschau. Ziel der kleinen, aber liebe­voll aufgebauten Ausstellung des Burgrai­ner Gärtnerfleißes ist nach den Worten des Vorsitzenden Fritz Bölter, „anhand ei­ner zwanglosen Anordnung zu zeigen, was bei guter Pflege aus den Siedlergär­ten herauszuholen ist“. Die Jury ist „über­rascht, was der Gebirgsboden alles her­vorzubringen vermag“.

 Von den 30 Ausstellern schneiden die Siedler Wegele, Zech, Sing, Kirchmeier, Huttersberger und Bürger am besten ab: Ihre „Prachtexemplare an Gemüse und Obst“ lassen spüren, daß die Burgrainer Siedler mit großer Liebe an ihren kleinen Gärten hängen.

 

1959

 Eine bessere Anbindung an die Ortsteile Garmisch und Partenkirchen streben die Burgrainer schon lange an. Im Juli 1959 beschließt deshalb die Marktgemeinde, einen neuen Übergang über die Loisach anzulegen: Die „Siedlung Burgrain erhält bessere Verbindung zur Münchner Straße“ durch einen Steg etwa in Höhe der Loisachauen. Bewilligt werden 12500.— DM für diesen Fußgängersteg, der „als dringlich und begrüßenswert von verschiedenen Gemeinderäten stark be­fürwortet“ wird. Der Steg sei schon seit längerem geplant gewesen, bei den Haushaltsberatungen aber ein Opfer der Streichungen geworden. Wenn er nun durchgeführt wird, „so bedeutet das für viele Bewohner der Burgrain-Siedlung, daß sie künftig viel bequemer und vor al­lem auch gefahrloser die Omnibushalte­stelle an der Münchner Straße erreichen können“. Zudem würde den vielen Schulkindern aus der Siedlung, die zu Fuß nach Partenkirchen müssen, der Weg zur Schule erheblich erleichtert.

 Er wird wohl ein ewiges Wahlverspre­chen bleiben, dieser Burgrainer Loisach­steg, der bis heute nicht gebaut wurde. Immerhin knapp 30 Jahre nach dem er­sten Steg-Beschluss des Gemeinderats heißt es im Tagblatt, „daß nach Auskunft von Bürgermeister Neidlinger der lange geforderte Steg über die Loisach bereits in Planung sei“.

 Ebenfalls im Juli des Jahres 1959 wird ein weiterer Siedlungsteil in Angriff ge­nommen: 43 Reihen- und Doppelwohn­häuser sollen in Golfplatznähe auf der Nordseite der B 23 entstehen. Errichtet werden sie von der Münchner Gemein­nützigen Wohnungsbaugesellschaft. Der Garmischer Architekt Georg Kröner hat die Bauaufsicht.

 Während so die Burgrainsiedlung Zug um Zug und Viertel um Viertel wächst und sich ausdehnt, tauchen neue Sorgen auf: „Mit den Mauern wachsen die Pro­bleme“, heißt es im August 1959. Eine der dringendsten Fragen auf dem immer dichter besiedelten Raum in Burgrain ist die nach einem Spielplatz für die klein­sten Kinder. Der in Burgrain ansässige Kreisjugendpfleger Kurt Schindler nimmt sich aus Profession und Liebe zu den Kin­dern dieses Problems an: „Die neuen Straßen der Siedlung weisen bereits 337 Familien mit ca. 300 Kindern auf“, so schreibt er. In allen drei Siedlungsteilen gebe es aber keine ausgiebige Möglich­keit, wo die Kinder ihre für die Entwick­lung so wichtige Spielzeit verbringen könnten. Deshalb fordert er die Burgrai­ner auf, in Eigeninitiative Spielgeräte wie Sandkasten, Kinderkarussell, Wippe usw. aufzustellen und so einen Kinderspielplatz zu errichten, „der dem gepflegten Golfplatz eines Weltkurortes ein würdiger Nachbar wird“.

