Fritz Müller-Partenkirchen - Stationen seines Lebens und seiner Literatur

 
Fritz Müller-Partenkirchen (1875-1942) Fritz Müller-Partenkirchen (1875-1942)

Fritz Müller-Partenkirchen (1875-1942)

 

München

Fritz Müller kam am 24. Februar 1875 im Münchner Stadtteil Westend zur Welt. Sein Vater – Spediteur von Beruf - war Jahre zuvor aus der bayerischen Pfalz zugezogen. Im wirtschaftlichen Auf und Ab der Gründerzeit nach dem deutsch-französischen Krieg und der Reichsgründung 1870/71 hatte er Vermögen und Besitz gewonnen - und wieder verloren. Das Unglück wurde noch größer. Fritz war gerade 16 Jahre alt, da starb der Vater. Die Mutter – eine resolute Frau mit korsischen Vorfahren – stemmte sich für ihre fünf Kinder der Not entgegen so gut es ging. Fritz durfte die Höhere Handelsschule der Stadt München besuchen und schloss mit Bravour ab. Als Einserschüler absolvierte er 1891 das Einjährigenexamen, vergleichbar mit dem heutigen Zeugnis der Mittleren Reife. Das Studium blieb ein Traum. In seiner autobiographischen Erzählung „Der späte Student" schrieb er vom „Geld, das meinen Eltern fehlte, als sich meine Kameraden von der Schulbank das farbige Band um die trink- und sangesfrohe Brust geschlungen hatten, während ich die Lagerschürze um die Lenden binden musste. Die gelbe Lagerschürze meiner Lehrzeit bei Franz Kathreiners Nachfolger in der Burgstraße. Heringe, die ich aus großen Fässern in kleine Fässer umzupacken hatte, legen kein Gewicht auf Kulör…"

Fritz wurde also Kaufmann. Die reale Welt des Handels beherrschte von da an nicht nur seine berufliche Existenz, sondern auch sein literarisches Schaffen. Von 1892 bis 1895 lernte er in der angesehenen Firma „Franz Kathreiners Nachfolger", wurde Buchhalter, Auslandskorrespondent und schließlich Privatsekretär von Kommerzienrat Adolph Brougier, einem der beiden Inhaber. Das Unternehmen - 1829 als Handlung für Brennöl, Spezereien und Farben gegründet - war in den 70er Jahren vor allem durch den Import von „Kolonialwaren", von Kaffee und Tee, von Gewürzen, Früchten und Tabak groß geworden. Die Erfahrungen, die der Lehrling, Handlungsgehilfe und Sekretär Fritz Müller in der Zeit seiner Ausbildung und in den ersten Berufsjahren dabei machte, wurden zum Grundstock seiner Geschichten und Romane. Auch die rastlosen Jahre, die Müller von 1908 bis 1912 in Sumatra und Borneo, in Nord- und Südamerika verbrachte, wären wohl ohne seine Tätigkeit bei „Kathreiners Nachfolger" und ohne die Beziehungen, die er dort knüpfen konnte, kaum möglich geworden.

     

 

Links: Reklame für Kathreiner´s (1901)

Mitte: Adolph Brougier (1844-1934)

Rechts: Ansicht eines 1898 von der "Werdenfelser Terraingesellschaft" geplanten Projekts "Curhotel Partenkirchen"

 

 

Partenkirchen I

Zuvor aber wurde er – es war im Jahre 1898 – Geschäftsführer einer denkwürdigen Immobiliengesellschaft. Adolph Brougier und andere finanzstarke Münchner Unternehmer wie die Gesellschafter der Spatenbrauerei hatten erkannt, dass mit dem spekulativen An- und Verkauf von Grundstücken in und um das reizvoll gelegene Dorf Partenkirchen viel höhere Gewinne erzielt werden konnten als mit dem handelsüblichen Verkauf von Malzkaffee und Bier. Aufgabe von Fritz Müller als „Direktor" der „Werdenfelser Terraingesellschaft mbH" war „die Aufschließung dieser Gegend durch Herstellung von Verbindungsstraßen und anderen Verkehrsmitteln" sowie die „Veräußerung und Bebauung von Terrain".

Die Gesellschafter konnten mit ihrem Geschäftsführer zufrieden sein. In kurzer Zeit erwarb die Gesellschaft nahezu das gesamte Terrain zwischen Kanker und Partnach in Partenkirchen und in Garmisch die meisten Grundstücke links und rechts der Partnachstraße. Pläne für ein monströses „Curhotel Partenkirchen" wurden erwogen, aber nicht verwirklicht.

Zwei Jahrzehnte später schrieb sich Fritz Müller, jetzt schon bekannt als Fritz Müller-Partenkirchen, sein schlechtes Gewissen als williger Helfer der Münchner und Werdenfelser Grundstücksspekulanten von der Seele. Sein Roman „Das verkaufte Dorf" lässt Ursachen und Folgen der von ihm und seinen Münchner Aufraggebern verursachten Entwicklung in vielen Szenen Revue passieren. Auswärtige und einheimische Glücksritter und Verlierer stehen einander gegenüber oder machen gemeinsame Sache. Der Ich-Erzähler fragt und bekennt schließlich: „Ob ein Leben reichen würde, meinen grausen Irrtum wieder gutzumachen? Ja oder nein, hört mich an, ihr Berge, die ich mitverschandeln habe geholfen: Ich gelobe euch ein neues Leben!"

 

 

 

 

 

 Ansichten, Plan und Straßenkarte von Partenkirchen um 1900

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hamburg - Dortmund - Cannero

Mehr Abwendung vom oberbayerischen Spekulantenmilieu war kaum möglich. Das neue Leben des Fritz Müller begann im hohen Norden des Deutschen Reiches. Der entlassene Geschäftsführer wurde Handelslehrer in Harburg im Süden der Elbmetropole Hamburg. Dort machte er sich einen Namen mit der Gründung einer Übungsfirma, mit deren Hilfe seine Schüler die theoretische mit der praktischen Ausbildung verbinden konnten. Die Hamburger Jugendgruppe des Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verbandes (DHV) gab dieser Firma den Titel „Kramer und Friemann". Gut zehn Jahre später wird Fritz Müllers erfolgreichster Roman mit diesem Titel in Druck gehen.

Im Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verband begegnete Fritz Müller nicht nur einer Interessenvertretung kaufmännischer Angestellter, sondern auch einer völkisch-antisemitischen Bewegung aus dem politischen Umfeld des kaiserlichen Hofpredigers Adolf Stoecker (1835 – 1909). Stoecker, Mitglied des Deutschen Reichstages von 1898 bis 1908, war manches Jahr zur „Sommerfrische" nach Partenkirchen gereist, hatte den „Reintaler Hof" erbaut und der kleinen Schar der Protestanten in Partenkirchen das Grundstück zur Errichtung der Johanneskirche zur Verfügung gestellt. Dass der Geschäftsführer der Werdenfelser Terraingesellschaft und der spendable protestantische Kirchenmann schon in Partenkirchen miteinander zu tun hatten, ist gut möglich.

Nächste Station war Dortmund: Fritz Müller wurde in der Stadt, die von Kohle und Stahl lebte, Lehrer und Leiter der Städtischen Höheren Handelsanstalten, blieb es aber nicht lange, sondern suchte statt einer Karriere im Städtischen Schuldienst die Herausforderung und das Abenteuer in fremden Ländern. Vier Jahre blieb er im Anschluss an seine Lehrtätigkeit in Asien und in Amerika.