 Im August 1959 nehmen auch die Überle­gungen, eine „feste, schöne Herberge für die Jugend“ in Burgrain entstehen zu las­sen, Gestalt an. Schon seit langem wird Klage darüber geführt, daß „ausgerech­net imDie Zeltjugendherberge Burgrain an der B 23 - 1958 Olympiaort keine rechte Unter­kunftsmöglichkeit für die immer zahlrei­cher wandernde Jugend“ vorhanden ist. Die alte Schalmei ist inzwischen zu eng geworden, die Zeltjugendherberge kann nicht mehr als ein Provisorium sein. Jetzt soll im Norden Burgrains vom Landesver­band Bayern des Deutschen Jugendher­bergswerks eine neue Jugendherberge gebaut werden, die mit Betten für 260 Buben und Mädchen noch größer als die Ludwig-Ganghofer-Herberge auf den Buckelwiesen bei Mittenwald sein wird. Stolz stellt man fest, daß es „wohl im Bun­desgebiet wenig Jugendherbergen gebe, die in einer so schönen Landschaft ste­hen“. Die Pläne für diese moderne Ju­gendherberge stammen aus der Hand des Münchner Architekten Ludwig Schwarz, die örtliche Bauleitung liegt beim Garmisch-Partenkirchner Architek­ten Josef Koller.

 Doch nicht nur Jugendliche auf Schu­sters Rappen suchen in Burgrain Unter­kunft während der Hauptreisezeit. Seit Jahren schon hat sich der „Vorort“ des un­gleich berühmteren Olympiaortes Gar­misch-Partenkirchen für Feriengäste und Urlauber als Reisequartier bewährt —nicht immer zur Freude verschiedener Hoteliers des Hauptortes, die nicht selten in den Privatvermietern am Lahnewies­graben unliebsame Konkurrenz wittern.

 Die meisten Burgrainer Gäste stammen aus den Industriegebieten der Bundesre­publik. Sie suchen und finden in Burgrain saubere und billige Unterkünfte und im „Rasthaus“ die beliebten bayerischen Abende mit Jodlern und Liedern, mit Schrammelmusik und Schuhplattlern —obwohl es in Burgrain noch immer kei­nen Volkstrachtenerhaltungsverein gibt.

 Nicht immer und überall ist der Fremden-kontrolleur der Marktgemeinde ein gern gesehener Mann, zumal die Kurverwal­tung für die „Verkaufsförderung“ des Siedlungs-Bettenangebotes herzlich we­nig tut: „Durch Empfehlungen von Mund zu Mund wächst der Besuch“. Ein wenig verstecken sich die Burgrainer wohl auch hinter ihren Gästen, wenn sie diese „bes­sere Siedlungsstraßen“ und einen „ge­pflegten Fußweg am Lahnewiesgraben“ fordern lassen. Auch bezüglich der Ver­Blick auf die Bundesstraße 23 und die ersten Häuser Am Lahnewiesgraben - 1955bindung „ins Verkehrszentrum Garmisch-­Partenkirchen sind noch Wünsche offen“, wenngleich der verstärkte Sonntagsbe­trieb der Gemeinde-Omnibusse dankbar vermerkt wird. Andererseits, führt es nicht zu weit — so wird jedenfalls Gemein­derat und Hotelier Hanns Kilian (,‚Alpen­hof“) zitiert — wenn man den Burgrainern jetzt auch noch einen Kurpark in Gestalt einer schönen Grünanlage entlang der B2 anlegt?

 Nichts scheint unmöglich im aufstreben­den „dritten Ortsteil“ von Garmisch-Par­tenkirchen: „In Burgrain wächst sogar Wein“, so heißt es überschwänglich anlässlich der zweiten Obst-, Gemüse- und Blumenschau im „Rasthaus Burgrain“ Ende September 1959. Seltene Exem­plare von Melonen werden gesichtet, achtpfündige Wirsingköpfe legen auch im Jahre 1959 Zeugnis ab vom Wetteifer der Burgrainer Hobbygärtner. Zum Ern­tedank lobt Kaplan Paul Groh den Ge­meinschaftssinn seiner katholischen Pfarrkinder, der Kirchenchor singt unter der Leitung von Schwester Oda und Or­ganist Ludwig Streicher eine Festmesse. Vikar Schröter appelliert beim Festgottes­dienst der evangelischen Christen gleich­falls an den Gemeinschaftsgeist der Burgrainer. Die Gaben aus der Ernte der Sied­lung gehen reichlich ein, heißt es, und werden „für Küche und Keller des Alters­heimes Breitenau gestiftet“.