Vor dem Beginn des Ersten Weltkrieges kehrte Fritz Müller nach Europa zurück, ließ sich in der Schweiz nieder und begann - im Alter von 38 Jahren - in Zürich das Studium der Rechtswissenschaften und der Volkswirtschaft. Es war auch die Zeit der ersten literarischen Erfolge. Vor allem mit seinen charakteristischen Kurzgeschichten gewann er einen größer werdenden Kreis von Lesern. Fritz Müller nannte sich jetzt Fritz Zürcher. Die Einnahmen aus der Schriftstellerei unter diesem Pseudonym reichten für ein angenehmes Leben unter Zedern und Zitronen in Cannero Riviera am Lago Maggiore.

 

Partenkirchen II

28. Juni 1914: Die Schüsse von Sarajewo hallten durch ganz Europa. Auch an den Ufern des Lago Maggiore waren sie zu vernehmen. Aus Fritz Zürcher wurde wieder Fritz Müller. Der ehemalige Geschäftsführer der Werdenfelser Terraingesellschaft kehrte bei Ausbruch des großen Krieges als erfolgreicher Autor über Höllriegelskreuth bei München nach Partenkirchen zurück und unterrichtete dort, zusammen mit seiner Frau Alwine, von 1914 bis 1919 die Jugend des Marktes und des Bezirks an der 1913 gegründeten „Privaten Realschule mit Latein" in den Fächern Deutsch und Handelskunde. Der Partenkirchner Johann Biersack (1901-1992) – später erfolgreicher Baustoffgroßhändler an der Lagerhausstraße – war einer seiner Schüler.

Im Weltkriegsjahr 1915 wurde Fritz Müller Opfer eines Trambahnunfalls in München: Er verlor seinen gesunden rechten Fuß und war von dieser Zeit an auf die Benützung eines Gehstocks angewiesen. Das war doppelt schlimm, denn das linke Bein war schon seit früher Kindheit immer wieder durch Lähmungserscheinungen geschwächt. Helfen konnte ihm der sehr angesehene Augsburger Orthopäde Friedrich Hessing. Ihn porträtierte der dankbare Schriftsteller in seinem Roman „Der Dreizehnte".

 

 

 

Der Orthopäde Friedrich Hessing (1838-1918)

Das Schulgebäude der Privaten Realschule
am alten Bahnhof (um 1920)

Johann Biersack (1905-1992)

 

Partenkirchen blieb ihm für einige Jahre Heimat. Er wohnte in der Viktoriastraße 126b, in unmittelbarer Nachbarschaft der englischen Familien Wilton und Ward, die sich in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts in Partenkirchen niedergelassen hatten. Aus der Viktoriastraße wurde später die Partnachstraße (heute Schornstraße). Im Garten des Zahnarztes Dr. Wilhelm Klüter, Partnachstraße 25, stand Fritz Müllers Blockhaus.

1935, nach der Zwangsvereinigung der Gemeinden Garmisch und Partenkirchen durch die NSDAP, wurde die Partenkirchner Frühlingsstraße in „Fritz-Müller-Partenkirchen-Straße" umbenannt. Der Gemeinderat des Marktes Garmisch-Partenkirchen – alle seine Mitglieder und die Bürgermeister waren Nationalsozialisten - ehrte damit den Dichter aus Anlass seines 60. Geburtstages. Fritz Müller lebte zu diesem Zeitpunkt freilich schon seit mehr als zehn Jahre nicht mehr in Partenkirchen, sondern im Chiemgau.

Dabei war das Partenkirchner Jahrzehnt zwischen 1914 und 1924 kein schlechtes gewesen für den Autor, der sich in den frühen Nachkriegsjahren den Künstlernamen Fritz Müller-Partenkirchen zugelegt hatte. Seinen literarischen Ruf als Verfasser humorvoller, oft autobiographischer Erzählungen und Romane aus dem kaufmännischen und bäuerlichen Milieu hatte er schon vor dem Ersten Weltkrieg erworben und wusste ihn auch jetzt in den ersten Nachkriegsjahren bis zum Ende seiner Partenkirchner Zeit 1924 bei Vortragsreisen in der Schweiz zu festigen. Auch bei deutschen Lesern fanden seine Werke immer mehr Anklang und wurden in wachsenden Auflagen gedruckt.

Die Schriftstellerfamilie konnte jedenfalls gut davon leben. Dreimal war Fritz Müller-Partenkirchen verheiratet, immer mit einer Lehrerin. Aus der ersten Ehe mit Walburga Hecker gingen drei Kinder hervor. Die Tochter Elisabeth (*1900) wurde Lehrerin, der Sohn Fritz (1903-1955) erhielt seine Ausbildung zum Bildhauer in der Schnitzschule Partenkirchen; er wurde bekannt unter den Namen Fritz Müller-Kamphausen. Sohn Hans (*1907) trat in die Fußstapfen seines Vaters und wurde Kaufmann. Fritz Müllers zweite Ehefrau, Alwine Neugebohrn, war es, die das schriftstellerische Talent ihres Mannes erkannte und förderte. Ihr hat er auch seinen Kaufmannsroman „Kramer und Friemann" gewidmet. Tochter Alwine Breuer machte es sich zur Aufgabe, den Nachlass des Vaters zu verwalten. Die dritte Ehe mit Anna Kiening blieb kinderlos.

Mit dem Roman „Passion", der 1922 erschien, wandte sich Fritz Müller-Partenkirchen einem Thema mit stark lokalem Bezug zu: Er erzählte die Entstehungsgeschichte der Oberammergauer Passionsspiele. Der Münchner Filmemacher Paul Kohler entdeckte den Stoff und den Roman zehn Jahre später. Seine Pläne, die Passion mit der Verfilmung dieses Romans in die Kinos zu bringen, scheiterte allerdings am Widerstand der Gemeinde Oberammergau, die an der „sehr freien Version der Gründungslegende" kein Gefallen finden wollte.

1924 verließ Fritz Müller-Partenkirchen seinen Wohnort Partenkirchen zum zweiten Mal und endgültig. Der Zusammenhang zwischen beiden Abschieden ist nicht zu übersehen: Als Geschäftsführer der Werdenfelser Terraingesellschaft hatte Fritz Müller zwanzig Jahre zuvor buchstäblich „den Boden bereitet" für die Verwandlung des sanften kleinbäuerlichen Marktfleckens Partenkirchen in einen lärmenden, fast kleinstädtischen Fremdenverkehrsort. Jetzt flüchtete der Schriftsteller eben deshalb, „weil Partenkirchen den Charakter eines Fremdenortes angenommen" hatte – so formulierte es jedenfalls seine Frau Anna am 8. April 1948 in einer Mitteilung an eine Freundin.

 

Hundham

Sein neues Idyll suchte und fand Fritz Müller-Partenkirchen in Hundham bei Miesbach in der Nähe des Auerberges. Behäbige Bauernhöfe standen und stehen da zwischen Wiesen und Wäldern. Eines dieser althergekommenen Anwesen, den Brüala-Hof, erwarb er. Und dort wurde er heimisch und blieb es bis zum Tod. Die Leute der Umgebung misstrauten dem Neuankömmling anfangs, aber dem „Schriftmüller", wie sie ihn schon bald nannten, fiel es nicht schwer, ihren Argwohn zu zerstreuen. Mit einer Gig, von einem Muli gezogen, fuhr er über Land, verstand die Sprache und die Sorgen der Bauern und machte sich auch gerne zu ihrem Sprachrohr. Zu seinem 60. Geburtstag verlieh ihm die kleine Gemeinde 1935 die Würde eines Ehrenbürgers.