 Zur „fröhlichen Geburtstagsfeier in Bur­grain“ lädt Ende September 1959 der Siedlerbund ein: Der „Vorort“ der Olym­piagemeinde Garmisch-Partenkirchen ist zwanzig Jahre alt und unerwartet groß geworden. 336 Wohneinheiten umfasst die Siedlung jetzt, und zwar 147 der Ober-bayerischen Heimstätte, 114 der Burgrai­ner „Gemeinnützigen Wohnungsbauge­nossenschaft Garmisch-Partenkirchen“, 25 des Verbandes der Heimkehrer, 20 des Verbandes der Kriegsgeschädigten, 18 der Marktgemeinde Garmisch-Parten­kirchen und 12 Privathäuser. Aus diesem Anlas feiern die Siedler im „Rasthaus“ ein „Fest, wie es Burgrain zuvor noch nicht erlebt hat“. Unter den zahlreichen Gästen befinden sich auch zehn württem­bergische Arbeiter der Firma Bosch, „de­ren Sprecher die Ortschaft Burgrain als herrlichen Ferienplatz pries und sagte, daß die Firma im nächsten Jahr noch mehr Arbeiter und Angestellte zur Erho­lung nach Burgrain schicken werde, so gut habe es ihnen gefallen“. Ein schöne­res und ehrlicheres Lob für den „dritten Ortsteil“ des „Doppelortes“ Garmisch­Partenkirchen ist kaum denkbar.

 Im November 1959 schwinden auch die letzten Schatten über der Gemeinnüt­zigen Wohnungsbaugenossenschaft. Nach jahrelangen Bemühungen kann die Sanierung als abgeschlossen gelten. Das „Sorgenkind“ der Genossenschaft, die Gaststätte „Rasthaus“, wurde bereits im Juli 1958 an die Pschorrbrauerei ver­kauft, so daß man alles in allem „noch mit einem blauen Auge davongekommen sei“. 50 Mitglieder der Genossenschaft warten noch auf eine Wohnung, im Sied­lungsgelände findet sich Baugrund für zwei weitere Wohnblöcke.

 Gegen Jahresende erfährt man, daß sich schon bald im vierten Burgrainer „Quar­tier“ etwas tun wird: Die Marktgemeinde hat nördlich der B23 und östlich des Lah­newiesgrabens mit einem Kostenauf­wand von 277000.— DM ein Grundstück in der Größe von 41000 Quadratmetern für weitere Siedlungsbauten und für ei­nen Spielplatz vom Forst angekauft. Das ist der Gemeinde nicht leicht gefallen: Um die Mittel aufbringen zu können, wurde eine Reihe anderer Grundstücke verkauft. Zugleich hat die Filial-Kirchen­stiftung St. Michael den Grund für eine neue Burgrainer Kirche erworben.

 

1960

 Dieses Jahr steht für Burgrain ganz im Banne der Jugendherberge. In AnDie neue Jugendherberge in Burgrain - 1960we­senheit vieler Ehrengäste wird die neue Unterkunft für jugendliche Wanderer mit 250 Betten und 70 Notquartieren Ende Juni eingeweiht. Dr. Anton Grassl, der Vorsitzende des Bayerischen Jugendher­bergswerkes, lenkt aus diesem Anlas den Blick zurück auf die Geschichte der „Tsingtau“-Herberge in Partenkirchen und auf den Notbehelf der Zeltherberge. Bei der kirchlichen Weihe erinnert Dekan Lorenzer an die alte Herbergs-Gastlich­keit der Mönche und Klöster, Pfarrer Kohls blickt zurück auf die „unbehausten“ Menschen der Nachkriegsjahre. Landrat Stückl gibt der Hoffnung Ausdruck, „die neue Herberge möge eine Stätte echter Begegnung internationaler Jugend wer­den und damit der rechte Ort sein, um auch Vorurteile abzubauen“. Erster Her­bergsvater ist Toni Murböck.