 

 

V.l.n.r.: Professor Kurt Huber (1893-1943)  - Hundham bei Miesbach um 1930 - Der Musikant und Volksliedersammler Kiem Pauli (1882-1960)

Der Kreis der Freunde, der in Hundham um ihn war, war vielseitig: Der Kiem-Pauli (1882-1960) und Professor Kurt Huber (1893-1943) gehörten dazu, der eine Musikant und Volksliedsammler, der andere Münchner Musikwissenschaftler und intellektueller Kopf der Widerstandsgruppe „Weiße Rose". Der Leipziger Verleger Alfred Staackmann (1876-1941), Herausgeber der Werke von Peter Rossegger und Verleger von Fritz Müller-Partenkirchen, traf sich in Hundham mit seinem Autor. Zu diesem Kreis zählten auch der Schriftsteller Eduard Stemplinger (1870-1964), Gymnasiallehrer für klassische Philologie in Rosenheim, der den Spuren der Antike in seiner bayerischen Heimat folgte und Ovid und Horaz in den Dialekt übertrug, der Pionier der Orthopädietechnik Friedrich Hessing (1838-1918) und der Oberammergauer Christusdarsteller Anton Lang (1875-1938).

Kurt Huber hat mit einem Gedicht an Fritz Müller-Partenkirchen erinnert:

„Noch seh ich ihn auf schwankend hohem Gig,
Den störrisch braven Muli vorgespannt,
Wie er mit List und wendigem Geschick
Den scharfen Rank von Ahreins Höhe meistert.
Viel Kinderarme hängen sich begeistert
Von hinten an das wacklichte Gefährt,
mit Alter und mit Jugend voll bemannt."

 

Diktatur und Weltkrieg

War es „wendiges Geschick" oder „List", Anpassung oder Überzeugung, dass Fritz Müller-Partenkirchen in den Zeiten der nun folgenden nationalsozialistischen Diktatur mit seinen Werken die Erwartungen des NS-Literaturbetriebs besonders gewinnbringend erfüllen konnte? Schon wenige Monate nach der „Machtergreifung“ Hitlers zeigte er jedenfalls Flagge für  den neuen Geist, der ein Ungeist war, und unterschrieb - im Oktober 1933 - zusammen mit 87 deutschen Schriftstellern das "Gelöbnis treuester Gefolgschaft" für den "Führer".

Es kam den NS-Literaturwächtern sehr gelegen, dass in seinen Schriften der Bauer als lebenstüchtiger und vorbildlicher Gegenspieler des Städters auftrat, dass die patriarchalischen Strukturen der Müllerschen Kaufmannsbetriebe dem von den Nationalsozialisten geforderten Betriebsgefolgschaftsmodell sehr nahe kamen, dass „In Sumatra und anderswo" deutsche Kaufmannstugenden und amerikanisch-kapitalistisches Denken in hartem Kontrast standen. Die erbaulichen und bisweilen patriotischen Kaufmannsgeschichten, die Fritz-Müller-Partenkirchen zu einem der beliebtesten und meistgelesenen Autor gemacht hatten, wurden jetzt nationaler, deutschnationaler. Müller-Partenkirchen öffnete sich einem Lesepublikum, das in seinen Heimat- und Bauernromanen die Anerkennung der „völkischen Lebensanschauung" fand. Das Motto, das er 1939 seinem Roman „Der Kaffeekönig" voranstellte, unterstrich das handfest. Er widmete den Roman „dem neuen deutschen Kaufmann, dem im Dritten Reich der alte Mut, die alte Freude und die alte Ehrbarkeit wiedererstanden sind."

 

Rechts: Das "Gelöbnis treuester Gefolgschaft" war ein Treuegelöbnis von 88 deutschen Schriftstellern und Dichtern für Adolf Hitler, das am 26. Oktober 1933 von der Preußischen Akademie der Künste in Berlin propagiert wurde.

Unten rechts: Hitler und sein Gefolge auf dem Bückeberg bei Hameln (Foto Hoffmann)

Unten links: Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 und Verfolgung nicht ns-konformer Schriftsteller

 

 

 

 

Schon vor 1939 hatte er sich eingelassen auf Themen und Motive, die bei den neuen Herren gut gelitten waren. 1934 erschien seine Erzählung „Rund um den Bückeberg", in deren Mittelpunkt das „Reichserntedankfest" stand, eine Goebbelsche Propagandaveranstaltung für Hitler. 1935 erschien die Textsammlung "Flaggt Freude und Frohsinn - Eine Sammlung heiterer Kurzgeschichten". Neben Fritz Müller-Partenkirchen gehörte Heinz Steguweit, Landesleiter der Reichsschrifttumskammer, zu den Autoren. Herausgeber der Humorfibel war Herbert A. Frenzel, Schriftleiter bei der NS-Zeitschrift „Der Angriff" und beamteter Mitarbeiter im Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda von Joseph Goebbels.

Im Zweiten Weltkrieg konnten die nationalsozialistischen Propagandisten erst recht einen wie Fritz Müller-Partenkirchen brauchen, seinen Humor, seine Geschichten vom einfachen Leben, die Platz fanden in der Felduniform und im Kopf der „Landser". Auf zehn Auflagen mit insgesamt 385.000 Exemplaren brachte es „Das fröhliche Fritz-Müller-Partenkirchen-Buch", das der Bertelsmann Verlag zwischen 1940 und 1943 als „Feldausgabe" verkaufte, fachmännisch betreut von Johannes Banzhaf (1907-1968), dem Abteilungsleiter „Kriegsbüchersegment" beim Bertelsmann Verlag. Banzhaf war Spezialist für die Frage, wie man Nazidiktatur und Weltkrieg lachend ertragen konnte: 1937 erschien seine Humoranthologie „Lustiges Volk" und 1940 „Lachendes Leben".

 

Das Ende

Seine fragwürdige Rolle als professioneller Helfer einer Reihe Münchner Bodenspekulanten in Partenkirchen hatte Fritz Müller-Partenkirchen bald erkannt und aufgegeben und mit seinem Roman „Das verkaufte Dorf" so etwas wie literarische Wiedergutmachung versucht. Die Fragen, wie er das mit der kaufmännischen Ehrbarkeit des Dritten Reiches verstanden hatte und ob er mit seiner Rolle als Lieferant humorgetränkter Geschichten in Vorkriegs- und Kriegszeiten des Dritten Reiches vielleicht doch noch gehadert hätte, diese Fragen stellten sich ihm nicht mehr und konnten ihm nicht mehr gestellt werden.

Fritz Müller-Partenkirchen starb am 4. Februar 1942 in Hundham. Er wurde auf dem Elbacher Friedhof bei Miesbach zu Grabe getragen. Die Malerin und Porträtistin Berta Kaiser (1875-1962), die in den Jahren von 1944 bis 1954 in Partenkirchen lebte und wirkte, schuf ein Porträt von Fritz Müller-Partenkirchen.

Etwa 40 Jahre nach seinem frühen Tod brachten der Herder Verlag in Freiburg, das Rosenheimer Verlagshaus und der Fischer Taschenbuch Verlag seine Bauern- und Schulgeschichten, seine Berg- und Kaufmannserzählungen in neuen Auflagen heraus.

Drei der bekanntesten Romane von Fritz Müller-Partenkirchen: "Das verkaufte Dorf", "Die Firma" und "Kramer und Friemann - Eine Lehrzeit"

 

Werke

Eine Vielzahl von Romanen und Kurzgeschichten, von Humoresken, Schul- und Bauern-, Berg- und Stadtgeschichten hat Fritz Müller-Partenkirchen hinterlassen. Als Philosoph und Volkserzieher mag er sich verstanden haben. „Weisheiten eines Lebens- und Menschenkundigen" hat er sie genannt. Geschrieben hat er im Stil eines pädagogischen Realisten, psychologisierend und auf der Suche nach lehrhaft-überzeugenden Pointen, die meist aus den Dialogen seiner Figuren herausschießen. Und das deutschsprachige Publikum hat ihn geliebt. Er wurde einer der wenigen bayerischen Erfolgsautoren, dem der Staackmann Verlag in Leipzig und der Bertelsmann Verlag in Gütersloh zu hohen und höchsten Auflagen verholfen haben. Allein der Roman „Kramer&Friemann", die Geschichte seiner eigenen Lehrzeit, erschien bis 1945 mit 400.000 Exemplaren.