 

1961

 Im März gibt es wieder einmal „grünes Licht für ein Siedlungsprojekt in Bur­grain“. Der Ortsteil wächst immer noch im Eiltempo. Das Gemeindebauamt, in der Sorge, es könnte eine „Kraut- und Rü­bensiedlung“ entstehen, entwickelt für das Gelände links des Lahnewiesgrabens einen Bebauungsplan, „der dieses Wohn­dorf zu einer Art Mustersiedlung“ entwickeIn soll. In dem neuen Viertel am späteren Kirchweg soll es keine Ge­schäftsbetriebe geben, sondern nur Woh­nungen. Im Zentrum dieses neu erschlos­senen Geländes hat die katholische Kir­chenverwaltung ein Grundstück erwor­ben, auf dem später die Siedlungskirche entstehen soll. Neben der Kirche soll ein kommunaler Kinderspielplatz errichtet werden. Dieses neue Wohngebiet soll kei­nen unmittelbaren Zugang zur Bundes­straße 23 haben, sondern mit zwei Brücken über den Lahnewiesgraben erschlos­sen werden. Am Nordrand der Siedlung soll eine Forststraße, die heutige Feldern­kopfstraße, die neue Grenze der Ge­meindemarkierung darstellen. Die Ein­wohnerzahl wird damit in Burgrain um 900 Personen wachsen. Zur gleichen Zeit werden auf der gegenüberliegenden Seite des Lahnewiesgrabens mehrere Blocks für Bundeswehrangehörige gebaut.

 Die rasch wachsende Einwohnerzahl in Burgrain von etwa 400 Ende 1939 auf un­gefähr 2000 im Jahre 1959, aber auch die zunehmende Zahl der Kurgäste in den Burgrainer Privatquartieren lässt die Be­förderungsverhältnisse immer schwie­riger erscheinen. Immer wieder kommt es zur „überaus ärgerlichen Überfüllung der Linienbusse“. Deshalb werden im Juni 1961 zusätzlich zu den normalen Li­nienfahrten „etwa 15 Pendelfahrten in je­der Richtung“ zwischen Burgrainsiedlung und Rathaus eingesetzt. Schlosswaldstraße - 1961

Im Juli 1961 erfüllt sich ein lang gehegter Wunschtraum für die Burgrainer Kinder: Nördlich der neuen Jugendherberge am Lahnewiesgraben wird ein provisori­scher Kinderspielplatz in ausreichen­der Größe in Betrieb genommen. Auf ei­ner Fläche von etwa zehntausend Qua­dratmetern können jetzt die 400 Burgrai­ner Kinder spielen, toben und bolzen. Zu­gleich wird an der Ecke Lahnewiesgra­ben/Loisach eine Aufschüttung vorberei­tet, um auch dort einen geräumigen Spiel­platz zu ermöglichen. Der Spielbetrieb auf dem Platz nördlich der Jugendherberge setzt schnell ein. Sofort nach seiner offi­ziellen Freigabe „sammelten sich etwa zwei Dutzend Jugendliche aus der Siedlung, bewaffneten sich mit Sensen und Sicheln und begannen dort, das Gras zu mähen. Sägmehl wurde herbeigeschleppt, Stangen besorgt, und im Umsehen waren die Spielfelder und Tore markiert“.

 Kein Wunder, daß der Sport-Club-Bur­grain“ bei so viel sportlichem Engage­ment der Burgrainer Jugend auch über die lokalen Grenzen hinweg erfolgreich ist. Beim 7. Peißenberger Tischtennis-Po­kalturnier etwa im November 1961 gehö­ren die Teilnehmer aus Burgrain zu den erfolgreichsten der 125 Aktiven in der Pei­ßenberger Bräuwastlhalle. Gegen die be­sten Vertreter der Kreise Ammer und Zug­spitze können die Burgrainer mit Walter Zach, Ernst Willer und Harry Ignat einen „überlegenen Sieg“ erringen: „Ihre 730 Punkte bedeuten eine bisher unerreichte Höchstleistung, vor allem, wenn man be­denkt, daß alle übrigen Vereine zusam­men nur 690 Punkte erzielten“, so wür­digt der Lokalreporter den Erfolg der Bur­grainer Tischtennismatadore.

 

 

 

 

© Alois Schwarzmüller 1989