 

Hier ein unvollständiger Überblick über Ausgaben seiner wichtigsten Werke:

  • Die Hochzeit von Oberammergau. Roman (Gütersloh, Bertelsmann Verlag 1922)

  • Kramer & Friemann, eine Lehrzeit. Roman (Gütersloh, Bertelsmann Verlag 1924)

  • Der Kaffeekönig. Roman (Gütersloh, Bertelsmann Verlag 1924)

  • Das verkaufte Dorf. Roman (Leipzig, Staackmann Verlag 1928)

  • Der Dreizehnte. Roman eines Lebens (Leipzig, S. Amthorsche Verl.-Buchhandlung1930)

  • Die Firma. Roman (Gütersloh, Bertelsmann Verlag 1939)

  • Dreizehn Aktien. Geschichten von deutscher Arbeit (Hamburg, Hanseatische Verlags-Anstalt 1921)

  • Fernsicht. Berggeschichten (München 1922)

  • Der Lehrling. Kaufmannsgeschichten (Frankfurt/M., Diesterweg Verlag 1925)

  • Ich dien'. Geschichten von der Arbeit (Frankfurt/M., Diesterweg Verlag 1925)

  • Die Kopierpresse. Kaufmannsgeschichten (Leipzig, Staackmann Verlag 1926)

  • Debitorenkonto Folio 1347 und andere Geschichten. Ein Lesebuch für den jungen Kaufmann (Stuttgart, Poeschel Verlag 1928)

  • Schön ist's auf der Welt. Geschichten (Leipzig, Staackmann Verlag 1933)

  • Rund um den Bückeberg. (Möser, Drescher Verlag 1934)

  • Begegnungen mit dir und mir. Erinnerungen und Erlebnisse (Stuttgart, Steinkopf Verlag 1937)

  • Sumatra und anderswo. Erlebte Geschichten aus Übersee. (Freiheitsverlag 1937)

  • Bahn frei! Geschichten von deutscher Arbeit (Leipzig, Staackmann Verlag 1939)

  • Das fröhliche Müller-Partenkirchen-Buch (Gütersloh, Bertelsmann, 1940)

  • München. Geschichten (Leipzig, Staackmann Verlag 1940)

  • Heul', wenn's Zeit ist! (Dresden, Schulze Verlag 1942)

 

 

Literatur

Bernhard Gajek, Fritz Müller-Partenkirchen - Herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 18. Bd. (Duncker & Humblot Berlin 1997) S.507-508

Zum 75. Geburtstag und neunten Todestag des Dichters (Hochlandbote Garmisch-Partenkirchen 04.02.1950)

Günter Goepfert, Jetzt grad extra! Zum 100. Todestag von Fritz Müller (Garmisch-Partenkirchner Tagblatt 26.02.1975)

Maria-Brigitte Lechner, Fritz-Müller-Partenkirchen. Seine Beziehung zu Partenkirchen in Leben und Werk (Facharbeit aus dem Leistungskurs Deutsch, Garmisch-Partenkirchen 1983, Werdenfels-Gymnasium)

Peter Adam und Anton Jocher, Die Straßennamen von Garmisch-Partenkirchen. Namensherkunft und historische, zeitgeschichtliche sowie volkskundliche Gegebenheiten rund um unsere Straßen (Garmisch-Partenkirchen 2001) S. 58f

Josef Ostler, Garmisch und Partenkirchen 1870-1935. Der Olympia-Ort entsteht (Garmisch-Partenkirchen, 2000)

 

 

© Alois Schwarzmüller 2009